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Deutsch-Israelische Gesellschaft„Unerträgliche Relativierung der Shoah“

Lesezeit 5 Minuten
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Die Engelskirchenerin Michaela Engelmeier ist Generalsekretärin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft

  1. Michaela Engelmeier, die Generalsekretärin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, ist angesichts judenfeindlicher Verschwörungstheorien in der Corona-Krise entsetzt.
  2. Die Engelskirchenerin hatte bereits als Teenagerin erste Kontakte nach Israel.
  3. Auch im Landessportbund setzt sich Engelmeier gegen Rassismus ein.

Hat die Corona-Krise dem Antisemitismus neuen Aufschwung gegeben? Begegnen Ihnen judenfeindliche Verschwörungstheorien derzeit häufiger?

Ja, das kann man schon sagen. Ich bin entsetzt, wenn bei Demonstrationen T-Shirts auftauchen, auf denen ein Davidsstern mit der Aufschrift „Ungeimpft“ zu sehen ist. Oder mit dem Slogan „Anne Frank wäre eine von uns.“ Diese Relativierung der Shoah ist unerträglich. Dazu kommt das antisemitische Stereotyp von der „jüdischen Weltverschwörung“, wie es besonders in den „asozialen“ Netzwerken verbreitet wird.

Wie schwierig war der Start in Ihrem neuen Amt unter den aktuellen Bedingungen?

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Als ich am 1. April meinen neuen Job im Homeoffice angetreten habe, war das schon komisch. Erfreulich war, dass ich Zeit hatte, mich in das Thema und die Strukturen einzuarbeiten und Konzepte und Pläne für Workshops zu machen. Die Präsidiumstreffen haben wir per Videositzung abgehalten. Inzwischen habe ich aber damit begonnen, die 52 Arbeitsgruppen, die unsere Gesellschaft deutschlandweit hat, zu besuchen und mich dort im kleinen Kreis vorzustellen.

Premier Benjamin Netanjahu bekommt internationalen Gegenwind für seine Siedlungspolitik. An welchem Punkt schlägt für Sie eine legitime Israelkritik um in Antisemitismus? Der Bundestag hat ja nun eine kritische Resolution verabschiedet.

Ich halte nichts von diesem vorauseilenden Gehorsam. Die neue israelische Regierungskoalition will ja zunächst nichts unternehmen. Dieser Text hilft niemanden, ist aber Wasser auf die Mühlen der falschen Leute. Wir in Deutschland dürften nicht vergessen, dass Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten sowie Schutzstätte und Lebensversicherung von Juden aus der ganzen Welt ist. Das Land ist nur so groß wie Hessen, aber von Feinden umzingelt. Es hat in seiner jungen Geschichte bereits drei Angriffskriege erlebt und ist täglich neuen Raketenattacken ausgesetzt. Und die Friedensverhandlungen sind immer an den Palästinensern gescheitert. Ich freue mich, dass die Kanzlerin das Existenzrecht Israels noch einmal als oberste Prämisse der deutschen Staatsräson formuliert hat.

Zur Person

Die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Michaela Engelmeier (59) arbeitet seit Anfang April als Generalsekretärin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Zudem ist die Engelskirchenerin kürzlich zur Integrations- und Anti-Rassismusbeauftragten des Landessportbundes ernannt worden.

Auch viele oberbergische Kommunalparlamente haben sich in diesen Wochen der Ächtung der internationalen israelkritischen BDS-Bewegung angeschlossen. Diese will das Land mit „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“ bekämpfen. Ist das ein Thema für Oberberg?

Ich habe die Resolution im Kreistag ja selbst initiiert. BDS ist eine offen antisemitische Initiative, die nichts anderes im Sinn hat als Israel zu zerstören. Wir können es nicht zulassen, dass es wieder heißt: „Kauft nicht bei Juden.“

BDS findet besonders bei der politischen Linken viel Zustimmung. Wie denken Sie darüber als Sozialdemokratin?

Das ist fürchterlich. Es schmerzt mich natürlich besonders. Die Sozialdemokratie hat eine jüdisch-christliche Tradition, angefangen bei Ferdinand Lassalle.

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Was hat dazu geführt, dass Sie sich für die Freundschaft mit Israel und die Aussöhnung mit dem Judentum persönlich engagieren?

Ich habe in Israel einen entfernten Onkel. Mit 13 Jahren war ich zum ersten Mal zu Besuch im Land. Ich war zu Gast bei einer alten Frau, deren ganze Familie in der Shoah ermordet worden ist. Die hat mich ganz freundlich empfangen und mir als jungem Menschen keinen Vorwurf gemacht, sondern nur darum gebeten, das Gedenken und die Erinnerung zu erhalten. Später hatte ich dort meinen ersten Länderkampf mit dem Deutschen Judobund und habe für zwei Monate als Judo-Trainerin gearbeitet. Als Bundestagsabgeordnete wurde ich dann Mitglied der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe und Berichterstatterin in der Fraktion. Auch in Oberberg bin ich immer gegen Rechtsextremismus aufgestanden.

Welche Bedeutung haben lokale Initiativen wie die deutsch-israelischen Partnerschaftsvereine in Wiehl und Nümbrecht?

Eine sehr große. Über solche Kontakte lernen sich die Menschen kennen und können dann keinen Hass mehr entwickeln. Die deutsch-israelische Freundschaft ist überhaupt ein wichtiges Mittel, Antisemitismus zu bekämpfen. Ich bin froh, dass wir die Partnerschaften mit Mate Yehuda und Jokneam in Oberberg haben, nicht zu vergessen die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit.

Begegnet Ihnen Judenhass auch im persönlichen Umfeld? Im Oberbergischen Kreis gibt es seit der Shoah kaum noch ein öffentliches jüdisches Leben. Welche Auswirkungen hat das auf antisemitische Haltungen?

Im Internet und den Sozialen Medien werden auch in und aus Oberberg Menschen mit der Erwartung konfrontiert, dass sie für Israel gerade stehen, obwohl sie deutsche Juden sind. Es gibt Leute, die sich wegen solcher Anfeindungen nicht trauen, sich als jüdisch zu outen. Aber die ländliche Provinz ist nicht schlimmer als eine Großstadt wie Berlin, wo Rabbis angespuckt und Kippas vom Kopf geschlagen werden.

Im Ehrenamt engagieren Sie sich auch weiterhin für den Sport, nämlich als Integrations- und Anti-Rassismusbeauftragte des Landessportbundes. Der Rassismus hat nach den Vorgängen in den USA neue Aufmerksamkeit gefunden. Wo liegen die Probleme im Sport? Gibt es rassistische Vorfälle auch im lokalen Breitensport?

Der Sport ist keine Insel der Seligen, sondern ein Spiegel der Gesellschaft. Dabei sollte er für Fairness stehen. Ich habe es schon erlebt, dass ein schwarzer Judoka in der Halle mit Affenlauten begrüßt wurde. Es ist darum gut, dass der Landessportbund diese Funktion geschaffen hat. Das Problem muss benannt werden. Immerhin gibt es bereits seit 2016 das Programm „Entschlossen weltoffen – gemeinsam für Demokratie und Respekt im Sport“. Ich werde immer meinen Finger in diese Wunde legen.