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Neuanfang in GladbachGrüne, SPD und FDP einigen sich auf Bürgermeister-Kandidaten

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Eine politische Ampelkoalition (SPD, FDP, Grüne) will in Gladbach das Ruder übernehmen.

  1. Frank Stein soll der gemeinsame Kandidat von SPD, Grünen und der FDP für die Kommunalwahl 2020 werden.
  2. Bis vor kurzem schien eine solche Einigung der Parteien noch in weiter Ferne zu sein.
  3. Jetzt hoffen die Politiker, dass die Ampelkoalition einen Neuanfang für Bergisch Gladbach bedeuten kann.

Bergisch Gladbach – „Um ehrlich zu sein: Ich staune immer noch, dass ich hier sitze“, sagt Frank Stein, Kämmerer von Bergisch Gladbach mit SPD-Parteibuch. Er soll der gemeinsame Kandidat von SPD, Grünen und FDP (einer so genannten Ampelkoalition) bei der Kommunalwahl 2020 werden. Darauf haben sich die Parteispitzen geeinigt und auf einer Pressekonferenz wurden ein Eckpunktepapier (siehe Kasten) und der Kandidat vorgestellt. Das letzte Wort werden die Mitgliederversammlungen der Parteien haben.

Das Staunen von Stein hat einen guten Grund, denn bis vor wenigen Wochen waren sich SPD, Grüne und FDP alles andere gewogen. Im Flächennutzungsplan (FNP) – eines der zentralen Themen der Kommunalpolitik – krachten die unterschiedlichen Vorstellungen mit voller Wucht aufeinander. Die Grünen wollten keine neuen Wohn- und Gewerbegebiete ausweisen, die FDP möglichst viele und die SPD verabschiedete schließlich zusammen mit dem Kooperationspartner CDU den FNP. Welten lagen zwischen den Parteien.

Eine schwierige, spannende Aufgabe

Für die Vorsitzende der FDP Anita Rick-Blunck, die Vorsitzende der Grünen Eva Gerhardus und den Vorsitzenden der SPD Andreas Ebert ist das alles Geschichte. Die drei haben sich zusammengetan, um unter dem Motto „Kräfte bündeln – Bergisch Gladbach kann mehr“ einen Neuanfang für Gladbach zu starten. Aufbruchstimmung ist in jedem Satz zu hören.

Das Konzept

„Kräfte bündeln. Bergisch Gladbach kann mehr“ lautet die Überschrift der auf 16 Seiten zusammengefassten „Leitplanken“ von SPD, FDP und Bündnis90/Die Grünen für die Wahlperiode 2020 bis 2025. Jede Partei setzt dabei eigene „Leuchttürme“: Die FDP bei Bildung und Kinderbetreuung, die Grünen beim Verkehr, die SPD beim Thema Wohnen.

Exemplarische Projekte: bis 2023 Ausbau der Offenen Ganztages- und Betreuungsplätze mit 100-prozentiger Deckung der Platzwünsche. Umsetzung des Medienentwicklungsplanes für die Schulen bis Ende 2021. Zeitnaher Ausbau des Radwegenetzes (Investition: 2 Mio. Euro jährlich). Schaffung von neuem Wohnraum durch das Überbauen von Parkplätzen und eingeschossigen Einkaufszentren (300 Wohneinheiten).

Weitere „Leitplanken“ (Auswahl): Investition von 150 Mio. Euro bis 2025 in Neu- und Umbau der Schulen. Neubau der Feuerwache Süd/Bensberg. Zügige Umsetzung der Umnutzungsprojekte „Sanitär Steinbüchel“, „Papierfabrik Wachendorff“ und „Kalköfen Cox“, teils für bezahlbaren Wohnraum. Entwicklung des Zanders-Geländes als „Jahrhundertchance“ für die Stadt. Klimaschutzkonzept mit Teilnahme am „European Energy Award“. Projektstudien für Ausbau der Straßenbahnlinien 1 bis Spitze und 4 bis Odenthal, sofortige Anbindung des Technologieparks an Bensberg mit einer Seilbahn. Moratorium zum Bahndamm-Zubringer, zum Bahndamm keine Beschlüsse bis 2025, mit umfassender Untersuchung der Verkehrssituation. Bessere Vermarktung der kulturellen Einrichtungen. Bei Personalentscheidungen soll Fachkompetenz vor Partei gehen. Aufwertung des Co-Dezernats zur vollwertigen Beigeordnetenstelle. Vorschlagsrecht für Beigeordnete: Jede der drei Parteien soll mindestens einen Wahlbeamten stellen. Nach der Wahl Zusammenarbeit von SPD, Grünen und FDP mit Abschluss einer Koalitionsvereinbarung. (cbt)

Dabei ist zentrale Figur Frank Stein. Er, der bei seinem Amtsantritt noch sagte, nicht nach Gladbach gekommen zu sein, um Bürgermeister zu werden, schart nun eine bunte Koalition hinter sich. Auf der Pressekonferenz spricht er davon, das alles nicht geplant zu haben, sich aber auf gar keinen Fall „wegzuducken“. Ein Neuanfang für Bergisch Gladbach sei eine schwierige, spannende Aufgabe. Seine Frau habe ihm gesagt: „Wenn du jetzt ablehnst, dann wirst du dir das dein ganzes Leben nicht verzeihen.“ Und da habe seine Frau wieder einmal Recht gehabt.

Planen für die Kommunalwahl im September 2020: Anita Rick-Blunck (FDP), Frank Stein (gemeinsamer Bürgermeisterkandidat), Eva Gerhardus (Grüne) und Andreas Ebert (SPD).

Erstaunt über die Gemeinsamkeiten

Stein wird von den Vertretern aller Parteien in den höchsten Tönen gelobt. „Er kann Bürgermeister“, heißt es immer wieder. Aber es geht den drei Parteien nach eigener Aussage um mehr als um den Bürgermeister. Nach Jahrzehnten der Dominanz der CDU müsse es auf allen Ebenen einen Wechsel geben. Und für diesen „Paradigmenwechsel“ stehe man gemeinsam.

Die Parteivertreter betonen, wie sehr sie über die vielen Gemeinsamkeiten erstaunt waren. Da sei auch persönlich etwas zusammengewachsen. Andreas Ebert: „Die Chemie zwischen uns stimmt.“ Ein gemeinsames Eckpunktepapier wurde erarbeite, das die Grundlage für die Zusammenarbeit sei.

Zur Person

Frank Stein, 56, ist in Bensberg geboren, er ist verheiratet und hat eine Tochter, 19, und einen Sohn, 17. Aufgewachsen ist er in Loope. Studium der Rechtswissenschaften an der Uni Köln mit Erster und Zweiter Staatsprüfung. 2000 bis 2013 Beigeordneter für Bürger, Umwelt und Soziales der Stadt Leverkusen. 2013 bis 2017 Kämmerer in Leverkusen. Seit 1. Oktober 2017 Kämmerer in Gladbach und Fachbereichsleiter für Finanzen, Recht, Sicherheit und Ordnung sowie Jugend/Soziales.

Lieblingshobby: Langstreckenlauf, im September hat Stein am Berlin-Marathon teilgenommen. (cbt)

Projekt, um „wirklich etwas zu verändern“

Anita Rick-Blunck erklärt, wie der schon eingeläutete Wahlkampf in der Praxis aussehen soll. Auf den Bürgermeisterplakaten werde Stein als gemeinsamer Kandidat der drei Parteien erscheinen. Die Parteien würden daneben getrennt für sich werben. „Wer für FDP, Grüne oder SPD stimmt, der stimmt für den Neuanfang. Der Wähler kann dann entscheiden, wer in diesem Dreierbündnis mit welcher Gewichtungen den Ton angibt.“ Die Parteivertreter betonen, dass bereits im aktuellen Rat versucht werde, möglichst viele Punkte umzusetzen. Alle Fraktionen, inklusive die CDU, seien zur Zusammenarbeit aufgefordert. Da klingt dann schon so etwas wie der neue Führungsanspruch der Ampel durch.

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Für Eva Gerhardus ist die Ampel das Projekt, um in Bergisch Gladbach „wirklich etwas zu verändern“. Vielleicht könnten die Grünen mit einem eigenen Bürgermeisterkandidaten ein oder zwei Ratsmandate mehr erringen. Aber gemeinsam mit Frank Stein als Bürgermeister würde ein Gesamtpaket geschnürt, das mit einem CDU-Bürgermeister niemals möglich sei. Ihre Kollegen der anderen Parteien nickten.