Der frühere Oberstabsfeldwebel Karl-Heinz Zimmermann erinnert sich an den Festakt und an die Arbeit in der damals neuen Nutscheid-Kaserne.
Militär-GeschichteVor genau 60 Jahren wurde aus Waldbröl eine Garnisonsstadt
Seit 60 Jahren darf sich die Stadt Waldbröl „Garnisonsstadt“ nennen, am kommenden Freitag (18. Oktober) jährt sich die Verleihung dieses Titels zum 60. Mal. „Das war ein Riesen-Aufmarsch an Soldaten auf der Nümbrechter Straße und ein richtiges Volksfest“, erinnert sich der frühere Oberstabsfeldwebel Karl-Heinz Zimmermann.
Unter Beteiligung des Luftwaffen-Musikkorps sei die Urkunde des Bundesverteidigungsministeriums feierlich dem damaligen Bürgermeister Ewald Horn überreicht worden. Anschließend habe es einen Tag der offenen Tür und einen Tanzabend in der damals neuen Nutscheid-Kaserne gegeben, ergänzt der heute 79-Jährige.
Stationiert in der Kaserne war das 3./FlaRakBtl 22, das Flugabwehrraketen-Bataillon. Die Einheit sei bereits 1960 in Köln-Wahn gegründet worden, berichtet Zimmermann. Unmittelbar danach habe in Waldbröl der Bau der Nutscheid-Kaserne sowie der Raketen- und Radarstellung begonnen. Der Bau sei 1963 weitestgehend beendet gewesen und die Stellung bezogen worden. Am 1. April 1964 wurde Zimmermann selbst als Kanonier zu der Einheit kommandiert: „Da war allerdings der Zaun noch nicht fertig.“ Heute steht dort der Waldbröler Naturerlebnispark Panarbora.
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Die Raketen mit Nuklear-Sprengköpfen befanden sich in Waldbröl in der Obhut amerikanischer Soldaten
Anfangs sei der Standort mit den Flugabwehrraketen Nike-Ajax bestückt gewesen, bereits 1965 wurden diese durch das knapp fünfmal schwerere System Nike-Hercules mit einer Reichweite bis zu 140 Kilometern ersetzt: „Die 32 Raketen waren rund zwölf Meter lang und hatten ein Gefechtsgewicht von fast fünf Tonnen.“ Die meisten seien konventionell bestückt gewesen, fünf von ihnen hatten jedoch einen Nuklearsprengkopf, sie befanden sich in der Obhut von rund 40 amerikanischen Soldaten.
Das habe oft zu Reibereien in der Kaserne mit mehr als 400 Soldaten geführt. „Auch wenn die Amerikaner den Schlüssel zu der Halle hatten, so mussten wir die Atomraketen warten“, erzählt der ehemalige Oberstabsfeldwebel. Das Problem sei die Unpünktlichkeit der amerikanischen Soldaten gewesen. So war es üblich, die Überprüfung morgens um sechs mit knurrendem Magen durchzuführen: „Frühstück gab es erst um acht.“ Doch hätten sich die Kollegen gerne mal verspätet, manchmal sogar um mehr als eine Stunde: „Wenn wir dann fertig waren, war die Frühstückszeit vorbei.“
1984 verabschiedet sich das amerikanische Militär von Waldbröl und der Nutscheid-Kaserne
1984 seien dann die Atomsprengköpfe demontiert und durch konventionelle Gefechtsköpfe ersetzt, ab 1989 das gesamte Waffensystem auf 30 Patriot-Raketen umgebaut worden: „Die waren viel einfacher zu bedienen und zudem waren sie völlig mobil.“ Zimmermann schildert, dass es bis zur Aufgabe der Kaserne im Jahr 2013 keinen einzigen Einsatz gegeben habe, allerdings seien die dort Stationierten jährlich zum Schießen gefahren, bis 1967 in die Wüste von New Mexico, danach auf die griechische Insel Kreta. Aus Kostengründen seien die Schießübungen Anfang der 2000er Jahre eingestellt worden.
20 Jahre nach der Ernennung Waldbröls zur Garnisonsstadt wurde durch Major a.D. Karl-Heinz Börner ein „Raketenstammtisch“ ins Leben gerufen. Zu den alljährlichen Treffen in der Nutscheid-Kaserne war auch die Zivilbevölkerung eingeladen. Neben der Entwicklung der Raketentechnik hätten vor allem Anekdoten auf der Tagesordnung gestanden.
Geblieben ist in Waldbröl nur noch der „Raketen-Stammtisch“
So hatte ein höherer Dienstgrad beim Küchenchef nachgefragt, ob er Essensreste für seinen Hund mit nach Hause nehmen dürfe. Einmal habe er seinen kleinen Sohn mit in die Kaserne genommen und ihn beauftragt, das Paket abzuholen. Als der Junge das in Empfang nahm, habe er treuherzig verraten: „Die Wurst mag mein Papa aber nicht.“
Nach der Aufgabe des Standortes wurde der Raketenstammtisch im ehemaligen „Amt für Studien und Übungen der Bundeswehr“ abgehalten, nach der Übernahme des Geländes durch das Europäische Institut für angewandten Buddhismus im September 2008 findet er nun in der Ortschaft Vierbuchermühle statt. Mit dabei sind als Teilnehmer der ersten Stunde – außer dem Gründer und Karl-Heinz Zimmermann – auch Major a.D. Siegfried Mrozek und Hauptmann a.D. Helmut Worsza. Der nächste Stammtisch, zu dem neben aktiven und ehemaligen Soldaten auch zivile Gäste eingeladen sind, findet am 11. September 2025 im „Haus am Mühlenberg“ statt.