Oberberg – „Katastrophe!“ Wer Peter Peisker heute nach der Verkehrssituation rund um die Autobahn 4 fragt, der muss nicht lange auf Antwort warten. Im Gegenteil. Prompt fällt einem der Chef einer Waldbröler Spedition ins Wort. Denn nicht nur die Arbeiten an der Brücke Werthsiefen zwischen den Anschlussstellen Engelskirchen und Overath kosten Peiskers Fahrer gerade Zeit und Nerven, die Vollsperrung der Talbrücke Rahmede und damit der Autobahn 45 bei Lüdenscheid tut ein Übriges.
Doch ab sofort können Unternehmen aus Oberberg, die erheblich von der Sperrung der Rahmede-Talbrücke betroffen sind, einen Hilfskredit der NRW-Bank beantragen. Das haben Landrat Jochen Hagt und die Industrie- und Handelskammer zu Köln (IHK) am Freitag mitgeteilt: Das Wirtschaftsministerium des Landes habe nun auch den Kreis in das bereits bestehende Fördergebiet aufgenommen.
Seit Ende April: Sanierung der Brücke Werthsiefen
„Diesen Kredit werde ich auf jeden Fall in Anspruch nehmen“, kündigt Peisker an. „Denn uns laufen die Lenk- und Ruhezeiten ebenso davon wie die Kosten für unsere Transporte.“ Für jede Fahrt müsse seine Spedition heute gute anderthalb Stunden mehr einrechnen als früher. 40 Lastzüge schickt das Unternehmen täglich auf die Straße, seit mehr als 20 Jahren fährt Peisker etwa für den Automobilbauer Audi. „Eigentlich müssten wir die Mehrkosten an unsere Kunden weitergeben, aber die würden das niemals einsehen – natürlich nicht.“ Vor allem die Routen zu den Autobahnen 1 und 3 bergen oft Probleme. „Wenn um Köln herum auch wieder alles verstopft ist, dann fahren wir unter anderem über die Bundesstraßen 256 und 237, um dann bei Remscheid auf die A1 zu kommen“, nennt Peisker eine Alternativstrecke. Und gehe es in den Süden Deutschlands, also auf die A3 zum Beispiel, so kurvten seine Lastzüge bis Höhr-Grenzhausen durch den Westerwald. Peisker: „Ich frage mich, warum solche Vorhaben nicht nachts ausgeführt werden.“
Das wird an der Autobahnbrücke Werthsiefen gemacht
Vom größten und aufwendigsten Teil der Arbeiten, der inneren und äußeren Instandsetzung der etwa 440 Meter langen Brücke, werden Autofahrerinnen und Autofahrer nichts mitbekommen. „Man könnte denken, das sei dann eine Geisterbaustelle – ist es aber nicht“, erklärt Baustellen-Obmann René Derichs von der Niederlassung Rhein der Autobahn-GmbH. Denn gearbeitet werde eben unterhalb der Fahrbahn: „Wir bringen innen und außen umfangreiche Verstärkungen an.“ Und diese Arbeiten dauerten dann auch am längsten. An der höchsten Stelle misst die Brücke, die aus Stahl- und Spannbeton gebaut worden ist, fast 35 Meter.
Bisher arbeitet die Autobahn-GmbH an den sogenannten Übergangskonstruktionen: Das sind die Schnittstellen zwischen den Fahrbahnen sozusagen auf festem Boden und den Fahrbahnen auf der Brücke. „Diese bekommen eine gründliche Überholung, damit die Brücke beweglich, dehnbar und geschmeidig bleibt“, führt Derichs aus. Und weil auch die Schutzplanken in der Mitte der Brücke in die Jahre gekommen seien und auf Vordermann gebracht werden mussten, „wird das gleich miterledigt“. Dafür aber müsse die Baustelle immer wieder umziehen und die Straßenseite wechseln, was Engpässe oder auch eine einspurige Führung des Verkehrs verursachen könne. Derichs: „Wir achten aber darauf, dass dies jenseits der Spitzenzeiten, also außerhalb des Berufsverkehrs geschieht.“ (höh)
Ende April hat die Autobahn GmbH mit einer umfangreichen Sanierung der Brücke Werthsiefen begonnen, seither ist dort Tempo 60 angesagt, weil die Fahrspuren sehr eng geführt werden. Aber sowohl in Richtung Köln als auch in Richtung Olpe fließt der Verkehr dort weiterhin zweispurig, gelegentlich aber auch nur einspurig.
Keine Liferengpässe bei Material
„Das geschieht aber nur noch in Fahrtrichtung Olpe, wenn überhaupt“, berichtet René Derichs, zuständig bei der Niederlassung Rheinland der Autobahn-GmbH für die Überwachung von Baustellen. Denn die Arbeiten liefen gut und lägen voll im Zeitplan. Lieferengpässe bei Material gebe es bisher nicht. „Tatsächlich hat es da nur kleinere Staus mit Längen von wenigen Kilometern gegeben“, sagt Derichs. „Dazu kann es aber natürlich weiterhin kommen.“ Er rechne damit, dass die Instandsetzung des mächtigen Bauwerks Ende 2023, spätestens im Frühjahr 2024 vollendet ist.
Unternehmer wie Peter Peisker fürchten indes, dass sich die Sanierung der Brücke bei Untereschbach nahtlos daran anschließt. „Frühestens zum Jahreswechsel von 2023 auf 2024 beginnen auf den Landesstraßen ringsherum erste Vorbereitungen“, erklärt Lauren Dohnalek, Sprecherin der Autobahn-GmbH auf Nachfrage dieser Zeitung. „Gerade laufen die Abstimmungen dafür, auch mit dem Oberbergischen Kreis.“ Ausgeführt sollen die Arbeiten, so heißt es, ohne Sperrungen und bei jeweils zwei Fahrspuren.
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Ebenso hört die IHK genau hin, wenn es um neue Bauprojekte geht. Eine Gefahr für Oberbergs Wirtschaft sieht Michael Sallmann, Leiter der Geschäftsstelle in Gummersbach, noch nicht: „Problematisch wird’s immer dann, wenn die Arbeiten an einem Objekt sich auf das gesamte Verkehrsnetz auswirken.“ Die Unternehmen im Kreis seien eben extrem abhängig von der Infrastruktur, also auch von der A4. „Um den Transport von Waren zu gewährleisten, darf es aber nicht zu einer Senkung des zulässigen Gewichts auf solchen Brücken kommen“, ergänzt Sallmann. Er selbst sei bei seinen Fahrt bisher immer zügig an Engelskirchen vorbeigekommen. Die Sperrung der A45 sei dagegen ein immenses Problem „für jedes Unternehmen, das Geschäftsbeziehungen ins Ruhrgebiet hat“. „Mehr Strecke, mehr Sprit, das ist aber in allen Fällen das wohl größte Problem“, sagt Sallmann mit Blick auf das Kreditangebot. Daher hoffe er, dass in den kommenden Monaten planbare und verschiebbare Sanierungen die derzeitige Situation nicht unnötig verschärften.