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Nümbrechter SPD nach dem Eklat„Der Neustart ist gelungen“

Lesezeit 5 Minuten
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Vorsitzende Ira Hennecken und Geschäftsführer Claus Horder wurden im Zuge der Jahreshauptversammlung 2019 gewählt.

  1. Ende vergangenen Jahres entbrannte zwischen der SPD-Fraktion und dem Ortsverein ein heftiger Streit.
  2. Ira Hennecken und Claus Horder sind seit 2019 im Vorstand des SPD-Ortsvereins.
  3. Im Gespräch mit unserem Autor äußern sie sich zum Neustart und geben Einblick in das neue Wahlprogramm.

Nümbrecht – Ende des vergangenen Jahres haben die sechs Mitglieder der damaligen SPD-Fraktion ihre roten Parteibücher abgegeben, Mitte der kommenden Woche wird sich die Fraktion im Rat der Gemeinde Nümbrecht dem Vernehmen nach auflösen. Der Bruch mit dem Ortsverein ist offenbar nicht mehr zu kitten.

Das sagt die Fraktion im Gemeinderat

Auf Nachfrage dieser Zeitung bestätigt Wilhelm Weber, Noch-Vorsitzender der Noch-SPD-Fraktion im Nümbrechter Gemeinderat, dass er und einige Fraktionskollegen die Zahlung der freiwilligen Mandatsträgerabgabe an den Ortsverein tatsächlich eingestellt hätten.

Streit über Höhe der Abgabe

„Das geschah aber erst nach dem 15. November 2018, nachdem der Ur-SPDler Holger Mett sein Amts als Kassierer verloren hatte.“ Danach sei ein Streit über die Höhe der Abgabe entbrannt: Üblich seien bei der SPD 30 Prozent der Aufwandsentschädigungen, der Ortsverein habe aber weiterhin 40 Prozent gefordert – „wie nach dem teuren Wahlkampf von 2009“. „Nach dem Kassiererwechsel ist alles zusammengebrochen, es gab keinen gültigen Beschluss mehr.“

Zudem räumt der 35-jährige Weber ein, dass die Fraktion zuletzt nur noch intern beraten, aber niemals die Vorsitzende Ira Hennecken gezielt ausgeschlossen habe. „Nur noch eingeladen waren Ratsmitglieder und sachkundige Bürger“, sagt Weber. „Zu diesem Schritt sahen wir uns gezwungen, um überhaupt noch arbeiten zu können.“

Keine Gespräche mehr mit dem Ortsverein

Gespräche mit dem Ortsverein habe es danach nicht mehr gegeben. „Somit konnten auch keine Themen aus dessen Reihen von uns berücksichtigt werden.“ Gleichzeitig habe der Ortsverein nur noch unzureichend über die eigenen Treffen informiert, ergänzt der Wirtenbacher Weber.

Am Mittwoch, 15. Januar, wird sich die Fraktion nach Webers Angaben offiziell auflösen. Der Geschäftsführer eines Unternehmens für Veranstaltungstechnik hofft, dass sich die bisherigen Mitglieder zu einer sozialdemokratisch geprägten Wählergemeinschaft zusammenfinden und damit auch weiterhin ihre Mandate im Nümbrechter Gemeinderat wahrnehmen. Auch wünsche er sich, dass sich jeder Kollege im September erneut zur Wahl stelle. (höh)

Trotz dieser prekären Situation spricht der Vorstand von einem gelungenen Neustart, der im November 2017 mit dem „Konzept 2020“ begonnen habe: Dieses sieht vor, dass Mandatsträger kein Amt im Vorstand des Ortsvereins ausüben dürfen.

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Wilhelm Weber ist noch Vorsitzender der aktuell noch bestehenden SPD-Fraktion im Nümbrechter Gemeinderat.

Daraufhin war der damalige Vorstand um den Juristen Fabian Scheske geschlossen zurückgetreten. Seither führt die Lehrerin Ira Hennecken (56) den Ortsverein.

Wo steht der Ortsverein heute?

Die Vorsitzende Ira Hennecken und Geschäftsführer Claus Horder (72), ein früherer IT-Techniker, sprechen von einem gelungenen Neubeginn nach der Entscheidung von 2017. „Denn davor hatte der Ortsverein nahezu nicht mehr existiert“, sagt Horder. „Fraktion und Vorstand waren zudem Jahre lang identisch.“

Seither habe sich ein neues Vereinsleben entwickelt, die Sozialdemokraten seien präsenter in Nümbrecht als jemals zuvor. Hennecken: „Davon zeugen allein 17 Veranstaltungen, die wir als Verein organisiert haben, regelmäßige Stammtische zu aktuellen Themen und nicht zuletzt einige Neueintritte.“ Diese beziffert Hennecken auf etwa zehn, insgesamt zähle der Ortsverein derzeit 59 Mitglieder.

Wie geht es weiter ohne Fraktion?

Zurzeit bereitet sich der Ortsverein auf den Wahlkampf vor. „Wir wollen alle 16 Wahlkreise in Nümbrecht besetzen“, kündigt Claus Horder an. „Das wird sehr schwierig, aber wir werden es schaffen.“ Ob der Eklat der Partei geschadet habe oder nicht, könne er allerdings nicht abschätzen, die Reaktionen darauf seien sehr gespalten.

„Wir müssen den Wählern die Grundsätze der sozialdemokratischen Politik wieder näherbringen, die Anfänge sind gemacht“, ergänzt Hennecken. „Unsere Chancen bei der Wahl sind dennoch ungewiss.“

Wird der Ortsverein einen eigenen Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters nominieren?

Darauf antworten die Vorsitzende und der Geschäftsführer mit einem deutlichen Nein. Claus Horder kündigt an, die SPD werde Bürgermeister Hilko Redenius (CDU) unterstützen, sollte er sich im September erneut zur Wahl stellen – „wofür es bereits etliche Signale gibt“. Redenius habe gute Arbeit geleistet, die es weiterhin zu unterstützen gelte.

Was sind die Eckpfeiler des Wahlprogramms?

Das konkrete Programm will der Ortsverein voraussichtlich Mitte des Jahres vorstellen. Kernpunkte seien bisher unter anderem die Verbesserung des ÖPNV in Nümbrecht, mehr Funkmasten für eine Verbesserung der mobilen Telefonie, ein Ausbau des Radwegenetzes, die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, eine höhere Beteiligung der Bürger in der Politik und Konzepte gegen den Klimanotstand.

Worauf will der Ortsverein aufbauen?

„Da gibt es leider nicht viel“, sagt Hennecken. „Viele Ideen aus dem Ortsverein haben nicht den Weg in die Fraktion gefunden.“ Als Beispiel nennt die Vorsitzende Pläne für das Grundstück der alten Post, die ein Stadtplaner für den Ortsverein entworfen habe. „Zur Diskussion im Gemeinderat kamen sie nie.“ Auch sei sie immer wieder von Fraktionssitzungen ausgeschlossen worden, sagt Hennecken.

Was ist der Kern des Streits mit der früheren Fraktion?

Neben unterschiedlichen Positionen zur Ausrichtung der Politik sei ein Kernpunkt, sagt Geschäftsführer Horder, dass einige der früheren Fraktionsmitglieder nach dem „sehr teuren Wahlkampf 2009 um Fabian Scheske“ die damals vereinbarten 40 Prozent Mandatsträgerabgaben aus den Aufwandsentschädigungen erst nach mehrfacher Aufforderung oder sogar gar nicht gezahlt hätten, die offenen Posten lägen heute teilweise im vierstelligen Bereich.

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Diese sind freiwillig zu leisten. Doch besteht nach Angaben Horders kein verbindlicher Beschluss. „Ein Ortsverein lebt aber von eben diesen Beiträgen.“ Der Geschäftsführer fordert, dass die Mitglieder der früheren SPD-Fraktion ihr Ratsmandat niederlegen. „Eine rechtliche Verpflichtung gibt es zwar nicht, wohl aber eine moralische.“

Was plant der Ortsverein für die nahe Zukunft?

Ira Hennecken und Claus Horder nennen die Fortführung der Stammtische, ein Senioren-Café sowie Ferienaktionen für Kinder, „aber auch kulturelle Angebote“: „Die Leute sollen den Stellenwert der SPD wieder erkennen – und die SPD soll wieder eine Volkspartei werden“, erklärt die Vorsitzende Hennecken.