TV-TalkerDomian über seine Jugend in Gummersbach
- 22 Jahre lang war Jürgen Domian mit seiner Telefontalksendung fester Bestandteil im WDR-Programm.
- Nach einer Pause ist er seit November 2019 mit seiner Sendung „Domian live“ wieder regelmäßig zu sehen.
- Jan-Paul Götze sprach mit dem gebürtigen Gummersbacher über seine Zeit im Oberbergischen und seine Talkshows.
Erinnern Sie sich gerne an Ihre Kindheit und Jugend in Gummersbach zurück?
Domian: Nein, absolut nicht! Ich war neun Jahre auf einer Hauptschule am Steinberg. Das war eine sehr schwere Zeit für mich. Ich und viele andere Kinder sind von den Lehrern dort ausgesprochen schlecht behandelt worden. Wir haben keinerlei Förderung erfahren, dafür aber permanente Diskriminierung, weil die meisten von uns aus der Unterschicht kamen. Einer meiner Klassenlehrer hatte das pädagogische Talent einer Bratwurst und verteilte heftige Kopfnüsse, wenn ihm etwas nicht passte. Es gibt nur eine Lehrerin, die ich in guter Erinnerung habe.
Danach sind Sie aufs Gymnasium Grotenbach gewechselt.
Ja, genau. Über Umwege bin ich dort hingekommen. Der damalige Schulleiter Horst Kienbaum hat mich enorm gefördert und ich wurde von allen mit offenen Armen aufgenommen. Das war ein großer Schritt damals: Von der Hauptschule aufs Gymnasium. Ich habe Horst Kienbaum so viel zu verdanken. Diese Phase meines Lebens in Gummersbach habe ich in ausgesprochen guter Erinnerung. Nach meinem Abitur habe ich noch meinen Zivildienst im Krankenhaus Gummersbach und der Theodor-Heuss-Akademie absolviert.
Haben Sie noch Kontakt ins Oberbergische?
Nicht wirklich. Ich habe zwar noch Verwandte in Bergneustadt, aber diese schwere Zeit auf der Hauptschule Steinberg hat mir leider das Heimatgefühl für Gummersbach vollkommen zerstört.
Sie waren einige Jahre Ihres Lebens fundamentaler Christ. Wie ist es dazu gekommen und warum haben Sie dem Christentum den Rücken zugekehrt?
Als Jugendlicher habe ich über den Konfirmandenunterricht Zugang zu der Religion gefunden und wurde mit der Zeit immer fundamentaler. Bücher von christenkritischen Philosophen haben mich dann aber zum Umdenken bewegt. Da brach eine Welt für mich zusammen. Ich stand nämlich kurz vor meinem Theologiestudium.
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Stattdessen haben Sie Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaften studiert. Wie sind Sie dann zur ersten Telefontalksendung „Domian“ gekommen?
Ich habe neben meinem Studium beim WDR als Kabelträger und freier Mitarbeiter gearbeitet. Anschließend habe ich dort mein Volontariat gemacht und wurde Redakteur. Zuerst hatte ich dann eine Nachmittagssendung. Die hieß „Die heiße Nummer“ und war ähnlich wie „Domian“, nur etwas braver. Als dann 1Live 1995 an den Start ging brauchten wir noch eine „besondere“ Sendung. Ich war in dem Jahr in den USA und habe dort viele Radio-Talk-Shows gesehen und die Idee dem WDR vorgeschlagen. Der damalige Intendant Fritz Pleitgen war sofort begeistert. Ab da an haben wir täglich um 1 Uhr nachts im Radio und Fernsehen „Domian“ ausgestrahlt.
22 Jahre lang haben Sie das gemacht. Was war die extremste Geschichte die Ihnen erzählt wurde?
Es gibt keine Hitliste der extremsten Geschichten. Es haben so viele Menschen mit außergewöhnlichen Anliegen angerufen. Aber am meisten haben mich die Gespräche mit Sterbenden und Traumatisierten bewegt. Zum Beispiel hat mich einmal die Mutter eines ermordeten Kindes kontaktiert.
Sie haben auch mit vielen Straftätern und Opfern von Gewalt gesprochen. Hat sich da Ihr Blick auf die Gesellschaft verändert?
Ja, absolut. Der Blick in die Abgründe hat mein Menschenbild stark beeinflusst. Es ist schlechter geworden. Aber ich habe als Gegengewicht in meinen Sendungen auch so viele mutige, starke und tapfere Menschen kennengelernt. Das war für mich ein großer Gewinn. Davon zehre ich bis heute.
2016 haben Sie die Sendung aus gesundheitlichen Gründen beendet. Wie sahen die aus und was haben Sie danach gemacht?
Es war eine umfassende Erschöpfung nach 22 Jahren Nachtarbeit. Ich hatte einige Hörstürze und fühlte mich rundherum angeschlagen. Daher war der Zeitpunkt damals aufzuhören und eben aus der sehr belastenden Nachtarbeit herauszugehen genau richtig. Danach war ich mit 1Live auf einer Tournee in NRW unterwegs und habe „Domian“ Revue passieren lassen. Anschließend habe ich noch ein Buch geschrieben und ein halbes Sabbatjahr eingelegt.
Seit November vergangenen Jahres sind Sie mit „Domian live“ wieder alle 14 Tage im WDR zu sehen. Warum haben Sie wieder angefangen?
Ich habe einfach bemerkt, dass ich das Talken und den intensiven Kontakt mit so unterschiedlichen Leuten vermisse. Das Format, die Gäste zu mir in die Show einzuladen, hat mich sehr gereizt. Corona hat uns in diesem Jahr das leider zerschossen, und seitdem talke ich wieder live am Telefon.
Ohne Ihnen zu nahe zu treten, aber Sie werden dieses Jahr 63. Denken Sie schon über Ihre Rente nach? Wie stellen Sie sich Ihre nähere Zukunft vor?
Ich bin kein Zukunftsplaner, sondern klar gegenwartsorientiert. Ich mache meine jetzige Sendung sehr gerne und möchte sie auch gerne weiter machen. Meine zweite Welt ist die Literatur. Geplant ist, nächstes Jahr mit einem neuen Buch zu beginnen.