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„Schritt in die richtige Richtung“Interview zur Senkung der Waldbröler Gewerbesteuer

Lesezeit 7 Minuten

Nicht nur Waldbröls Wirtschaft im Blick haben Bürgermeisterin Larissa Weber und der Unternehmer Sven Gebhard.

Waldbröl – Lange Zeit lag die Stadt Waldbröl mit ihrer Gewerbesteuer im landesweiten Vergleich an der Spitze. Das soll sich ändern: Die Politik hat sich für eine Senkung ausgesprochen. Darüber sprachen mit Bürgermeisterin Larissa Weber und dem Waldbröler Unternehmer Sven Gebhard, zudem Vize-Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Köln, Frank Klemmer und Jens Höhner.

Herr Gebhard, können Sie sich erinnern, dass in Waldbröl jemals die Gewerbesteuer reduziert worden ist?

Sven Gebhard: Nein, bisher kannte ich nur eine Entwicklung in die andere Richtung. Da war es eher so, dass solche Steuern nahezu automatisch angehoben wurden, wenn die Kommune Geld brauchte. Das war jedoch nicht nur in Waldbröl so, sondern auch in anderen Kommunen des Kreises. Diskutiert wurde dann höchstens mal das Ausmaß der Erhöhung, aber gesenkt wurde bisher nie. Umso mehr freue ich mich jetzt über dieses wichtige Signal.

Frau Weber, was bedeutet die Neuausrichtung für die Stadt?

Larissa Weber: Ziel ist es, die Lebensqualität und den Wohlstand in unserer Stadt zu erhöhen. Das werden wir durch Arbeitsplätze, die durch Ansiedlung neuer oder das Wachstum oder auch die Weiterentwicklung bestehender Unternehmen entstehen, erreichen. Wir können es direkt oder indirekt über die Attraktivität des Arbeitsorte, die des Wohnortes und durch eine effiziente Verwaltung beeinflussen. Zur Attraktivität des Arbeitsortes gehören unter anderem die Verfügbarkeit von Flächen, der Ausbau des Breitbandinternets, der Hebesatz der Gewerbesteuer, die Ver- und Entsorgung und so weiter. Die Wohnort-Attraktivität wird durch gute Schulen, Betreuung, Wohnraum, Gesundheit und Ähnliches gesteigert. Die Unternehmen brauchen Fachkräfte, sie kommen oder bleiben, wenn der Wohnort der ganzen Familie gefällt.

Gebhard: Auch wir müssen auf der Suche nach Fachkräften immer wieder jenseits unseres Kreises suchen und manchmal ist ein Umzug erforderlich. Ich gebe unseren Kandidaten dann gerne einen Bildband vom Oberbergischen Kreis mit, um ihre Familien von der hohen Lebensqualität in unserer landschaftlich sehr attraktiven Region zu überzeugen.

Was bedeutet ein so hoher Steuersatz, wie ihn Waldbröl bisher hatte, im unternehmerischen Alltag?

Gebhard: Am Ende ist das eine Wettbewerbsverzerrung – nicht nur im Vergleich mit Niedriglohn-Ländern, sondern auch innerhalb Deutschlands. Im Vergleich mit dem Süden der Republik müssen Unternehmen in Waldbröl mehr als sieben Prozent mehr Steuern auf ihren Gewinn zahlen. Gerade im produzierenden Gewerbe sind das Welten. Wir müssen im Dialog stehen und Aufmerksamkeit generieren – in der Politik, bei der kommunalen Verwaltung. Wir hoffen natürlich, dass die Steuer nicht wieder hoch- und Waldbröl damit einen Schritt zurückgeht. Eine hohe Gewerbesteuer trifft am Ende eben nicht „nur wenige Unternehmer“, wie es oft heißt, sondern stellt einen Standortnachteil dar, der das Wachstum der ganzen Stadt hemmt. Für die Neuansiedlung von Gewerbe ist die Steuer einer der entscheidenden Faktoren. Und wenn man sich als Schul-, Wohn- und Einkaufsstadt positioniert, braucht man Familien und somit attraktive Arbeitsplätze. Das geht nur mit wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen für Unternehmen.

Und Platz genug für neue Unternehmen hat Waldbröl ...

Weber: Ja, neue Flächen haben wir. Im Gewerbepark „Im Langenbacher Siefen“ wird es demnächst noch rund 30 Hektar an Industrieflächen geben. Ein hervorragender Standort! Um jedoch interessante Unternehmen in diesem Bereich anzusiedeln, müssen wir als Kommune – wie eben beschrieben – ein attraktives Gesamtpaket bieten.

Ein Pfund, mit dem Waldbröl wuchern kann, sind freie Grundstücke in Hermesdorf. Dort wächst der Gewerbepark „Im Langenbacher Siefen“.

Wie weit ist die Planung von Offenlage und Vermarktung der Flächen in Hermesdorf denn gediehen?

Weber: Es sind noch wenige Punkte zu klären. Dann können wir in die Offenlage gehen und danach kann der Bebauungsplan beschlossen werden, sodass wir schon dieses Jahr offensiv in die Vermarktung gehen können.

Aber hat Waldbröl nicht einen großen Nachteil, weil die Autobahn so weit weg ist?

Gebhard: Ich halte die Entfernung zur Autobahn nicht für dramatisch. Denn die Frage lautet doch: Wo gibt es im Oberbergischen Kreis überhaupt noch freie Flächen? Tatsächlich ist Waldbröl einer der wenigen Standorte im Kreisgebiet, an denen man noch Gewerbe- und Industriefläche bekommen kann. Zudem haben wir im Oberbergischen die glückliche Situation, dass man mit einer Fahrzeit von etwa anderthalb Stunden gleich drei internationale Flughäfen erreichen kann.

Was für Unternehmen wünschen Sie sich, Frau Weber?

Weber: Wir hoffen da natürlich auf Unternehmen, die interessante Beschäftigungsperspektiven bieten und möglichst CO2 -neutral arbeiten. Auch Nachhaltigkeit und Wertschöpfungsketten sind uns wichtig. Ein Unternehmer, der grünen Wasserstoff herstellen möchte, hat bereits eine Fläche gekauft. Für die weitere Entwicklung und die ersten Projekte aber brauchen wir alle sicher viel Geduld und starke Nerven. Das Thema Wasserstoff ist für alle Neuland. Das stelle ich bei meinen Gesprächen, die ich seit einem Jahr führe, immer wieder fest. Ich bleibe jedoch auch an der Errichtung einer Wasserstofftankstelle für alle Fahrzeuge hier in Waldbröl dran.

Wie üppig ist das Füllhorn, das Sie jetzt erwarten?

Gebhard: Von einem Füllhorn kann da nicht die Rede sein, jedoch ist die Senkung ein Zeichen in die richtige Richtung. Die Gewerbesteuer war und ist einfach immer noch auf einem viel zu hohen Niveau. Sie sollte letztendlich der Preis sein, den ein Unternehmen für die Attraktivität seines Standortes zahlt. Hier müssen eigentlich die Zentren – in unserem Fall Köln – aufgrund der Attraktivität ihrer Standorte eine höhere Steuer verlangen und das Umland eine günstigere. Im Vergleich zu anderen Kommunen in Oberberg, zu anderen Kommunen im Bezirk der Industrie- und Handelskammer zu Köln und erst recht im landesweiten Vergleich haben die Unternehmen hier jedoch eine deutlich höhere Belastung. Das Bewusstsein, wie wichtig die Wirtschaft für einen Standort ist, ist nun aber da und man nimmt Rücksicht auf Erfordernisse. Das ist ein guter erster Schritt. Nun sollten wir – Verwaltung, Politik und Wirtschaft – auch weiterhin in einem engen, konstruktiven Austausch bleiben. Denn von einer symbolischen Senkung in dieser Höhe spüren die Unternehmen tatsächlich noch nicht viel. Außerdem geht es ja nicht nur um die Unternehmen, die schon da sind, sondern auch um die, die noch kommen sollen. Man erkennt in Waldbröl die Bewegung hin zu einem ganzheitlichen, in die Zukunft gerichteten Konzept. Das stimmt hoffnungsvoll.

Weber: Die Unternehmen sparen in der Tat nicht wahnsinnig viel, daher sprechen wir ja von einem Zeichen, dass es eben auch in die andere Richtung geht. Von allen 396 Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben 39 einen Steuersatz zwischen 500 und 600. Unser Ziel ist, irgendwann mal nicht mehr unter diesen 39 Kommunen zu sein. Ich hoffe, dass diese Aussicht bestehende Betriebe zu Investitionen motiviert und sie sich fit für die Zukunft machen können, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Was macht aus Ihrer Sicht die Waldbröler Wirtschaft aus?

Gebhard: Die Waldbröler Wirtschaft – wie auch die im Rest des Oberbergischen Kreises – ist robust, viele kleinere und mittlere Unternehmen sorgen für eine gewisse Stabilität. Wir haben in der Stadt überdurchschnittlich viel produzierendes Gewerbe. Diese Firmen sind von Corona auch nicht so stark betroffen wie etwa die Gastronomie oder die Veranstaltungsbranche. Es gibt hier viele familiengeführte Unternehmen, die eine langfristige Perspektive haben. Da muss man sich weniger Sorgen machen, ob es da weitergeht. Wir sind mit GC-heat, zum Beispiel, bereits in dritter Generation in Waldbröl ansässig. Aber wir brauchen definitiv mehr Unternehmen, um bestehende Lasten breiter zu verteilen. Denn wir wollen ja auch künftigen Generationen noch eine Perspektive bieten können.

Wie erklärt sich die Stadt den noch einmal nach oben und zuletzt auf rund 10,2 Millionen Euro korrigierten Ertrag aus der Gewerbesteuer für das Jahr 2021?

Weber: Eine Erklärung für mich ist, dass die Unternehmer in den vergangenen Jahren sehr gut gewirtschaftet haben.

Nahezu reflexartig haben die Fraktionen von CDU und UWG dann auch einen um zehn Punkte niedrigeren Hebesatz als ursprünglich geplant für die Grundsteuer B gefordert – und jetzt auch bekommen. Haben Sie so etwas erwartet?

Weber: Als Verwaltung wollten wir zuerst die Umsetzung der Grundsteuerreform abwarten. Trotzdem senken wir natürlich auch die Grundsteuer B sehr gerne. Die Menschen sind stark belastet – nicht nur von der Corona-Pandemie, sondern auch von den steigenden Kosten bei der Energie zum Beispiel. Auch hier runterzugehen, war ebenso ein gutes Zeichen.

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Waldbröl plant ja nicht nur neue Gewerbeflächen, sondern arbeitet mit großen Investitionen auch an einem Verkehrskonzept, geplant sind zum Beispiel Mobilstationen. Wie wichtig sind gerade die für die Wirtschaft?

Weber: Die Mobilstationen machen den Standort Waldbröl attraktiv für künftige Arbeitnehmer – gerade, weil wir eine ländliche Stadt sind. Familien benötigen hier zwei, oftmals sogar drei Autos. Vielleicht können sie damit am Ende mit einem Fahrzeug auskommen. Heute ist das noch unrealistisch. Aber ein Fortschritt wäre es, wenn Carsharing-Modelle, E-Bike-Leihstationen und auch der ÖPNV das möglich machen. Am Ende profitieren alle davon. Es findet ein Umdenken statt: Ohne lange Fahrstrecken bekommt man mehr Lebensqualität. Man sollte nicht nur auf dem Land leben, sondern es auch lieben.