Im Hotel Goldener Acker schätzten die Fachleute Samuel Lagrene und Jamiro Steinbach aus Mannheim Erbstücke und Antiquitäten auf ihren Wert.
Fast wie „Bares für Rares“In Morsbach zeigt sich: Ur-Opas Uhr ist kein wertvoller Schatz
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„Bares für Schätze“, so heißt die mobile Expertensprechstunde, bei der Samuel Lagrene (links) und Jamiro Steinbach nun auch in Morsbach Schmuckstücke und Antiquitäten unverbindlich auf ihren Wert schätzten.
Copyright: Siegbert Dierke
Fürs Laienauge sehen sie allesamt ziemlich gleich aus, die silbernen und goldenen Taschenuhren, die da in der Internetsuche nach „Union Horlogère“ (französisch für Union der Uhrmacher) prompt auf den Computerbildschirm ploppen. Höchst unterschiedlich aber sind die Preise unter den Fotos: Weniger als 30 Euro will der eine Online-Händler für ein solches Stück haben, mehr als 10.000 Euro fordert ein anderer.
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Auch diese Taschenuhr aus dem Geschäft eines Opladener Uhrmachers kam jetzt in Morsbach unter die Lupe.
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Die Erwartung ist also hoch, der Blick von Samuel Lagrene konzentriert, seine Einschätzung ernüchternd: „Das Gehäuse ist nur vergoldet – sieht man daran, dass es auf der Rückseite schon ein bisschen grün angelaufen ist“, sagt der 33-Jährige. „Hergestellt worden ist die Uhr offenbar in Frankreich, in der Zeit etwa zwischen 1900 und 1920. Und leider tickt sie nicht mehr.“
Diese Taschenuhr ist ein Erbstück, von Ur-Opa Albert Josef Höhner (1886 – 1960) väterlicherseits, wahrscheinlich. Sie stammt, so steht es in dunklem Grün auf den beigefarbenen Samt der braunen Schatulle gedruckt, aus der Handlung Abr. Keisinger in Opladen, heute ein Stadtteil von Leverkusen. Jetzt weckt der Zeitmesser die Neugier und an diesem Freitagmorgen sehen Samuel Lagrene und sein Cousin Jamiro Steinbach im Morsbacher Landhotel Goldener Acker besonders gut hin: „Bares für Schätze“ heißt es da.
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Im Restaurant des Morsbacher Hotels Goldener Ackter fragen 20 Interessierte nach einer Expertise
Im Restaurant des Hotels sitzen die beiden Mannheimer an Tischen, darauf kleine Stehlampen, eine Feinwaage ist immer griffbereit und in einer hölzernen Kiste warten kleine Flaschen mit Chemie auf ihren Einsatz. Wer sich von Erbstücken trennen möchte, der kann die Sprechstunde der Schmuck- und Antiquitätenhändler nutzen, sich ihr Urteil und eine Expertise einholen. In Morsbach sind es etwa 20 Interessierte. Aber: Mit Geld in der Tasche geht danach niemand nach Hause.
„Wir dürfen bei solchen Terminen nur schätzen und beraten, aus rechtlichen Gründen aber nichts ankaufen“, betont Lagrene. Dafür müsse stets ein eigener Termin verabredet werden. 2012 hat er sich mit einem Geschäft in Grünstadt (Landkreis Bad Dürkheim) selbstständig gemacht, sein Handwerk hat er von Vater Marco gelernt. „Jamiro und ich sind die vierte Generation, schon als kleiner Kerl habe ich meinen Papa bei seinen Fahrten oft begleitet.“ Seit etwas mehr als zwei Jahren reist der Mannheimer nun selbst kreuz und quer durch Deutschland: „Wir machen einen Ort pro Monat, gehen aber meistens nicht in Großstädte.“
In Morsbach haben die beiden Fachmänner aus Mannheim zum ersten Mal Halt gemacht
In Morsbach sind die Fachmänner zum ersten Mal. Steinbachs Ehefrau Michelle ist in der Gemeinde aufgewachsen, später ist die Familie nach Waldbröl umgezogen. „Die leckeren Schokobrötchen der Bäckerei Rosenbaum begleiten mich also schon eine lange Zeit“, verrät er. Spezialisiert hat sich der 30-Jährige auf Schmuck und Streichinstrumente, Cousin Samuel nimmt derweil Militaria unter die Lupe und handelt mit Antiquitäten aller Art, „sofern sie aus Europa kommen“.
Beide bevorzugen die Zeit ab 1900, auch Möbel nehmen sie in Augenschein. Über erfolgreiche Geschäfte schweigen sie. Nur so viel: „Es war mal ein Smaragd dabei, der zuvor dem Supermodel Naomi Campbell gehört hat.“
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In Morsbach prüfte Samuel Lagrene auch einen Ring auf seinen Goldgehalt.
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Die Konkurrenz in der Branche sei hart und oft unfair, betont Samuel Lagrene. „Daher sind wir gern in Regionen mit viel Geschichte unterwegs, wie eben hier im Bergischen Land.“ Sein persönlicher Reiz an diesem Job seien die vielfältigen Geschichten, die oft hinter dem Mitgebrachten stehen und die nicht selten über Generationen reichen – „sowie schließlich die Überraschung der Menschen, wenn sie von uns erfahren, dass sie da tatsächlich einen echten Schatz hüten“, schildert er.
Für den Besitzer der Opladener Taschenuhr hat Fachmann Lagrene indes nur einen Rat: „Wenn verkaufen, dann am besten per Kleinanzeige. Oder besser noch: Behalten als Andenken an den lieben Ur-Opa.“ Der Händler selbst würde das Schmuckstück – plötzlich tickt es wieder – übrigens nicht ankaufen. „Zwischen Wert und Preis ist immer ein Riesenunterschied“, führt der Mannheimer aus. „Ein Geigenbauer zum Beispiel kann ein historisches Instrument wieder so aufmöbeln, dass es danach tatsächlich 2000 Euro wert ist. Aber diese Summe würde wohl niemand ausgeben.“
Da ist aber noch ein eher unscheinbarer, leicht oval geformter Goldring mit blauem Stein aus dem Besitz von Oma Ilse (1914 – 1998). Und der ließe sich tatsächlich versilbern: Samuel Lagrene reibt ihn über eine Unterlage, gibt chemische Prüfsäure auf die Spur. „333er Gold, typisch deutsch“, stellt er danach fest. „Acht Karat – aktueller Preis: etwa 65 Euro.“
Zweite Sprechstunde in Morsbach geplant
Erinnern soll der Titel der Sprechstunde natürlich an die ZDF-Erfolgsserie „Bares für Rares“. Deren Abendfolgen wurden etwa im Engelskirchener Schloss Ehreshoven und auch im Schloss Drachenburg bei Königswinter gedreht, seit 2013 ging das Feilschen mit Profis mehr als 2000-mal auf Sendung.
Einen Fernsehkoch als Moderator mit Namen Horst Lichter gibt es bei Samuel Lagrene und Jamiro Steinbach ebenso wenig wie eine Händlerkarte, die am Ende den Verkauf des Mitgebrachten erlaubt. Dafür aber – „Nach dem gelungenen Auftakt am Freitag“ – eine zweite Sprechstunde in Morsbach, und zwar am Samstag, 8. März, erneut im Landhotel Goldener Acker, Zum Goldenen Acker 44, von 10 bis 17 Uhr. Diesmal ist eine Anmeldung erbeten unter 0159/01 21 32 40. (höh)