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Regierung plant Kita-Notbetreuung mit schärferer Vorgabe

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Düsseldorf – Für die meisten Kitas in Nordrhein-Westfalen zeichnet sich mit der bundeseinheitlichen Corona-Notbremse bereits in der kommenden Woche ein eingeschränktes Angebot ab. In den Regionen mit einer hohen Infektionsrate muss nach Angaben der Landesregierung die Notbetreuung eingeführt werden. Dabei macht sie eine schärfere Vorgabe als bisher: Eltern, die die Betreuung ihrer Kinder nicht anderweitig sicherstellen können und die Notbetreuung deshalb in Anspruch nehmen wollen, müssten zuvor eine schriftliche Erklärung abgeben, kündigte Familienminister Joachim Stamp (FDP) am Donnerstag in Düsseldorf vor Journalisten an. Es werde Musterschreiben geben.

Das ist eine Verschärfung gegenüber dem in der zweiten Corona-Welle praktiziertem Appell an die Eltern, ihre Kinder nach Möglichkeit zu Hause zu betreuen. Unverändert könnten aber Kinder die Notbetreuung nutzen, deren Schutz zum Beispiel sonst gefährdet sei. Das gelte unter anderem auch weiter für Kinder mit Behinderungen.

Kinder, die im letzten Kita-Jahr vor der Einschulung stünden, könnten analog zum Vorgehen bei den Abschlussklassen in den Schulen ebenfalls in ihre Kitas gehen. „Wir setzen die Notbetreuung um. Das ist jetzt unser Modell, wie wir das anlegen”, sagte Stamp zur Umsetzung der Bundes-Notbremse. Er sei aber auch bereit, bei Bedarf bei den Regelungen nachzusteuern.

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Die Angebote der Kindertagesbetreuung sollten nach Wunsch des Bundesgesetzgebers ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165 in die Notbetreuung übergehen. Diese Regelung trete vermutlich für die Kindertagesbetreuung bereits am kommenden Montag in Kraft, erklärte Stamp im Familienausschuss des Landtags.

In NRW lagen nach den Daten des Robert Koch-Instituts am Donnerstag 27 Kreise und kreisfreie Städten über der Marke 165 - das ist gut die Hälfte der 53 Regionen. Nach Einschätzung des Ministeriums greift die Bundes-Notbremse vorausssichtlich dann sofort und es beginne nicht erst dann die Zählung der Tage, an denen eine Region den Grenzwert von 165 überschreitet.

Stamp entschuldigte sich im Familienausschuss bei Eltern, Kindern und Erziehern für den kurze Zeitraum, bevor es ernst werden könnte. Er verwies auf die Kurzfristigkeit der Vorgaben des Bundes, die eine „Zumutung” insbesondere für die Familien und die Beschäftigen in den Kindertagesbetreuung seien. Die Passage zu den Kitas sei bei den Beratungen in Berlin zeitweise gestrichen worden, dann aber wieder in den Gesetzentwurf eingefügt worden. Der Minister kritisierte zudem auch den festgelegten Inzidenzwert von 165 für Schulen und Kitas - während es für andere Bereiche wieder andere Werte in dem geplanten Gesetz gebe.

Eine gute Nachricht für die Eltern sei, dass die Kinderkrankentage nach dem Bundesgesetz von 20 auf 30 pro Elternteil beziehungsweise von 40 auf 60 Tage für Alleinerziehende erhöht würden, sagte Stamp. Sie könnten auch für gesunde Kinder genutzt werden, wenn das Betreuungsangebot eingeschränkt werde. Der Minister schlägt darüber hinaus den kommunalen Spitzenverbänden vor, die Kita-Beträge für zwei Monate nicht zu erheben. Über diese Entlastung der Familien bei den Kita-Beiträgen werde mit den Kommunen weiter beraten.

Der FDP-Politiker nannte in dem Online-Pressegespräch Eckpunkte: Unter einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165 gelte die aktuelle Kita-Regelung weiter - der eingeschränkte Regelbetrieb mit Gruppentrennung und eine um zehn Stunden pro Woche reduzierte Betreuung in der Kita. Ab einer Inzidenz von 165 - in einem Kreis oder einer kreisfreien Stadt - an drei aufeinanderfolgenden Tagen gelte erst ab dem übernächsten Tag ein Betreuungsverbot mit bedarfsorientierter Notbetreuung.

Das bedeute: Wenn an einem Montag, Dienstag und Mittwoch die Sieben-Tage-Inzidenz über dem Wert von 165 liegt, komme die Umsetzung dieser Regelung ab dem Freitag. Eine Rückkehr des sogenannten bedarfsorientierten Notbetriebs in den eingeschränkten Regelbetrieb erfolge, wenn an fünf aufeinanderfolgenden Werktagen die Inzidenz unter 165 liegt.

Oppositionspolitiker der Grünen und SPD äußerten sich im Ausschuss ebenfalls in die Richtung, dass es bei der Notbetreuung der Bedarf bei Kindern im Vordergrund stehen sollte und nicht eine Einteilung nach den Berufsgruppen der Eltern. Grünen-Fraktionschefin Josefine Paul forderte die Landesregierung zugleich auf, sich nicht hinter der Bundes-Notbremse zu verstecken und konsequent Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie durchzusetzen. Die AfD kritisierte die erneuten Einschränkungen, die zu Lasten der Kinder gingen.

Bis Ende Februar hatte es in NRW zuletzt einen eingeschränkten Kita-Betrieb gegeben, bei dem an die Eltern lediglich appelliert worden war, die Kinder zu Hause zu betreuen. Zudem wurde die Betreuungszeit gekürzt. Danach wurden alle Kinder wieder in die Einrichtungen gelassen - bei weiter gekürzter Betreuungsstundenzahl, wenn die Kitas das wollten.

Laut Stamp ist die Auslastung der Kitas sehr unterschiedlich. Bei einer Umfrage habe die Inanspruchnahme bei rund 70 Prozent gelegen. Testen und Impfen seien wichtige Maßnahmen gegen Corona. Bis zum 24. April sollen die Erstimpfungen des Personals abgeschlossen werden.

© dpa-infocom, dpa:210422-99-313333/4 (dpa/lnw)