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Was passiert mit der Böker-VillaNeue Ideen für die alten Brachen

Lesezeit 4 Minuten

Die Villa steht seit vielen Jahren leer wie die Kühlkammern und der Verkaufsraum des Petz-Marktes.

Waldbröl – „Hier war die Fleischerei. Dort hinten ging es zum Warenaufzug. Und da standen die Kassen.“ Christoph Peikert deutet hierhin, zeigt dorthin. Seit 1990 arbeitet er bei der Waldbröler Stadtverwaltung, heute im Gebäudemanagement des Fachbereichs Bauen. Oft hat er im Petz-Verbrauchermarkt an der Oststraße eingekauft. Doch der steht seit dem Frühjahr 2001 leer, ist dem Verfall preisgegeben. Denn erst im Juni 2016 konnte die Stadt den Komplex und die frühere Kofferfabrik Böker nebenan kaufen. Doch jetzt gibt es neue Ideen, was auf dem etwa 3600 Quadratmeter großen Grundstück entstehen könnte.

Geschichte des Petz-Marktes

Im Frühjahr 2001 schloss der Petz-Markt seine Türen – für immer. „Der Grundriss hat einfach nicht mehr unseren Standards entsprochen. So befand sich das Lager im Keller und der Markt hatte zwei Eingänge, was nicht ideal ist“, berichtet Julia Fitzen, Sprecherin der Petz-Rewe-GmbH in Wissen. Heute sind die Märkte der Familie Sanktjohanser Teil dieser Kölner Handelskette.

Unter ihrem Geschäftsführer Xaver Sanktjohanser hatte die Familie am 4. Juli 1968 in Altenkirchen ihren ersten Verbrauchermarkt eröffnet, der in Waldbröl folgte am 28. November 1974 – als erster im Oberbergischen vor Wiehl (1976) und Nümbrecht (1984). Der Name „Petz“ ist eine Erfindung jenes Geschäftsführers, der vor allem ein Ziel hatte: „Petz“ von den Rewe-Märkten klar abgrenzen. Nach der Schließung zog der Waldbröler Markt als „Rewe XL“ an die Gerberstraße, den heutigen Standort.

Seither steht der „alte Petz“ leer. Versuche, dort etwa die Kette Woolworth anzusiedeln, scheiterten. Danach wurde das Projekt zurückgestellt: Das Merkur-Areal bekam Vorfahrt. (höh)

„Vor etwa einem Jahr hat sich der erste Investor gemeldet. Inzwischen gibt es vier Interessenten für das Gelände“, sagt Bürgermeisterin Larissa Weber. Gerade hat sie der Politik mögliche Vorhaben vorgestellt, nun will sie in die Vermarktung und die weitere Planung einsteigen. Vorstellen kann sich Weber dort Gastronomie, Dienstleister, Einzelhandel und Wohnungen – so wie es ihr Amtsvorgänger Peter Koester bereits getan hat.

Was die Stadt gezahlt hat ist geheim

Wie viel die Stadt für die Gebäude und den Boden bezahlt hat, das ist aus vertragsrechtlichen Gründen auch heute noch geheim. Damals aber war die Rede von einem Preis in Höhe von rund 500 000 Euro. Der Kauf sei durch Mittel aus dem Integrierten Handlungs- und Entwicklungskonzept gedeckt, hatte Koester dazu stets gesagt.

Die Türen zur Böker-Villa öffnet Nina Dehler, Auszubildende der Stad

Zurzeit lagert die Stadt Möbel für ihre Übergangsunterkünfte in dem riesigen Verkaufsraum. Spinnenweben baumeln von den Decken und den Säulen, die Luft ist dumpf und schwer. An die Zeit als Verbrauchermarkt erinnern nur noch die dicken Stahltüren der Fleischerei und an den Kühlräumen, auch der Aufzug zum Lager im Untergeschoss ist erhalten. Holzplatten schützen außen die Schiebetüren an den beiden Zugängen zur Oststraße und zur Scharnhorststraße.

Nebenan, in der wohl im Jahr 1924 errichteten Villa, waren eine Gerberei und die Kofferfabrik von Karl Böker untergebracht. Darüber gab es Wohnungen für die Besitzerfamilie und ihre Bediensteten. Den Nachfahren gehörte das gesamte Gelände, bis es 2008 zunächst in den Besitz der Hanseatischen Bau- und Betreuungsgesellschaft überging. Zuvor hatte diese schon das marode Merkur-Haus erworben. Deren Versuche, Nutzer für die zweite Brache im Stadtzentrum zu finden, scheiterten indes genauso. Denkmalschutz gilt für das wuchtige Gebäude mit vier Etagen, Kellergeschoss und eigenem Bunker nicht. Es könnte also sofort abgebrochen werden. „Was aber schade wäre, denn diese typisch bergischen Häuser sind längst sehr selten“, sagt der Verwaltungsmann Peikert.

Die Kühlkammern stehen leer.

Ebenso typisch bergische Fliesen erstrecken sich im Erdgeschoss der Böker-Villa. 1958 ist dort das Amt für Flurbereinigung und Siedlung eingezogen. Ab 1970 wurde es als Amt für Agrarordnung geführt und ab 1994 schließlich als Außenstelle dieses Amtes, das seinen Hauptsitz dann in Siegburg hatte. Dichtgemacht wurde es am 1. Januar 2006. Danach hat sich in der Villa nichts mehr getan. In einem der Räume verkündet ein Wandkalender aus jenem Jahr die Termine des Vieh- und Krammarktes, gegenüber erklärt eine detaillierte Anleitung den Umgang mit dem Fotokopierer und nennt eine Rufnummer für Notfälle.

Matratzen, Decken, Kleidung, Lebensmittel und andere Dinge verraten, dass das Gebäude aber nicht ganz ungenutzt ist. Ganz oben, unter dem Dach, stapeln sich in den schmalen Zimmern der Bediensteten nicht nur Möbel, sondern auch persönliche Habe: Uhren etwa, Bücher wie Gottfried Kellers gesammelte Werke, und sogar Gemälde, die auf die Jahre 1924 und 1938 datiert sind. Etliche Lederkoffer finden sich ebenfalls unter dem zugigen Gebälk. Doch sie sind leer: kein unverhoffter Geldsegen für die Stadtkasse also.