AboAbonnieren

KommunalwahlVier Männer für den Chefsessel in Bergneustadt

Lesezeit 6 Minuten

Vor sechs Jahren jubelte Wilfried Holberg nach der Stichwahl. Jetzt wird sein Nachfolger gesucht.

Bergneustadt – Ein spezielles Pflaster war Bergneustadt immer schon. Ihren Bürgern verlangt die Stadt die weit und breit höchste Grundsteuer ab und versäumt gleichzeitig, Anliegern für eine Straßenbaumaßnahme die fälligen Beiträge abzurechnen. Die Stadt hat mit 25 Prozent den größten Anteil von Einwohnern mit Migrationshintergrund und ist auch nach Jahrzehnten immer noch weit entfernt von einer gelungenen Integration.

Trotzdem ist Bergneustadt quicklebendig, keine Spur von Depression. Die Stadt stemmt ein Großprojekt nach dem anderen: den Umbau des Hackenbergs samt Abriss mehrerer Wohnblocks und gerade steht die Umwandlung der Altstadt in ein zukunftsträchtiges, attraktives Wohnquartier an. Neue Gewerbegebiete sind in Planung und ganz aktuell entsteht die Neue Mitte. Das alles ist aber kein Widerspruch, das ist Bergneustadt.

Vier Kandidatiten im Kampf um den Chefsessel

Kein Wunder, dass schon bei der Wahl 2014 fünf Kandidaten zur Bürgermeisterwahl antraten. Jetzt sind es „nur“ vier, aber nirgendwo sonst in Oberberg gibt es so viele, die auf den Chefsessel des Rathauses wollen. Drei von ihnen sind Selbstständige, einer – CDU-Mann Matthias Thul – ist schon im Rathaus, als Allgemeiner Vertreter des Chefs, der er selbst gerne werden will. Seit gut zwei Jahren arbeitet Thul in Bergneustadt, man muss abwarten, wie weit es seiner Partei gelungen ist, ihn seitdem bekannt zu machen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Seine drei Konkurrenten Thomas Stamm (SPD), Wolfgang Lenz (FDP und Jens-Holger Pütz (UWG) sind alteingesessene Bergneustädter, wissen um diesen Vorteil und werden nichts tun, um Thul zu mehr Popularität zu verhelfen. Die vom Heimatverein geplanten zwei Podiumsdiskussionen mit den Kandidaten vor je 300 Zuhörern in der Burstenhalle an diesem Wochenende jedenfalls wurden abgesagt – offiziell wegen steigender Coronazahlen. Tatsächlich dürften die Konkurrenten aber auch wenig Lust verspürt haben, Thul an den zwei Abenden zu mehr Popularität zu verhelfen.

Freie Wählergemeinschaft Bergneustadt im neuen Rat

Egal, wer von den vieren am Ende Bürgermeister wird, er wird es die kommenden fünf Jahre weiterhin mit seinen Mitbewerbern zu tun haben, die entweder Platz 1 der Reservelisten ihrer Partei innehaben und damit auf alle Fälle auch im neuen Stadtrat sein werden – oder schon jetzt auf der Verwaltungsbank sitzen.

Dem neuen Rat wird mit ziemlicher Sicherheit nach sechsjähriger Pause die Freie Wählergemeinschaft Bergneustadt (FWGB) angehören. In den vorvorigen Rat hatte sie schon ein Mitglied entsandt, diesmal sollen es deutlich mehr werden. Das Wählerpotenzial hat die im Wesentlichen aus Muslimen bestehende Gruppe allemal. Die spannende Frage wird sein, wer von den bisherigen Ratsparteien (s. Grafik) Stimmen an sie abgeben muss. Für die drei kleinen Fraktionen könnte das zur Existenzfrage werden. Bei weniger als zwei Mandaten büßen sie ihren Fraktionsstatus ein.

Zu den vier Wahlen am 13. September sind 14 383 Bergneustädter aufgerufen. Sie entscheiden über ihren Bürgermeister und welche der 125 Bewerber in den 32-köpfigen Stadtrat einziehen werden. Auch über den Landratsposten und den neuen Kreistag wird abgestimmt.

So gehen die Parteien in die Kommunalwahl

CDU:

Auf der Reserveliste vorn:

1. Reinhard Schulte, 58 Jahre, Oberstudiendirektor,2. Ralf Siepermann, 53, kaufmännischer Leiter,3. Dr. Christoph Stenschke, 50, Fachschullehrer.

Wahlziel: 50 Prozent. Matthias Thul muss die Möglichkeit haben, mit uns Visionen umzusetzen.

Die drei wichtigsten Themen:

Bergneustadt wird langsam auch für die Rheinschiene interessant. Eine ausgeglichene Einkommensstruktur und Arbeitsplätze können unsere Einnahmesituation verbessern und damit die Grundsteuer senken. Gewerbegebiete sind in Entwicklung, für große Neubaugebiete fehlen uns die Möglichkeiten. Wir müssen Lücken sinnvoll schließen. Attraktivität der Stadtviertel: Abhängig von den Fördermöglichkeiten werden wir neben Hackenberg und Altstadt weitere Viertel entwickeln. Klimaverträglichkeit: Fotovoltaik, E-Mobilität und Radverkehr sind unsere aktuellen Projekte, für weitere werden wir einen Klimaschutzmanager einstellen.

SPD:

Auf der Reserveliste vorn:

1. Thomas Stamm, 60, Jurist und Unternehmer2. Antje Kleine, 50 Verwaltungsbetriebswirtin3. Detlef Kämmerer, 64, Sparkassenbetriebswirt i.R.

Wahlziel: 30 Prozent + X, Thomas Stamm wird Bürgermeister.

Die drei wichtigsten Themen

Wirtschaftsförderung, auch durch die Schaffung nachhaltiger Arbeitsplätze in innovativen Geschäftsbereichen. Die Gründung eigener Stadtwerke zur klimafreundlichen Energiewende und eines Ärztehauses zur Sicherung der Gesundheitsversorgung: Die Bürger sollen Energie und eine umfassende Gesundheitsversorgung vor Ort aus einer Hand erhalten können. Gute Bildungsmöglichkeiten durch die Sicherung aller Schulstandorte und Kindertagesstätten. Zum Bildungsangebot rechnen wir unter anderem auch Vereine, Feuerwehr, DRK, THW und Musikschule, denn Sport, soziales Engagement und musikalische Bildung sind für die Persönlichkeitsentwicklung entscheidend.

FDP:

Auf der Reserveliste vorn:

1: Christian Hoene, 48, Diplom-Betriebswirt2. Wolfgang Lenz, 56, Betriebsleiter3: Ulrich Saßmannshausen, 39, Techniker

Wahlziel: 8 Prozent.

Die drei wichtigsten Themen:

Als FDP-Ortsverband und als Fraktion im Rat beschäftigen uns viele wichtige Themen: von hohen Steuerbelastungen über fehlende Gewerbebetriebe und bezahlbaren Wohnraum bis hin zu sterbenden Wäldern sowie zu den Auswirkungen durch Corona! Nach der Kommunalwahl werden wir uns weiter intensiv mit den Finanzen unserer Stadt beschäftigen und gemeinsam mit allen Verwaltungsgliederungen einen Weg suchen, um die extrem hohe Belastung durch Grundsteuer B schnellstens zu senken. Um neue Arbeitsplätze schaffen zu können und gleichzeitig die Stadt auf solide Finanzen zu stellen, ist die Neuansiedlung von (Gewerbe-)Betrieben unabdingbar. Hier wollen wir die Stadt als aktiven Förderer und Vermittler für interessierte Unternehmer und Neugründer aufstellen. Und wir werden uns verstärkt der medizinischen Versorgung zuwenden und die Niederlassung von Haus- und Fachärzten fördern.

Grüne:

Auf der Reserveliste vorn:

1. Axel Krieger, 62, Theaterregisseur/Theaterleiter2. Roland Wernicke, 60, Diplom-Bergingenieur3. Ulrich Schneider, 64, Lehrer i.R.

Wahlziel: 10 Prozent + X

Die drei wichtigsten Themen: Der Schutz der Natur und Umwelt: kein unausgeglichener Flächenverbrauch; Schutz der Schwächeren im Verkehr, vor Lärm und Förderung nachhaltiger Energie durch mehr Fotovoltaik auf städtischen Dächern.

Kulturelles Leben soll mehr Beachtung finden. Alle Gruppen und Religionen sollen eine angemessene Versammlungsstätte finden, wenn sie demokratisch und verfassungskonform auftreten. Handel und Gewerbe aus nachhaltigen/ökologisch sinnvollen Bereichen sollen mehr Unterstützung finden, um soziale Verwerfungen auch damit zu beheben. Mittelfristige Senkung der Grundsteuer B. Die Wohn-, Lebens- und Arbeitsqualität in der Stadt verbessern. Fazit: Eine grünere Stadt mit hohem Lebenskomfort für alle.

UWG:

Auf der Reserveliste vorn:

1. Jens-Holger Pütz, 56, Selbstständiger Kaufmann2. Hans Helmut Mertens, 73, Rentner3. Sven Oliver Rüsche, 49, selbstständiger Unternehmensberater.

Wahlziel: zweitstärkste Fraktion im Stadtrat zu werden.

Die drei wichtigsten Themen: Die Senkung der hohen Grundsteuer B gehört dazu. Das schnelle Internet und die Lebensmittelnahversorgung (u.a. Henneweide) sind sehr wichtig. So auch die Unterstützung unserer Vereine und der Erhalt unseres Freibades. Die Sicherung der Ärzteversorgung. Neues Gewerbe ansiedeln und bestehendes Gewerbe unterstützen (Ausbildungs- und Arbeitsplätze schaffen und sichern). Neues Bauland erschließen. Das Wichtigste ist, dass wir die Bürger dabei mitnehmen. Als bürgerlich-konservative Wählergemeinschaft sind wir die einzigen, die gegen den Bau einer Ditib-geführten Moschee sind und würden das durch einen Bürgerentscheid abstimmen lassen.

FWGB:

Auf der Reserveliste vorn:

1. Mehmet Pektas, 34, Kaufmann und Unternehmer2. Tugyan-Nur Ardic, 19, Krankenpflegeassistenti3. Ilhan Tokac, 45, Industriemechaniker.

Wahlziel: 12 bis 15 Prozent.

Die drei wichtigsten Themen:

Wir möchten die Einnahmequellen der Stadt diversifizieren, damit nicht alles von der hohen Grundsteuer B abhängig ist. Im gleichen Zuge soll der Bürger bei der Grundsteuer B entlastet werden. Wir werden uns im Rahmen der Wirtschaftsförderung mit Experten aktiv darum bemühen, dass neue Arbeitgeber ihren Weg nach Bergneustadt finden – insbesondere kleine und mittlere Unternehmen. Dadurch entstehen Arbeitsplätze, tun den Familien und die Gewerbesteuererträge den Stadtfinanzen gut. Wir möchten uns den Familienmitgliedern in Bergneustadt widmen, indem wir z. B. Frauen durch Bereitstellung von Räumlichkeiten und Freizeitmöglichkeiten zueinander finden lassen, Jugendliche bei Freizeitaktivitäten und Entertainment fördern und auch möglichst Probleme rund um Finanzen im Alltagsleben (z.B. Kita-Gebühren) lösen.