„Am Ende vom Geld ist zu viel Monat übrig“Kunden der Wipperfürther Tafel erzählen
Wipperfürth – „Katastrophe, Wahnsinn, zwei Euro für eine Flasche Öl“ sagt Beate und berichtet von den Preisen im Supermarkt. Ihren vollen Namen will sie lieber nicht in der Zeitung lesen, der Vorname muss reichen. Seit 2014 ist Beate Kundin der Wipperfürther Tafel, der Ausgabe für gespendete Lebensmittel. Der erste Besuch an der Memellandstraße habe sie Überwindung gekostet. Aber die kleine Rente und eine schwere Krankheit hätten sie dazu gezwungen.
Steigende Preise, Inflation. Das trifft die Menschen, die ohnehin wenig zum Leben haben. Die Zahl der Bedürftigen, die bei den Tafeln in Nordrhein-Westfalen Hilfe suchen, hat sich nach Angaben des Dachverbands im Vergleich zu 2020 verdoppelt. Auch in Wipperfürth und Lindlar ist die Lage angespannt: Mehr Menschen brauchen die Lebensmittelhilfe, aber weniger Nahrungsmittel werden gespendet. Und dann fehlen oft auch Ehrenamtler für die praktische Arbeit.
Miete steigt, Preise sinken nirgendwo
Geht Beate zu Aldi, Lidl, oder Edeka, landet beim Einkauf „quasi nichts im Wagen, aber ein 50er ist trotzdem weg.“ Auch die Miete sei gestiegen, als alleinstehende Erwerbsunfähige hat sie jetzt noch weniger zum Leben. Zum Sozialamt geht Beate nicht. Sie könnte, etwa um sich vom Rundfunkbeitrag befreien zu lassen, aber dann müsste sie sich „vor denen nackt machen“ und das möchte sie nicht. „Was glauben die, dass man nach jahrelanger Krankheit irgendwelche Geldreserven angelegt hat?“ sagt sie.
Kontakt zu Tafel und Speisekammer
So erreichen Sie die richtigen Stellen
Unsere Speisekammer, Ausgabe Frielingsdorf, Montanusstraße 53. Immer dienstags 9 bis 15 Uhr geöffnet, Kontakt über Katharina Hagen, Telefon 0 22 66/85 73
Tafel Wipperfürth, Memellandstraße 2, geöffnet immer mittwochs 12 bis 15 Uhr. Kontakt über Jutta Kups, Telefon 0 22 67/888 04 44.
„Am Ende vom Geld ist noch zu viel Monat übrig“, brummelt auch Gerhard. Auch er bleibt lieber beim Vornamen, Wipperfürth ist klein. Weil seine Frau gestorben ist, musste er in eine kleinere Wohnung ziehen und 700 Euro Kaution berappen. Die hat das Sozialamt zwar vorgestreckt, aber jetzt zieht es Gerhard jeden Monat 20 Euro ab. „Man müsste Deutschland umbenennen in Täuschland“, sagt er.
„Es ist alles teurer geworden, das merken alle Leute“
Elmira Iuzbasheva kam 2014 mit ihrem Mann und zwei Söhnen aus Georgien nach Wipperfürth. Seitdem ist auch sie Kundin der Tafel. „Es ist alles teurer geworden, das merken alle Leute“, sagt sie. Ihr Mann ist schwer krank und darf nicht arbeiten. Sie selbst hat bei einem großen Unternehmen hier in der Stadt gearbeitet, doch dort gibt es wegen des Krieges in der Ukraine gerade wenig zu tun. Im Moment bekommt sie Sozialhilfe. „Die Tafel hilft, das sind sehr nette Leute“, sagt Elmira.
Die Tafel-Chefin Jutta Kups, die es nicht mag, Chefin genannt zu werden, spricht ebenfalls von „enormer Kostensteigerung“ und dass immer mehr Menschen zur Tafel kommen wollen, doch im Moment kann die Ausgabe keine neuen Kunden annehmen.
Es fehlt an Ehrenamtlichen und Spenden
Die Ehrenamtler waren gerade noch auf dem Wochenmarkt mit einem eigenen Stand und haben Waffeln verkauft. Da gab es viele Spenden. Nur: Es fehlen neue Mitarbeiter, berichtet Kups. Auf die immer weiter steigende Zahl von Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, trifft der Umstand, dass die Lebensmittelspenden weniger werden.
Discounter und Supermärkte kaufen gezielter ein und haben so weniger übrig. Dass in Lindlar der Aldi gerade wegen des Neubaus geschlossen ist, merkt auch die dortige Tafel, die Speisekammer heißt und nicht dem Dachverband der Tafeln angeschlossen ist. Auch in Wipperfürth fehlen die Lebensmittelspenden „Wir können im Moment nur jede erste und zweite Woche im Monat zu Rewe nach Kierspe.“ In den anderen Wochen gehen die Spenden an eine andere Organisation. „Dadurch fehlen uns bis zu 20 Kisten Lebensmittel im Monat“, sagt Jutta Kups.
Das könnte Sie auch interessieren:
Während sie erzählt, kommt eine junge Frau aus der Ukraine ins Büro. Sie ist keine Kundin der Tafel, weil diese gerade keine Neukunden mehr aufnehmen kann. Trotzdem drückt ihr Jutta Kups zwei Tüten mit Lebensmitteln in die Hand und lässt sich dafür einen Euro geben. Hier soll niemand im Regen stehen, wenn es irgendwie geht.