In Bensberg spart jede Pflegekraft durch die Innovation bis zu 30 Minuten Zeit, die sie für die Bewohner nutzen kann.
Start-ups in Rhein-BergWie eine App die Arbeit einer Bensberger Pflegeeinrichtung verbessert
Jahrelang hat sich Elisabeth Mohr – wie viele Altenpflegerinnen und -pfleger – wichtige Informationen im Bewohnerzimmer auf den Unterarm geschrieben. In der Mittagspause oder nach Schichtende übertrug sie sie am PC im Büro in das Dokumentationssystem. „Man hat nicht ständig Zettel und Stift dabei“, sagt sie, „und Zettel in der Tasche werden auch schnell nass vom Desinfektionsmittel.“ Heute ist Mohr Einrichtungsleiterin im Carpe-diem-Haus in Bensberg, wo sie und alle anderen seit Beginn des Jahres die Dokumentation über die App „Voize“ erledigen. „Ein Gamechanger“, sagt die Leiterin – eine Sache, die etwas völlig verändert.
App verwaltet Daten aus Spracheingaben der Pflegenden
Mit der App dokumentiert das Pflegepersonal direkt im Bewohnerzimmer, und zwar per Spracheingabe. „Ich muss einfach nur ins Handy sprechen“, erklärt Elisabeth Mohr. „Egal, was und wie, Voize sortiert alles und macht daraus eine korrekte Dokumentation, die jeder versteht.“ Die KI-gestützte Software erstellt aus in beliebiger Reihenfolge gesprochenen Informationen einen Pflegebericht (akute Vorkommnisse, Erfolge, Misserfolge, Abweichungen), hakt geplante Maßnahmen ab (bei der Lagerung mit Zeichnung), führt ein kontinuierliches Trinkprotokoll – statt Milliliter versteht sie auch Glas oder Tasse. Sie erfasst die Vitalwerte und stellt diese in einer Grafik im Zeitverlauf der vergangenen Tage dar.
Der Nutzen ist messbar und beeindruckend: Jeder Pflegende spart pro Schicht zwischen 20 und 30 Minuten Zeit, die er dann für die Bewohner übrig hat.
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„Das ist eine Innovation, die ich mir immer für die Pflege gewünscht habe“, sagt Marc Urban, Leiter für strategische IT der Carpe-diem-Gruppe, die ihren Sitz im bergischen Wermelskirchen hat. Über 3500 Mitarbeiter kümmern sich unter anderem um 2400 Pflegebedürftige an 35 Standorten, einer davon ist Bensberg. Das Start-up Voize ist nicht aus dem Bergischen, es ist aber ein Beispiel dafür, wie Start-ups und Mittelstand zusammenarbeiten können, damit alle davon profitieren.
Dafür brauchte es zunächst Mut. „Anfänglich habe ich das etwas kritisch gesehen“, sagt Urban. Doch das Start-up habe ihn auf der Altenpflegemesse im vergangenen Jahr sofort überzeugt. Die Geschäftsführung stand trotz großer Investitionen dahinter. Dann ging es, wie meist bei Start-ups, sehr schnell. Im Januar begann eine Pilotphase. „Für das Roll-up in allen Häusern waren zwei Jahre angedacht“, sagt der IT-Leiter. „Wir werden in weniger als der Hälfte fertig sein. Die noch nicht ausgestatteten Häuser beschweren sich bereits und wollen unbedingt die App haben.“ Die Schulung dauert einen Tag. „Da ist nichts Bürokratisches. Da plätschert nichts über Monate vor sich hin, sondern schon am nächsten Tag ist ein Nutzen da“, schildert Urban.
In Bensberg nutzen Pflegende die App schon selbstverständlich
In Bensberg schnappen sich Pflegerinnen und Pfleger inzwischen wie selbstverständlich morgens das Handy im Stationszimmer und beginnen mit der Arbeit. Bei Schichtbeginn zeigt es ihnen eine Übersicht, was dringend, was wichtig und was Routine ist. „Auch die, die am Anfang skeptisch oder unsicher waren, sind alle mit dabei“, sagt Pflegedienst-Leiterin Silvia Mebus.
Der App ist es dabei egal, ob sie auf Kölsch, Bayerisch oder mit polnischem Akzent gefüttert wird – sie versteht zahlreiche Abweichungen vom Hochdeutschen und setzt sie in Rechtschreibung und Grammatik korrekt um. Im Bensberger Carpe- diem-Haus wird zusätzlich die Übersetzungsfunktion genutzt. „Ungarisch, Indisch, Arabisch, Kroatisch, Türkisch, Filipino…“, beginnen Mohr und Mebus aufzuzählen. Um die zehn verschiedene Nationalitäten haben ihre Pflegerinnen und Pfleger. Voize übersetzt alles korrekt ins Deutsche. Die Dokumentation im Haus ist durchgängig gut. „Das ist ein großer Gewinn. Es nimmt ihnen die Unsicherheit“, sagt Silvia Mebus, „und trotzdem lernen sie super schnell Deutsch.“
Heimleitung arbeitet mit Entwicklern zusammen
Einmal im Monat steht ein Austausch zwischen Heimleitung, Voize und Marc Urban an. „Alles, was sie notiert haben, ist bis zum nächsten Mal umgesetzt“, sagt Elisabeth Mohr. Die App wird kontinuierlich im Austausch mit Pflegeträgern und Pflegenden weiterentwickelt. Dabei profitiert sie davon, dass viele Nutzer täglich hineinsprechen oder hineintippen. Denn die künstliche Intelligenz lernt mit jedem Eintrag dazu. Versteht sie etwas nicht, fragt sie nach. Wird ein von ihr vorgeschlagener Wert korrigiert, arbeitet sie im Hintergrund. Schon beim nächsten Mal wird sie (noch) schlauer sein, und zum Beispiel die wahrscheinlichste Aktion bereits als Vorschlag anzeigen. „Das Spannende ist, wie wenig Fehler sie dabei macht“, sagt Marc Urban.
Schon bald kommt eine neue Wunschfunktion hinzu: Bei den ausführlichen Aufnahme- und Integrationsgesprächen hört Voize demnächst einfach zu und setzt ein persönlich und individuell geführtes Gespräch in eine strukturierte Fassung um, die alles enthält, was für die Dokumentation notwendig ist.
Ihr seid ein Start-up in Rhein-Berg und wir kennen euch noch nicht? Wenn ihr euch auf einem guten Weg seht, schreibt uns per Mail an redaktion.rhein-berg@ksta-kr.de.