Bergisch Gladbach – Der Juni ist der Monat, den viele Paare für ihre Hochzeit wählen, Sommerfeste sind angesagt. Die wenigsten Menschen würden den Monat mit dem Thema Tod und Sterben assoziieren. Für Bestatter David Roth ist die Kombination keinesfalls ein Widerspruch: Am Samstag weihte er gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Schwester das „Haus der Klage ein“. Initiiert noch von Fritz Roth vor seinem Tod Ende 2012, wurde es letzten Winter fertig gestellt und am Samstag eröffnet: „Wir wollten das Haus zur schönen Jahreszeit eröffnen, nicht im November, der ja traditionell als Monat der Trauer gilt“, erklärt Sohn David Roth, der das Bestattungshaus Pütz-Roth nach dem Tod seines Vaters zusammen mit Schwester Hanna weiterführt. Das „Haus der Klage“, ein Kolumbarium, fügt sich gut in die Friedhofsgärten ein und fällt dennoch auf: Mit Glaskacheln bedeckt, reflektiert der Kubus seine Umgebung, die Bäume im Wald spiegeln sich auf der Oberfläche. Bis zu 680 Urnen kann er in seinen 340 Fächern aufnehmen.
Die Asche der Verstorbenen soll in dem Bauwerk ihre letzte Ruhe finden, vor allen Dingen ist das „Haus der Klage“ aber dafür gedacht, den Familienmitgliedern Zeit zum Nachdenken zu verschaffen: „Viele Angehörige eines Verstorbenen wissen zum Zeitpunkt des Todes noch nicht, was sie machen sollen“, erklärt David Roth das Konzept und bemängelt, dass zwischen Einäscherung und Beisetzung des Verstorbenen oft zu wenig Zeit bleibe, um sich über die Wünsche bei der Gestaltung der Beerdigung und bei der Wahl des endgültigen Grabes klar werden zu können. Erst, wenn die Hinterbliebenen das Gefühl haben, zu wissen, was sie möchten, können sie die Urne wieder herausholen und bestatten – oder vor Ort beisetzen. Für diesen Zweck gibt es einen Hohlraum unter dem Boden: Die Krypta, in die man die Asche einstreuen kann.
Vorgesehen ist, den Angehörigen eine Frist bis zu fünf Jahren zu gewähren – Zeit für eine der wichtigsten Entscheidungsfindungen: „Wir möchten die Angehörigen ermuntern, eigene und bewusste Entscheidungen zu treffen“, bekräftigt David Roth. „Das Thema Tod ist den Menschen unvertraut“, fährt er fort, „in den Medien ist das Thema omnipräsent, ,real“ haben die Leute mit dem Tod wenig zu tun. Da gibt es eine Entfremdung.“ Mit dem Kolumbarium hat das Bestattungshaus nun eine Alternative zu der Beisetzung auf öffentlichen Friedhöfen geschaffen.
Doch das „Haus der Klage“ soll, wie der Name suggeriert, auch ein Ort der Klage sein: Durch das Glasdach hat der Besucher einen freien Blick auf den Himmel, die nackten Wände im Inneren verstärken den Schall: Stimmen hallen und klingen ungewohnt und laut. Durch den Klang der eigenen Stimme soll der Trauernde Kraft schöpfen, denn im Blickpunkt des Bestattungshauses Pütz-Roth seien auch immer die Lebenden, betont David Roth. Die Vision eines „Schreihauses“, wie es anfangs getauft worden war, hatte Fritz Roth bereits vor fünf Jahren entwickelt: „Das war ihm vor seinem Tod ganz wichtig, dass es Gestalt annimmt“, sagt Sohn David.
Bei der Eröffnung dankte er besonders der Architektin des viereckigen Kubus, Dagmar Ditzer. Das Gebäude nimmt an einem Architekturwettbewerb teil. Professor Dr. Tade Spranger von der Universität Bonn referierte vor den zahlreichen Gästen, unter ihnen Bundestagsabgeordneter Wolfgang Bosbach und Landrat Hermann-Josef Tebroke, in seinem Vortrag über die aktuelle Situation im Friedhofs- und Bestattungsrecht: „Seit 15 Jahren findet ein nachhaltiges Umdenken statt, das ist ein Bereich, in dem sich unheimlich viel tut.“ Weg von starren Regeln und Verordnungen, hin zu mehr Raum für individuelle Wünsche: Noch hinke Deutschland da anderen europäischen Ländern hinterher. Das „Haus der Klage“ ist ein weiterer Schritt auf dem Weg hin zu individuelleren Bestattungen.