Stolperfalle MarktplatzWipperfürther ärgern sich über Pflasterkanten
Wipperfürth – „Ich wünsche eine Lösung, dass keiner mehr auf dem Marktplatz stolpert und erwarte, dass man den Platz stolperfrei macht.“ Hartmut Hirsch (CDU) sprach im Bauausschuss aus, was viele denken.
Ausgiebig und kontrovers diskutierte der Ausschuss über den Umgang mit der „Stolperfalle Marktplatz“. 2020 wurde der mit Grauwacke neu gepflasterte Platz eingeweiht, seitdem gibt es immer wieder Klagen von Passanten, die an den Kanten hängen bleiben und stürzen. Es gab auch schon Verletzte.
Was ist der Kern des Problems?
Das Problem sind die bis zu drei Zentimeter hohen Kanten der Entwässerungsrinnen und der Pflasterbänder. Ralf Hagen, Leiter der Tiefbauabteilung, erklärte, dass es sich dabei nicht um einen technischen Mangel handele. Die Stadt sei rechtlich nicht verpflichtet, den Platz nachzubessern.
Ein Höhenversatz von bis zu drei Zentimeter liege innerhalb der zulässigen Toleranz und entspreche dem Regelwerk für Barrierefreiheit. Kanten von weniger als zwei Zentimeter würden laut Versicherung nicht als Stolperfalle gelten, so Hagen. Wenn die Stadt auf eigene Rechnung nachbessere, bestehe die Gefahr, dass sie gegenüber der Firma Boymann, die den Platz gepflastert hat, den Anspruch auf Gewährleistung verliere. Der gilt noch bis 2024.
Wie viele Betroffene gibt es?
Bei der Stadtverwaltung sind nach eigenen Angaben auf dem Marktplatz zwei Stürze mit Verletzungen aktenkundig – und die liegen auch schon etwas zurück. Wolfgang Ballert (SPD) erwähnte eine Fußgängerin, die vor wenigen Wochen gestürzt sei und sich dabei vier Knochen gebrochen habe. Dieser Vorfall sei der Stadt bekannt, erklärte Ralf Hagen, die Frau sei aber nicht auf dem Marktplatz, sondern in der Bankengasse, an einem Lichtschacht-Vorsprung, hängen geblieben.
„Jedes Mal, wenn wir auf dem Marktplatz stehen, werden wir von Menschen auf das Thema Stolperfalle angesprochen“, sagte Susanne Holtfreter vom Inklusionsbeirat. Der Beirat hatte für die Ausschusssitzung eine eigene Vorlage erstellt, die das Gefahrenpotenzial der Kanten aufzeigen soll, auch für Menschen mit körperlichen oder neurologischen Einschränkungen.
Welche möglichen Lösungen gibt es?
In der Vorlage der Verwaltung werden zwei Möglichkeiten vorgestellt. Variante 1 sieht eine Verbreiterung der Rinnen auf zwei bis drei Meter vor, die dann ohne Kanten auskommen würde. Die Kosten: Rund 95 000 Euro.
Variante 2 sieht stattdessen einen Einbau von Kastenrinnen vor, dafür veranschlagt die Stadt rund 140 000 Euro. In beiden Fällen sollen außerdem die Höhenversätze der Pflasterbänder ausgeglichen werden. Die Stadt schließt allerdings nicht aus, dass dies aufgrund von Setzungen zu neuen Problemen führt. Ein Ausschussmitglied schlug vor, die Rinnen farblich zu markieren – doch das stießt auf keine Gegenliebe.
Gibt es weitere Alternativen?
Kurz vor Sitzungsbeginn kam aus der UWG ein dritter, fraktionsübergreifender Vorschlag. Die Stadt solle prüfen, ob sich die Kanten der Entwässerungsrinnen im Nachhinein um 45 Grad abfräsen oder abschlagen lassen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die Tiefbauabteilung hat Bedenken, denn Grauwacke sei ein Naturmaterial und jeder Stein reagiere anders. Der Bauausschuss beschloss einstimmig, zunächst eine Fachfirma zurate zu ziehen, die prüfen soll, ob eine nachträgliches Abfräsen der Kanten – insgesamt rund 400 Meter Länge – Sinn macht und was das kostet. Im nächsten Schritt könnte die Fachfirma versuchsweise ein paar Steine anfräsen, die die Stadt als Reserve zurückgelegt hat.
Was sagt der Fachmann dazu?
Kaum jemand kennt das Material Grauwacke so gut wie Stefan Blumberg. Er war über viele Jahre Betriebsleiter in einem Lindlarer Steinbruch und ist Vorsitzender der St. Reinoldus-Steinhauergilde in Lindlar. Von den Problemen in Wipperfürth hat er schon gehört. „Bei solchen Entwässerungsrinnen sollte man die Kanten von vornherein abschleifen“, sagt Blumberg. So habe man es auf dem Schlossplatz in Siegen gemacht, und so auch am historischen Rathaus in Köln – beide Plätze seien mit Grauwacke gepflastert. Die Kanten im Nachhinein zu bearbeiten, sei zwar möglich. „Aber an Ort und Stelle geht das nicht, dazu muss man jeden Stein einzeln aufnehmen, und das kostet Geld“, so Blumberg.