Ein 39-jähriger Reichshofer steht vor dem Landgericht Koblenz, da er eine Kirche in Wissen an der Sieg in Brand angesteckt haben soll.
Prozess nach Brand in KircheAngeklagter aus Reichshof gibt vor Gericht Alkoholproblem zu
Viel Alkohol und wenig Erinnerungen: Auch am zweiten Prozesstag konnte sich der 39-jährige Angeklagte aus Reichshof im Prozess um die Brandstiftung in einer Wissener Pfarrkirche Anfang des Jahres nur an wenig Details erinnern.
Am gestrigen Verhandlungstag ging die Sechste Strafkammer des Landgerichts Koblenz um Richter Andreas Bendel überwiegend der Frage nach, was in der Tatnacht genau passiert ist. Da sich der Angeklagte bereits am ersten Prozesstag für die Tat entschuldigt hatte, stellt sich nun die Frage: Ist der Angeklagte schuldfähig oder ist er schuldunfähig?
Angeklagter aus Reichshof trank in der Tatnacht Bier und Schnäpse
In der Tatnacht im Februar hatte der Beschuldigte zunächst 0,33 Liter Bier getrunken, wovon ihn ein Freund zunächst abhalten wollte. Relativ schnell habe er jedoch ein Sixpack geleert. „Wenn ich mal anfange, finde ich kein Ende“, sagte der 39-Jährige vor Gericht aus. In einer Kneipe in Wissen habe er weiter getrunken, außer Bier auch Schnäpse. Schon zu diesem Zeitpunkt habe er auch mit dem Gedanken gespielt, sich umzubringen.
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An einer Tankstelle habe er schließlich eine Flasche Kräuterlikör gekauft. „Ich bewege mich auf die Kirche zu“, rief der Angeklagte vor Gericht seine letzte Erinnerung an die Tatnacht wach. Er habe schon öfter über „den Durst getrunken und Blackouts gehabt“, berichtete er weiter. Zudem habe er vor der Tat Amphetamin konsumiert, gab er vor Gericht zu.
Reichshofer machte bereits mehrere Alkoholtherapien
Der Reichshofer hat laut eigener Aussage schon mehrere Alkoholtherapien hinter sich – zuletzt 2019 und 2020. Als es ihm psychisch wieder schlechter gegangen sei, habe er erneut Suchtmittel konsumiert. „Amphetamin habe ich jeden zweiten bis dritten Tag genommen“, berichtete der Angeklagte. Seine Antworten vor Gericht fielen stets kurz und knapp aus, auf Nachfrage fügte er hinzu: „Und Alkohol jeden zweiten Tag.“
Regelmäßig suche er außerdem die Bibliothek in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Koblenz auf, sagte der 39-Jährige aus Reichshof weiter aus. Dort gebe es eine große Bandbreite an verschiedenen Büchern unterschiedlicher Genres. Dazu zähle auch das Buch „Der Gotteswahn“ von Richard Dawkins aus dem Jahr 2006, in dem sich der Autor gegen den Glauben an Götter und insbesondere gegen die drei Weltreligionen wende.
Angeklagter las das Buch „Der Gotteswahn“
„Haben Sie ein Problem mit der Kirche?“, fragte Staatsanwältin Anna Wopperer den Angeklagten. „Eigentlich nicht“, erwiderte dieser. Er sei zwar protestantisch getauft, aber eigentlich ein Atheist. „Wer glauben will, soll glauben“, so der 39-Jährige. Warum er nach der Tat ausgerechnet das Buch „Der Gotteswahn“ gelesen habe, fragte die Staatsanwältin noch einmal explizit nach. „Weil es mich interessiert hat“, lautete die nüchterne Antwort des Angeklagten.
Die Erinnerungen des 39-Jährigen Reichshofers setzten erst am Morgen nach der Tatnacht wieder ein, als er in sich in der Psychiatrie befand. Dort wurde bei ihm ein Promillewert von 1,6 festgestellt.
Laut Aussage eines der beiden Sachverständigen, sei es aufgrund unklarer Bemessungsmengen fast nicht möglich gewesen, den Promillewert genau zu berechnen.
So soll der maximale Promillewert des Angeklagten, so der Sachverständige weiter, bei 3,3 Promille gelegen haben. Zum Tatzeitpunkt dagegen war der Promillewert bereits leicht gesunken, weswegen der 39-Jährige dann „nur“ noch 2,1 Promille gehabt habe.
Dritter Prozesstag: Ehrenamtlicher berichtet von Schaden in der Kirche
Am dritten Verhandlungstag berichtete ein Zeuge ausführlich, wie viel Arbeit die Sanierung des Gotteshauses für die Mitarbeiter des Pastoralteams sowie für weitere Ehrenamtliche bedeutet. Es sind Bilder, die werden die Gläubigen und die weiteren Beteiligten so schnell nicht vergessen. Die zerstörte Wissener Kirche besteht nach der Brandstiftung aktuell im Inneren nur noch aus Schutt und Trümmern.
„Mir kamen die Tränen“, berichtete der Zeuge, und erinnerte sich an den Moment, als er damals die verwüstete Kirche gesehen habe. Vor Gericht sagte er: „Unser Küster hat drei Tage lang kein Wort gesprochen, so schockiert war er gewesen.“
Fragen nach dem Schaden der Kirche und den Kosten für die Sanierung
In mühevoller Kleinstarbeit und mit vielen Besprechungen hätten die Ehrenamtler sowie die Festangestellten der katholischen Kirche das weitere Vorgehen besprechen müssen. Als Fragen stellten sie sich dabei: Was kann gerettet werden? Was kann restauriert werden? Kann die Kirche komplett gesäubert werden? Und vor allem: Wie teuer ist all das und wer übernimmt die Kosten dafür? Nicht alle Fragen seien bis heute beantwortet, sagte der Zeuge weiter aus.
Einige Gegenstände der katholischen Kirche konnten gerettet werden. Diese werden aktuell restauriert und beim Erzbistum Köln archiviert. Mittels eines Lasers wird die katholische Kirche aktuell gereinigt. Der Laser kann allerdings nur einen Quadratmeter am Tag säubern. Die Kirche ist insgesamt über 500 Quadratmeter groß.
Versicherungskanzlei aus Düsseldorf rechnet mit Millionen
Die Kosten übernimmt eine Versicherungskanzlei aus Düsseldorf. Laut eines Versicherungsangestellten soll im schlimmsten Fall eine Versicherungssumme von sechs Millionen Euro fließen. Realistisch sei aber, so der Experte, eine Versicherungssumme von 4,9 Millionen Euro für die Restaurierung der Kirche. Zahlreiche Gespräche mit diversen Experten finden derzeit statt.
Für den Ehrenamtler, der seine Freizeit aktuell mit der Sanierung der Kirche verbringe, sei es schmerzlich, seine Kirche in diesem Zustand zu sehen, berichtete er vor Gericht: „Ich wurde dort drin getauft. Ich habe dort drin geheiratet. Und jetzt noch fragen sich viele Wissener: Wo ist unsere Kirche? Wir brauchen sie. Uns fehlt die Seele in Wissen.“
Der Prozess gegen den Reichshofer soll am Montag, 7. August, um 9 Uhr am Landgericht Koblenz vor der sechsten Strafkammer um Richter Andreas Bendel fortgesetzt werden. An diesem Prozesstag ist neben der Präsentation des Gutachtens auch mit den Plädoyers und der Urteilsverkündung zu rechnen.