Wer fragt, was es dem Oberbergischen bringt, dass der Nümbrechter Bodo Löttgen als Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag ist, bekommt zwei Zahlen zur Antwort: 240 Millionen Euro an Fördergeldern seien seit 2017 ins Oberbergische gegangen, 113 Millionen davon in die sieben Kommunen in Löttgens Wahlkreis.
Dass der 62-jährige beurlaubte Kriminalhauptkommissar, der am 15. Mai im fünften Anlauf in seinem Wahlkreis zum vierten Mal ins Parlament gewählt werden möchte, seinen Arbeitstag vollständig mit der Fördergelder-Akquise verbringen könnte, weist er aber dann doch schmunzelnd zurück. Allein die erfolgreiche Organisation der Ein-Stimmen-Mehrheit von CDU und FDP zuerst für Armin Laschet und jetzt für Hendrik Wüst als Ministerpräsident hat einiges an Zeit in Anspruch genommen.
Scharnierfunktion liefert Einblicke in Haushalt
Sowohl beim Wechsel von Laschet zu Wüst, aber auch zuletzt, in der Diskussion um die „Mallorca-Affäre“ von Ex-Ministerin Ursula Heinen-Esser, war es Löttgen, bei dem viele Fäden zusammenliefen, um die Chancen der CDU auf einen Wahlsieg am Leben zu erhalten. Und doch, sagt Löttgen, könne er in seiner Funktion auch dem Wahlkreis dienen: „Gerade durch meine Scharnierfunktion habe ich tiefe Einblicke in den Haushalt und oft auch einen Wissensvorsprung, wenn es darum geht, wo Förderungen möglich sind.“
Tiefe Einblicke, die auch nicht ausschließen, dazuzulernen, wie der Nümbrechter bekennt. Es habe Zeiten gegeben, da sei ihm alles suspekt gewesen, was Grün war, bekennt er: „Inzwischen habe ich festgestellt, dass ich zum Beispiel mit dem Nabu gar nicht mehr so weit auseinander bin, wenn es um die Bewahrung der Natur geht.“ Dazuzulernen heiße da zum Beispiel aber auch eine andere Einstellung zur Windenergie, deren Entwicklung in NRW zuletzt deutlich eingedämmt worden war.
Neue Partner im Land in Sicht?
Jetzt könne er sich – genau wie der Nabu – solche Anlagen im Zuge der Energiewende vor allem überall dort vorstellen, wo es schon einen Einschnitt in die Natur gebe: zum Beispiel entlang von Autobahnen. Ist das ein Hinweis auf neue Partner im Land? Löttgen, der in der Vergangenheit und bis zuletzt immer gerne Treuebekenntnisse zu Schwarz-Gelb abgegeben hatte, widerspricht zumindest nicht, wenn es um Jamaika geht. (Frank Klemmer)
Marc Zimmermann (Die Grünen)
In der Wiehler Kommunalpolitik sei er mit dem, was er sich vorgenommen habe, an Grenzen gestoßen, sagt der Grünen-Kandidat Marc Zimmermann (49). Für ihn sei das mit ein Grund dafür gewesen, sich als Kandidat für den Landtags zu bewerben. Dass sein Plan aufgeht, ist gar nicht mal so unwahrscheinlich, wie Zimmermann sagt. Mit Platz 34 auf der Reserveliste sehe es für ihn gar nicht mal so schlecht aus. Der gelernte Stuckateur lebt in Wiehl-Scheidt und arbeitet inzwischen als freiberuflicher Wildnispädagoge.
Dass er ein alter Hase bei den Grünen ist, kann Zimmermann von sich nicht behaupten. In Köln aufgewachsen und seit 1998 in Oberberg lebend, trat er 2016 in die Partei ein. „Wegen der Flüchtlingskrise“, sagt Zimmermann, der seit dem Jahr 2005 verheiratet ist und zwei Pflegekinder hat.Für den Fall, dass er in den Landtag käme, würde er sich unter anderem fürs Handwerk stark machen, um so auf den Fachkräftemangel zu reagieren.
Mobilität und Verschlankung der Betriebsbürokratie
Kümmern will er sich auch um eine Verschlankung der Bürokratie in den Betrieben. Es könne nicht sein, dass sich Lebensmittelkontrolleure in einer Fleischerei deren lückenlose Dokumentation anschauten, aber keinen Blick in den Betrieb werfen würden, sagt Zimmermann. Und was den vielfach geforderten Wegfall der Meisterbriefe im Handwerk angeht, sagt der Oberberger, dass diese Bestand haben müssten, da sie eine hohe Qualität garantierten.
Ein weiteres Schwerpunktthema für Zimmermann ist die Mobilität. Für den ländlichen Raum werde es neben einem verbesserten ÖPNV auch in Zukunft das Auto als Fortbewegungsmittel geben müssen, sagt der 49-Jährige. Allerdings müsse man mehr über Möglichkeiten von Car-Sharing sprechen und diese umsetzen. (Andreas Arnold)
Dominik Trautmann (FDP)
Er ist viel herumgekommen, kennt Deutschland von Flensburg bis München. Der Beruf als Soldat und Oberstleutnant hat Dominik Trautmann in den vergangenen Jahren viel von der Republik gezeigt. „Doch meine Heimat ist Oberberg – Nümbrecht, um genau zu sein“, betont der 39-Jährige aus Haan.
Für die FDP bewirbt sich der Vater eines fünf Jahre alten Sohnes und einer sechsjährigen Tochter im Wahlkreis 24 um einen Sitz im Landtag. „Ich möchte etwas verändern, die Zukunft gestalten – und zeigen, dass es Stadt und eben auch Land gibt“, beschreibt der studierte E-Techniker eines seiner Anliegen. „Wir müssen verhindern, dass die ländlichen Regionen hinten runterfallen und brauchen dafür zum Beispiel Mobilitäts- und Energiekonzepte, auch wenn diese einiges kosten werden.“
Geboren in Engelskirchen, verwurzelt in Nümbrecht
In der Schlossgemeinde ist Dominik Trautmann stellvertretender Vorsitzender des Ortsverbandes, bei der Kreis-FDP hütet er die Kasse. Geboren wurde der Liberale in Engelskirchen. „Aber aufgewachsen und tief verwurzelt bin ich seit dem Kindergarten eben in Nümbrecht“, schildert Trautmann, der in Bonn arbeitet und dort als Stabsoffizier und somit als Sachgebietsleiter im Kommando Cyber- und Informationsraum für Sicherheit zuständig ist – „seit dem Angriff auf die Ukraine gibt es auch da gerade viel Arbeit“.
In seiner Heimatgemeinde gehörte Dominik Trautmann als Jugendlicher zum ersten Jahrgang, der am Homburgischen Gymnasium das Abitur absolvierte, bevor er sich 2001 der Bundeswehr als Offizier im Truppendienst anschloss und sich später an der Universität der Bundeswehr in München für den Studiengang Technische Information einschrieb.Danach wurde Trautmann an etlichen Orten in Deutschland ebenso eingesetzt wie in den Niederlanden, auch führten ihn zwei ISAF-Missionen nach Afghanistan. (Jens Höhner)
Susanne Valentin (AfD)
Erst spät habe sie den Weg in die Politik gefunden, berichtet Susanne Valentin. Die 70-Jährige kandidiert bei der Landtagswahl für die AfD als Direktkandidatin im Wahlkreis Oberbergischer Kreis II und somit auch in Waldbröl, wo sie geboren wurde. Heute wohnt Valentin mit ihrem Mann in Gummersbach. Dort sitzt die Mutter eines erwachsenen Sohnes für die AfD in mehren Ausschüssen. Dem Oberbergischen Kreis blieb Valentin stets treu. „Ich mag die Gegend und die Menschen“, sagt sie.
Zur Schule ging sie in Marienheide. Im Alter von 14 Jahren folgte eine Ausbildung im Hotelgewerbe. „Das war aber nicht das Richtige für mich“, berichtet die Kandidatin, die ins Büroleben wechselte, zunächst bei der Firma Rüggeberg arbeitete und dann gut 30 Jahre bei einer Krankenkasse. Seit zehn Jahren ist Valentin in Rente. Zur Ruhe kommen möchte sie aber noch nicht. „Ich brauche Leben um mich herum und bin gerne unterwegs. Politik fordert einen geistig heraus, das gefällt mir.“
Gründung der AfD veränderte vieles
Doch wie kam der späte Schritt in die Politik und warum die AfD? „Weil ich mich mit dem, für das die Partei steht, identifizieren kann“, sagt sie. Für Politik habe sie sich immer interessiert, aber nie habe sie sich einer Partei zugehörig gefühlt. Das habe sich mit Gründung der AfD 2013 geändert. 2014 trat Valentin der Partei bei. Sie wurde zur Beisitzerin und später zur stellvertretenden Sprecherin der oberbergischen AfD gewählt. Vier Jahre war sie Beisitzerin im Bezirksvorstand Köln.
Sie wolle auch familiäre Werte, die in der Gesellschaft verloren gegangen seien, wieder stärken, sagt sie. Als Politikerin schätze sie den Austausch vor Ort. Dabei wird sie auch mit der rechtsradikalen Gesinnung von Parteikollegen konfrontiert. „Es gibt diese Leute in unserer Partei. Das ist eine Tatsache und die sehe ich auch. Aber das betrifft in NRW nur einen sehr kleinen Teil“, meint Valentin. (Linda Thielen)
Jan Köstering (Die Linke)
Jan Köstering ist ein erst 24 Jahre junger Student, aber kein politischer Neuling. 2017 trat er in die Partei ein, bereits 2018 wurde er Kreissprecher für die Linke in Oberberg, seit 2020 sitzt er im Kreistag und im Nümbrechter Gemeinderat. Übrigens wie sein Bruder Hendrik, der allerdings für die Grünen. Nun kandidiert Jan Köstering für den Landtag. Mit Platz 22 auf der Landesliste sind seine Aussichten, ein Mandat zu erringen, aber gering.
Partei leidet unter negativem Bundestrend
Derzeit ist die Partei nicht im Parlament vertreten. Acht Prozent müsste seine Partei holen, schätzt Köstering, damit er eine Chance hätte. „Das wäre dann ein sehr guter Wahlabend für uns.“ Die Linke leide unter dem negativen Bundestrend. „Wir holen Debatten nach, die längst erledigt sein müssen.“ Anders als Sahra Wagenknecht sieht er keinen Widerspruch darin, eine feministische und queere Politik zu betreiben und sich zugleich für Niedriglöhner einzusetzen. „Das muss sich nicht ausschließen, im Gegenteil.“
Ärgerlich ist für ihn auch, dass es in der Partei noch viele gibt, die sich mit Russland identifizieren. Für Putin-Versteher hat er kein Verständnis. „Ich bin schon lange vor dem Ukraine-Krieg mit Parteifreunden aneinandergeraten, weil ich Putins Innenpolitik sehr kritisch sehe.“ Dennoch ist er überzeugt, dass die Linke auf Landesebene gebraucht wird, damit die soziale Komponente wieder in den Vordergrund rückt. (Reiner Thies)
Tobias Schneider (SPD)
Tobias Schneider war Anfang 20, als er unmittelbar mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit konfrontiert wurde: Während seines zweiten Ausbildungsjahrs zum Verfahrensmechaniker war der Morsbacher in den Betriebsrat gewählt worden, sein Arbeitgeber meldete Insolvenz an. „Ich musste sehr früh erfahren, was es heißt, Menschen vor dem sozialen Abstieg zu bewahren.“ Eine Aufgabe, der er sich auch im Landtag stellen will.
Schneider, 1982 im Waldbröler Krankenhaus geboren und in Morsbach aufgewachsen, trat schon als Realschüler in die SPD ein. Nach seiner Ausbildung ließ ihn der Zivildienst im damaligen Behindertenzentrum St. Gertrud einen neuen Lebenskurs einschlagen. Er sattelte eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger drauf, seit 2014 leitet der heute 40-Jährige zwei Wohnhäuser des heutigen Wohnverbundes St. Gertrud, in denen jeweils zwölf Menschen mit geistiger sowie Schwerst- und Mehrfachbehinderung leben.
Bessere Bedingungen für hausärztliche Versorgung
Auch dort erfährt er, was die Politik bislang nicht leistet: „Es gibt zu wenig Personal, die Dokumentationspflichten nehmen überhand, das geht auf Kosten der Bewohner.“ Bessere Rahmenbedingungen will er für die hausärztliche Versorgung. Damit die auf dem Land auch in Zukunft funktioniert, brauche es medizinische Versorgungszentren.
In der Politik arbeitet der Familienvater seit 2001 mit, zuerst als sachkundiger Bürger in Morsbach, seit 2009 als Ratsmitglied, seit 2014 als Mitglied des Kreistags. Vor zwei Jahren wurde er zum zweiten stellvertretenden Landrat gewählt. Schneider weiß aus erster Hand, wo den Kommunen und dem Kreis der Schuh drückt.
Bessere Ausstattung der Kommunen
Im Landtag möchte er sich für bessere Kommunalfinanzen einsetzen: „Die Bürger sehen, dass für Millionen das Schloss Homburg oder der Morsbacher Bahnhof saniert werden. Zugleich müssen sie aber horrende Anliegerbeiträge für Straßenausbauten aufbringen.“ Statt Förderprogrammen brauche es eine bessere Ausstattung der Kommunen: „Die wissen selbst am besten, wo sie das Geld brauchen.“
Daheim in Wallerhausen hält Schneider mit seiner Frau und dem anderthalbjährigen Sohn fünf Hühner und zwei Enten. Sich zu kümmern – um Nachbarn, Mitmenschen, die Gesellschaft – sei sein Antrieb: „Der Krieg in der Ukraine zeigt uns, dass Wohlstand, Sicherheit und Freiheit keine Selbstverständlichkeit sind.“ (Arnd Gaudich)