Bergisch Gladbach/Brisbane – Alles Hoffen seiner in Bergisch Gladbach lebenden Familie war vergeblich: Der aus Köln stammende Weltenbummler Holger S. (49) ist nach Überzeugung eines australischen Kriminalgerichts am versuchten Schmuggel von rund 400 Kilogramm Kokain auf den Fünften Kontinent beteiligt gewesen.
25 Jahre Haft wahrscheinlich
Eine Jury in Brisbane sprach ihn am Donnerstag schuldig, ebenso wie seine beiden australischen Mitangeklagten. Voraussichtlich am heutigen Freitag soll die Richterin das Strafmaß verkünden. Denkbar ist maximal lebenslänglich, im Umfeld von Holger S. wird mit bis zu 25 Jahren gerechnet. S. sitzt bereits seit fast fünf Jahren in Untersuchungshaft, der Prozess wurde immer wieder verschoben.
Seine Schwester Susanne Wermann zeigte sich in einer ersten Reaktion entsetzt: „Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Ich glaube fest an die Unschuld meines Bruders.“ Freunde kündigten an, über das Internet Stimmen von Freunden und Angehörigen zu sammeln, die bezeugen, dass Holger S. ein „guter Mensch“ sei, um so die Richterin milder zu stimmen. Die Anklage hatte S. vorgeworfen, im Oktober 2010 den Katamaran „Edelweiss“ von Südamerika in Richtung Australien gesteuert zu haben. Auf hoher See habe er die australische Yacht „Mayham of Eden“ getroffen und die 400 Kilogramme Kokain übergeben.
Keine Spuren bei Holger S. gefunden
Die Mitangeklagten brachten das Rauschgift an Land und wurden dabei festgenommen. S. und ein weiterer Mitreisender wurden Tage später von der Besatzung eines australischen Zollschiffs auf hoher See im Pazifik erst festgesetzt und anschließend nach Australien gebracht. Spuren der Drogen oder hohe Bargeldbeträge fanden sich weder auf dem Boot noch bei S.
Holger S. hat sich vor einigen Tagen auf Anfrage dieser Zeitung als unschuldig bezeichnet. Im Übrigen bewerte er seine Festnahme auf hoher See als Akt der „Piraterie“. Tatsächlich haben die Australier S. auf hoher See festgenommen, ohne zuvor Deutschland als Flaggenstaat um Erlaubnis gebeten zu haben, wie das Auswärtige Amt in Beantwortung einer Anfrage des Gladbacher Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach (CDU) eingeräumt hat.
Leidet an Parodontitis
Der Jurist Bosbach, der sich auf Bitten von S. Bergisch Gladbacher Angehörigen um den Fall kümmert, sagte dieser Zeitung am Wochenende: „Ich kann von hier aus nicht beurteilen, ob die Tatvorwürfe berechtigt sind oder nicht. In jedem Fall ist die Dauer der Untersuchungshaft rechtsstaatlich höchst bedenklich.“
Der erste Prozess gegen S. war im November 2014 geplatzt, nachdem die Verteidiger der Australier den Ermittlern der Australischen Bundespolizei im Kreuzverhör arg zugesetzt hatten.
Holger S., bis zu seiner Festsetzung für die deutsche Polizei ein unbeschriebenes Blatt, drohen angesichts der langen Haft nicht psychische, sondern auch körperliche Schäden. Er leidet an Parodontitis. Das Gefängnis, in dem er einsitzt, gewährt aber nur eine zahnmedizinische Basisversorgung. Nach Angaben eines in Australien lebenden Freundes hat inzwischen das deutsche Konsulat dafür gesorgt, dass S. einem Zahnarzt außerhalb des Gefängnisses vorgestellt werden konnte. Wie er nun behandelt wird, sei noch offen.