Wipperfürth/Lindlar – Wer im Krankenhaus, im Seniorenheim oder für einen Pflegedienst arbeitet, für den soll künftig eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus Pflicht sein. Das heißt aber auch: Beschäftigte, die sich nicht impfen lassen wollen, bekommen ein Riesenproblem und möglicherweise die Kündigung.
Krankenhaus hält sich zurück
Für die Arbeitgeber ist das ein heißes Eisen. Und so ist man beim Helios-Konzern, der auch das Wipperfürther Krankenhaus betreibt, sehr vorsichtig mit Äußerungen. „In erster Linie gibt es aus unserer Sicht für jeden, der im medizinischen Bereich tätig ist, eine moralische Pflicht, Patienten zu schützen und sich somit auch impfen zu lassen.
Hintergrund
Für alle Beschäftigten der Pflegebranche soll künftig eine einrichtungsbezogene Impfpflicht gelten. Darauf haben sich Bund und Länder in der vergangenen Woche geeinigt. Der Bundestag dürfte hierzu bald ein neues Gesetz erlassen, das ab Mitte Dezember mit verkürzter zweiter und dritter Lesung auf den Weg gebracht und so noch dieses Jahr beschlossen werden könnte.
Die Impfpflicht für alle oder bestimmte Berufsgruppen ist und bleibt Aufgabe des Gesetzgebers“, so Janine Schulze von der Helios-Unternehmenskommunikation. Die Frage, wie viele Mitarbeiter der Wipperfürther Klinik geimpft beziehungsweise nicht geimpft sind und wie man mit diesen Beschäftigten umgehen will, lässt der Konzern unbeantwortet.
„Aus medizinischer Sicht ist es absolut sinnvoll, eine Impfpflicht für Mitarbeiter in Krankenhäusern einzuführen“, sagt Dr. Peter Vacha, Ärztlicher Direktor des Klinikums Oberberg. Momentan erfasse man den Immunisierungsstatus der Belegschaft, ergänzt Sascha Klein, der Geschäftsführer des Klinikums Zuverlässige Angaben über den Anteil noch nicht immunisierter Beschäftigter lägen noch nicht vor. Der weit überwiegende Anteil der Belegschaft dürfte aber geimpft sein. Man werbe fort-während für Impfungen und kontrolliere den 3G-Status täglich.
Seniorenheime fordern Impfpflicht für alle
Lisa Geisler ist Geschäftsführerin von Haus Sonnengarten in Scheel. Das Seniorenheim zählt rund 45 Beschäftigte, zehn davon seien bislang nicht geimpft. „Es vergeht gefühlt kein Tag, an dem ich sie nicht auffordere ,Leute, lasst Euch impfen’,“ berichtet Geisler. Aber die Verunsicherung sei sehr groß, auch beim Thema Wiederauffrischung. „Die Ständige Impfkommission hat ihre Meinung hierzu über Nacht geändert“, ärgert sich Geisler, „bis vor kurzem hieß es noch ,Boostern nur für über 70-Jährige’, und jetzt sollen es alle.“
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Der Druck auf das Pflegepersonal sei jetzt schon riesengroß, eine Impfpflicht nur für bestimmte Berufe werde den Druck noch weiter erhöhen. „Dabei haben wir schon jetzt zu wenig Personal. Wir werden bald in den Notbetrieb gehen, und das wird allen Einrichtungen so gehen“, so Geislers düstere Prognose. „Ich befürworte eine generelle Impfpflicht für alle, nicht nur für bestimmte Berufe.“
95 Prozent der Mitarbeiter doppelt geimpft
Klaus Rademacher, der übergangsweise das Inovana-Seniorenheim Wipperfürth leitet, befürchtet, dass sich die Impfpflicht für Pflegeberufe kontraproduktiv auswirken könne. „Bislang kann sich jeder Mitarbeiter frei entscheiden, ob er sich impfen oder täglich testen lässt“, so Rademacher. Von den rund 100 Beschäftigten im Wipperfürther Altenheim seien nur vier noch nicht geimpft, 80 Prozent der Bewohner hätten bereits eine Drittimpfung erhalten. „Mit jedem der nicht- geimpften Beschäftigten werden wir ein Vier-Augen-Gespräch führen, um eine Lösung zu finden“, kündigte Rademacher an.
„Wir haben das große Glück, dass fast alle unserer Mitarbeitenden, fast 95 Prozent von 110 Beschäftigten, bereits zweimal geimpft sind und ein Drittel davon die dritte Boosterimpfung bekommen hat“, sagt Gunter Brochhagen, Leiter des Franziskuskeims in Wipperfürth. Persönlich halte er eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für absolut richtig und sinnvoll, da jeder Einzelne, ob Pflege-, Verwaltungs-, Hauswirtschafts- oder Reinigungskraft, die anvertrauten Bewohner und Bewohnerinnen schützen müsse.
„Wie wir mit Impfverweigern umgehen werden, ist noch nicht abgestimmt“, sagt Brochhagen. „Es gilt, jeden in dieser Pandemie mitzunehmen, zu beraten und auch zu verstehen, wenn arge Bedenken für das Impfen bestehen. Dabei müssen zwei Ziele verfolgt werden. Einerseits müssen so viele Impfmitstreiter gefunden werden, um die Pandemie auf Dauer zu brechen und zum anderen darf es nicht weiter zur Spaltung innerhalb der Gesellschaft, Gemeinschaften, Familien und Partnerschaften kommen.“
95 Prozent, so hoch sei auch die Impfquote bei den Beschäftigten des Pfarrer-Braun-Hauses in Lindlar, sagt Desirée Brochhaus von der Leitung des Seniorenheims. „Wichtig ist uns, dass der Fokus nicht immer nur auf die Mitarbeitenden der Pflege liegen darf. Alle Personen, die sich in diesem Umfeld bewegen, tragen Verantwortung.“ Die Kontakte der Bewohnerinnen und Bewohner seien sehr vielfältig, auch externe Partner, Therapeuten, Fußpfleger und die zahlreichen Besucher hätten viele Kontakte. „Eine Lösung, die die Senioren effektiv schützen soll, muss größer gedacht werden“, so Brochhaus.
3G-Plus gilt auch für Pflegedienste
Thomas Voß ist Betriebsleiter des Pflegedienstes Lebensbaum. „Schon jetzt gilt für die Beschäftigten in der Pflege 3G-Plus, auch die Geimpften müssen sich täglich testen lassen.“ Von den 270 Lebensbaum-Beschäftigten, die in Lindlar, Engelskirchen, Overath und Bensberg arbeiten, seien über 90 Prozent geimpft. Der Druck auf die Beschäftigten sei hoch, so Voß. Auf die bislang nicht Geimpften werde man weiterhin zugehen und versuchen, sie zu überzeugen.