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Nachfrage in GummersbachNachhilfeschulen verzeichen Defizite bei Grundschülern

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Vadim Kloss, Leiter des Studienkreises in Gummersbach, beim Unterricht mit einem Schüler.

Gummersbach – „Die Situation ist paradox“, stellt Jürgen Theilmeier fest. Einerseits machen sich Schüler und Schülerinnen und ihre Eltern zunehmend Sorgen, ob die Kinder den Lernstoff dieses Schuljahrs im Hin und Her von Distanz- und Wechselunterricht wirklich begriffen haben: „Andererseits haben wir ein Drittel weniger Nachhilfeschüler als im vergangenen Jahr um diese Zeit.“

Theilmeier leitet die „Schülerhilfe“, die an den Standorten Gummersbach und Engelskirchen jeweils um die 70 Kinder und Jugendliche betreut. Zuletzt waren es vor allem die Abschlussklassen, manche von ihnen in Quarantäne, die sich Sorgen um die zentrale Abschlussprüfung machten und noch eventuelle Lücken schließen wollten.

Mehr Defizite bei Grundschülern

Doch auch viele Grundschülerinnen und Grundschüler zeigten immer mehr Defizite, so Theilmeier. „Da sorgen wir zurzeit vor allem dafür, dass sie im Distanzunterricht ihr wöchentliches Lernpensum durcharbeiten und unterstützen sie dabei“, erklärt er. Denn während viele Jugendliche mit dem Homeschooling relativ gut klarkämen, falle das selbstständige Lernen gerade den Jüngeren oft doch recht schwer. „Ich merke es ja selbst“, sagt der Vater von drei Kindern, von denen zwei in die dritte Klasse gehen. „

Jürgen Theilmeier, Leiter der Schülerhilfe Gummersbach und Engelskirchen

Sie brauchen zwei bis drei Stunden am Tag einen Erwachsenen, der sich intensiv darum kümmert. In der Zeit kann man nicht kochen, nicht arbeiten, nichts anderes tun. Sonst verliert man schnell die Geduld.“ Aus Elterngesprächen wisse er, dass es für manche Familien mit Eltern im Homeoffice oder für Selbständige eine Katastrophe sei. Auch, weil längst nicht alle Familien einen Laptop zur Verfügung hätten.

Vielen fehlt coronabedingt Geld für Nachhilfe

Vadim Kloss, Leiter des Studienkreises in Gummersbach, bestätigt die Einschätzung seines Kollegen. Dabei fallen die Lerndefizite des Corona-Schuljahrs erst jetzt verstärkt auf. „Bei den Grundschülern merken es die Eltern noch eher. Geht ein Kind in die weiterführende Schule, ist es schon komplizierter.“ Generell sei es aber auch für Lehrkräfte schwieriger, den tatsächlichen Lernstand im Distanzlernen zu beurteilen. „Manchen Kindern und Jugendlichen, die zu uns kommen, fehlt dann der Stoff von einem halben Jahr. Das ist nicht plötzlich passiert, sondern schleichend“, sagt Kloss.

Er hat einen Anstieg der Anmeldungen nach den Osterferien verzeichnet. Allerdings durften auch die Nachhilfeinstitute zweieinhalb Monate lang nur Online-Unterricht anbieten. Erst jetzt dürfen sie wieder Schüler in Präsenz unterrichten, mit Hygienemaßnahmen und Abstand. Zwei Schüler – statt wie zu normalen Zeiten fünf gleichzeitig – dürfen im Studienkreis im Gummersbach zur Nachhilfe kommen, vier sind bei der Schülerhilfe. „Gerade Kinder, die mit dem Online-Lernen Schwierigkeiten haben, profitieren am wenigsten von einem Online-Nachhilfeangebot“, bedauert Kloss. „Zu 100 Prozent“ wollten alle lieber Präsenzunterricht haben.

Automatische Versetzungen soll es in diesem Jahr laut NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer in diesem Jahr nicht geben, allerdings zusätzliche Nachprüfungen für versetzungsgefährdete Schüler und Schülerinnen. „Wer den Rückstand nicht spätestens in den Sommerferien aufarbeitet, wird im nächsten Schuljahr umso größere Probleme haben“, meint Theilmeier.

Eine Milliarde für Nachhilfeprogramme vom Bund

Vadim Kloss weiß aber auch, dass es gerade zu Zeiten von coronabedingter Kurzarbeit und wirtschaftlichen Schwierigkeiten etlichen Familien an Geld für den Nachhilfeunterricht fehlt – auch und gerade bei denen, deren Kinder ihn besonders brauchen würden. Er bedauert, dass der Antrag auf einen Bildungsscheck mit großem bürokratischem Aufwand verbunden sei und verweist auf kostenlose Online-Crashkurse des Studienkreises für verschiedene Fächern und Stufen, zu denen sich jeder anmelden kann.

Auch vom Land gebe es angesichts der großen Lerndefizite eine Förderrichtlinie zur Kooperation von privaten Bildungseinrichtungen mit Schulen mit dem Ziel gemeinsam Defizite aufzuarbeiten, erzählt Jürgen Theilmeier von der Schülerhilfe. Dabei müsse dann der Schulträger allerdings 20 Prozent der Kosten übernehmen, 80 Prozent zahlt dann das Land NRW. Am Mittwoch hat auch das Bundeskabinett ein Aufholprogramm auf den Weg gebracht, das die Folgen der Krise für Kinder und Jugendliche abmildern soll.

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Darin ist eine Milliarde Euro für Nachhilfeprogramme für Schüler mit besonderen Lernrückständen vorgesehen, laut Bundesbildugsministerin Anja Karlicek 20 bis 25 Prozent der Schüler. Auch das könnte bei der Nachhilfe helfen.