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„Wie die Jungfrau zum Kind“Gummersbacher Handball-Kommentator über seine Karriere

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„Wie die Jungfrau zum Kind“ sei er zum Kommentieren gekommen, erklärt Maik Thiele.

Gummersbach – Maik Thiele (48) spielte Handball beim VfL Gummersbach und dem TuS Derschlag bis in die Dritte Liga, trainierte mit dem VfL-Bundesligateam. Er war Trainer bis in die Dritte Liga und ist heute Coach der VfL-E-Jugend. Seit anderthalb Jahren ist der Gummersbacher Heimspielkommentator der Zweitligaspiele des VfL sowie Co-Kommentator bei der WM, EM und der Champions League. Über diesen Perspektivwechsel sprach Andrea Knitter mit ihm.

Ihr nächster Einsatz ist an Rosenmontag, wenn Sie das Spiel des VfL gegen den TV Großwallstadt auf Sportdeutschland.tv kommentieren. Wenn es ein Rosenmontag ohne Corona wäre, wo wären Sie dann?

Mit meiner Familie in Köln, wo wir mit unseren Kindern Tom (10) und Mia (8) schon traditionell Karneval feiern. Ich habe 15 Jahre in Köln gewohnt, das hat mich geprägt.

Wie sind Sie zu Ihrer Kommentatorenrolle gekommen?

Wie die Jungfrau zum Kind. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass ich irgendwann am Mikro sitzen würde. Bei den VfL-Spielen war ich zunächst Co-Kommentator von Sascha Staat. Von ihm habe ich vor anderthalb Jahren übernommen und lade mir nun Co-Kommentatoren ein.

Zuletzt waren es Philipp oder Gunnar Jaeger oder Tobias Schröter, aber auch Ex-Trainer Torge Greve. Nach welchen Gesichtspunkten suchen Sie aus?

Ich versuche zu mischen und Kandidaten zu finden, die einen VfL-Background haben. Im letzten Spiel gegen Eisenach sollte das Markus Murfuni sein, der zuletzt auch Trainer der Eisenacher war. Er hat aber wegen Corona kurzfristig abgesagt.

Wie objektiv muss ein VfL-Kommentator sein?

Ich versuche immer sehr objektiv zu sein, was mir aber nicht immer gelingt. Man hört schon meine Sympathien heraus, was bei meiner Verbindung zum VfL wohl automatisch so ist.

Sie sind mittlerweile ein Kenner der Zweiten Liga. Wie lange müssen Sie sich auf ein Spiel vorbereiten?

Ich nehme mir da schon eine bis anderthalb Stunden, schaue mir den Kader an, frage auch bei Vereinen und Kollegen nach.

Nachholspiel

Das am Mittwoch ausgefallene Spiel des VfL Gummersbach beim Dessau-Roßlauer HV 06 ist neu terminiert worden. Die Partie solle nun am Montag, 25. April, um 19 Uhr in der Anhalt-Arena Dessau stattfinden, teilte der VfL am Freitag mit. (r)

Die Heimspiele des VfL zu kommentieren ist eine Sache. Sie sind aber auch international im Einsatz, wie zuletzt bei der Europameisterschaft in der Slowakei und Ungarn. Wie ist es zu diesem Schritt gekommen?

Über Sascha Staat. Wir haben gemeinsam den VfL kommentiert und er hat mich gefragt, ob wir uns bei Eurosport bewerben sollen. Ich habe ja gesagt, wir haben eine Bewerbung aufgenommen, in der wir möglichst unparteiisch kommentiert haben und sind genommen worden. Dann kam Dazn dazu und die Meisterschaften wie EM oder WM über Sportdeutschland.tv. Heute noch kommentiere ich meist mit Sascha Staat zusammen.

Sie sind relativ schnell die Leiter hochgeklettert und haben hochkarätige Spiele und Turniere kommentiert. Was braucht man dafür?

Da war sicher auch eine gehörige Portion Glück dabei, dass es in Köln ein Halbfinale der Champions League war oder das Spiel um den dritten Platz an der Seite von Uwe Semrau. Weiterhin war es das Finale der Europa-League in Berlin oder die Olympischen Spiele.

Waren Sie dafür selbst in Tokio?

Leider nein. Eigentlich sollten wir die Spiele aus dem Bergischen für Eurosport kommentieren. Doch es gab technische Probleme und wir sind kurzerhand nach München in die Zentrale von Eurosport gefahren. Dort haben wir eine Woche im Hotel gelebt. Natürlich würde ich mir wünschen, alle Spiele aus der Halle zu kommentieren, um die Stimmung einzufangen. Das ist aber eine Kostenfrage.

Bei der EM im Januar waren Sie dann im Dauereinsatz. Wie vereinbaren Sie das mit ihrem Beruf?

Handball findet meist am Abend statt, das lässt sich mit meiner Arbeit im Vertrieb von Radeberger vereinbaren. Ebenso mit meinen gelegentlichen Einsätzen als Anwalt. Unterm Strich ist es immer eine Frage der Zeiteinteilung. Außerdem unterstützt mich auch meine Frau dabei. Bei der EM waren es mit 13 Spielen, darunter sechs Konferenzen, schon eine Menge Einsätze, die viel Vorbereitung bedurften.

Wie sind Sie an Ihre Informationen gekommen? Es ist selbst in Zeiten des Internets nicht einfach, über alle Teams etwas herauszufinden.

Das war teilweise wirklich schwierig. Ein Beispiel war die Mannschaft von Nord-Mazedonien, über die es fast ausschließlich Informationen in der Landessprache gab. Ich kenne mich mittlerweile gut in der Champions League und in der Bundesliga aus, aber da kommt man schon an seine Grenzen. Bei der EM waren 24 Mannschaften am Start, bei der WM 32. Da ist es schwierig, sich auf alle vorzubereiten.

Nutzen Sie neben dem Internet noch andere Wege, um an Informationen zu kommen?

Das geht vor allem über die Spieler, Kollegen oder Bekannte. Als ich mich auf Tschechien vorbereitet habe, habe ich Alois Mraz angerufen, der Trainer beim VfL war und mir vieles über seine Landsmänner erzählen konnte. Über Österreich habe ich mit VfL-Spieler Alex Hermann gesprochen.

Wo soll es für Sie in den nächsten Jahren noch hingehen?

Ich würde gerne noch weiter in die Kommentatorenrolle reinwachsen. Bisher bin ich ja eher der Experte oder Co-Kommentator.

Bei der EM wurden die Kommentare der Zuschauer in die Berichterstattung eingebaut. Sie werden doch sicher auch in den sozialen Medien kommentiert oder nicht?

Da schaue ich nicht so richtig drauf. Als wir bei Eurosport angefangen haben, bekamen wir mit auf den Weg, dass wenn du nichts hörst, es ein guter Tag war. Aber natürlich gefällt einem nicht jeder Kommentar.

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Was waren Ihre bisherigen Highlights?

Ganz klar das Final Four der Champions League und bei Olympia das Spiel um Platz drei sowie das Finale der Frauen. Aber das größte Highlight steht ja noch aus.

Was wäre das?

Der Aufstieg des VfL Gummersbach in die Erste Bundesliga. Das wäre nicht nur sportlich super, sondern noch aus zwei weiteren Gründen.

Und die wären?

Mein Sohn Tom, der in der VfL-E-Jugend spielt, könnte all die Handballstars der Ersten Liga live in der Schwalbe-Arena sehen, die er bisher nur aus dem Fernsehen oder Erzählungen kennt. Und ich könnte vielleicht ein Spiel mit Stefan Kretzschmar kommentieren, der in meinen Augen den Handball wie kein Zweiter in der Öffentlichkeit transportiert.