Der Heimatforscher und Autor Willi Fritzen starb im Alter von 88 Jahren. Es gab einen Gedenkgottesdienst für den Mitgründer der Großen Bensberger.
Trauer um Willi FritzenGedenkgottesdienst für das engagierte „Gedächtnis“ von Bensberg
Die Große Bensberger KG hat er mit aus der Taufe gehoben, ein eigenes Karnevalsmuseum im Engelbertturm des Bensberger Rathauses aufgebaut und mit Kamera und Sammelleidenschaft eine unfassbare Sammlung regionaler Zeitdokumente und ein außergewöhnliches privates Fotoarchiv aufgebaut.
Willi Fritzen war so etwas wie das inoffizielle Gedächtnis einer ganzen Region. Am Sonntag ist der gelernte Bäckermeister, Geschichtsforscher und Chronist im Alter von 88 Jahren gestorben.
Das Herz von Willi Fritzen galt seiner Heimatstadt und der Historie
Auch wenn er seit einiger Zeit bereits in Overath-Untereschbach wohnte, Fritzens Herz gehörte Bensberg. Im Herzen von Bensberg, an der Schloßstraße, wurde er im September 1935 als zweiter Sohn von Elisabeth Fritzen, geborene Hebborn aus Bensberg, und Wilhelm Heinrich Fritzen aus Mondorf an der Sieg geboren. Seine Eltern betrieben an der unteren Schloßstraße ein Bäckereifachgeschäft.
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Schon früh musste auch Willi Verantwortung in der Familie übernehmen, nachdem sein Vater in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, als Bensberg unter alliiertem Beschuss lag, von einem Granatsplitter verletzt wurde und kurz darauf starb. Von jetzt auf gleich stand die Mutter mit dem Bäckereigeschäft und sieben Kindern allein da. Sohn Willi schloss die Volksschule ab, absolvierte eine Bäckerlehre in Brühl mit der Note „Sehr gut“.
Ehrenamtlich war Willi Fritzen in Jugendarbeit und Karneval engagiert
Daneben engagierte sich der junge Bensberger ehrenamtlich als Jugendleiter in der katholischen Jugend. Außerdem war das Fotografieren und Filmen schon früh eine große Leidenschaft Fritzens. Ein Onkel, der im Ersten Weltkrieg in der Aufklärung tätig gewesen war, vermittelte ihm die ersten Kenntnisse.
Der junge Bäcker interessierte sich sehr für seine Heimatregion – und deren Geschichte. So erforschte er die Historie seiner Heimatpfarrei Bensberg, der Bensberger Feuerwehr, den Bergbau im Bensberger Erzrevier und die Zeit des Nationalsozialismus.
Auch Themen wie die NS-Zeit im Bergischen Land beleuchtet
Dabei ging es dem engagierten Forscher auch darum, dass das Unrecht der NS-Zeit nicht in Vergessenheit gerät. So erinnerte er noch vor einigen Jahren, als rechtsradikale Bewegungen im Bergischen Land regen Zulauf hatten, mit einer Ausstellung und engagierten Gesprächen auch mit Schülerinnen und Schülern, an das, was er über die NS-Zeit im Bergischen zusammengetragen hatte.
Aber auch die Geschichte des Karnevals in Bensberg verfolgte er zurück – bis ins Jahr 1873, zeigte in mehreren Publikationen, dass Bensberg mit Köln zu den ältesten Karnevalshochburgen im Rheinland gehörte. Dabei war er maßgeblich daran beteiligt, dass der Karneval lebendig blieb.
Geburtshelfer und erster Vorsitzender der Großen Bensberger KG
So lud er etwa nach dem Karnevalszug 1970 die unter dem Namen „Junge Bensberger“ agierenden Jugendlichen, unter denen sich mehrere ehemalige Mitglieder seiner früheren Jugendgruppe befanden, zu sich nach Hause ein und ermunterte sie, sich als Große Bensberger Karnevalsgesellschaft zur formieren.
Fritzen selbst wurde zum ersten Vorsitzenden gewählt, sein Bruder Paul Falk zum Geschäftsführer der neuen Gesellschaft. Willi Fritzen regte zudem an, dass ein Bensberger Kinderprinzenpaar (später das heutige Kinderdreigestirn der Stadt Bergisch Gladbach) ins Leben gerufen wurde. Bis 1979 war Fritzen selbst Prinzenführer der jungen Tollitäten.
Für seine Verdienste um die Region wurde Willi Fritzen vielfache ausgezeichnet
Von 1996 bis 2004 war Fritzen im Festkomitee Bensberger Karneval aktiv, unter anderem als Geschäftsführer, Vizepräsident, Literat und Pressesprecher.
Für seine Verdienste um die Kulturpflege und Brauchtumsforschung wurde er mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, erhielt unter anderem vom Regionalverband Rhein-Berg im Bund Deutscher Karneval den Verdienstorden in Gold, die Auszeichnung „Löstiger Jeck“ sowie von der Vereinigung zur Erhaltung und Pflege heimatlichen Brauchtums die „Montanus-Plakette“.
Cousine Helene Hammelrath nannte ihn „Pfadfinder der Heimatgeschichte“
Fritzen sei ein „Pfadfinder der Heimatgeschichte“, würdigte die damalige stellvertretende Bürgermeisterin von Bergisch Gladbach und Fritzens Cousine, Helene Hammelrath, 2006 bei der Verleihung der Montanus-Plakette.
Von der Stadt Bergisch Gladbach wurde Fritzen mit der Ehrennadel in Silber ausgezeichnet, und seine Große Bensberger KG ernannt ihn 2007 zum Ehrenmitglied.
Auch in der Bäckerinnung engagierte sich Willi Fritzen über Jahre
Nicht nur im Ehrenamt, sondern auch in der Bäckerinnung war Fritzen aktiv. Dabei hatte er es beileibe privat nicht immer leicht gehabt. 1964 hatte er seine Verlobte Helene geheiratet, die beiden bekamen zwei Söhne, doch ein tragischer Unfall bereitete dem jungen Familienglück nach nur drei Jahren ein jähes Ende, als Fritzens erste Frau bei einem tragischen Unfall starb. „Unfassbar, was er da auch durchgemacht hat“, sagt Sohn Mario Fritzen, der damals ein Jahr alt war und heute wie sein Vater Bäckermeisterei ist, mit Landbäckerei in Kürten.
1968 heiratete Willi Fritzen erneut. Magdalene und Willi Fritzen bekamen ebenfalls zwei Söhne, so dass die Familie auf vier Söhne anwuchs. 1963 hatte Fritzen die Meisterprüfung als Bäcker abgelegt, führte von 1964 bis 1978 ein Bäckereifachgeschäft an der Bensberger Schloßstraße und war danach 22 Jahre lang in führender Funktion in einer Kölner Brotfabrik tätig.
Willi Fritzen gründete den Kleingartenverein Birkerhof mit
Damit aber nicht genug, der Kleingartenverein Birkerhof in Moitzfeld wurde von Fritzen mitgegründet. Am Landgericht Köln war er zwölf Jahre lang als ehrenamtlicher Richter aktiv. Sein eigentliches Hobby, seit frühester Kindheit, waren allerdings die Bilder. Zunächst als Fotos, später dann in bewegter Form auf Film und Video.
Und so entstand sein Fotoarchiv, das rasch zu einem der umfangreichsten in der Stadt gehörte. Den Bildern folgten bald die Worte, die Geschichte seiner Heimat lag dem Handwerker sehr am Herzen. Mehr als 20 Bücher zur Geschichte von Bensberg, Bergisch Gladbach und Overath hat Fritzen im Eigenverlag herausgegeben.
Im Engelbertturm von Bensberg baute Willi Fritzen ein Museum auf
Im Engelbertturm des Bensberger Rathauses richtete er ein „Archiv für Brauchtumspflege“ ein – besser bekannt als Bensberger Karnevalsmuseum. Dort wurden Tollitäten empfangen und Karnevalsinteressierte von nah und fern in die Historie der fünften Jahreszeit in Bensberg eingeführt.
Einen großen Teil des fotografischen Schatzes, den Fritzen zusammengetragen hatte, übergab der Fotofreund und Sammler in den vergangenen Jahren bereits ans Stadtarchiv Bergisch Gladbach. „Damit die Nachwelt darin forschen kann“, hat er einmal gesagt. Der Teil seines Archivs bei ihm daheim war unterdessen mehrfach bedroht. Zunächst 2021 bei der Starkregenflut und zuletzt bei einem Brand im April dieses Jahres, bei dem das gesamte Haus schwer beschädigt wurde.
Ein Teil des Heimatarchivs von Willi Fritzen wurde bei Hausbrand zerstört
„Wir haben geborgen, was man bergen konnte“, sagt Sohn Mario. Einen Teil habe man auch dem Geschichtsverein übergeben, damit sich dieser um den Wissensschatz kümmern könne. Dabei hat auch Mario Fritzen keinen Zweifel daran, dass das Andenken an seinen Vater nicht zuletzt in seinen Büchern, Bildern und Verdiensten um die Geschichte der Region weiterleben wird.
Einen Einblick in das vielseitige Wirken und die historische (Foto-)Sammlung von Willi Fritzen bietet auch die von ihm selbst angelegte Internetseite.
Der Gedenkgottesdienst für Willi Fritzen findet am Freitag, 21. Juni, um 19 Uhr in der katholischen Kirch St. Nikolaus in Bensberg statt, die Beisetzung zu einem späteren Zeitpunkt im engsten Familienkreis.