Odenthal – Ende des 18. Jahrhunderts hatte der damalige Pfarrer von Odenthal nur einen Wunsch: Er wollte weg aus dem Dorf. Das legt jedenfalls ein Bittschreiben des katholischen Geistlichen nahe, das er damals verfasste. Bei Pfarrer Serge Ivannikov verhält es sich anders. Er würde gerne bleiben, muss aber gehen. Zum 1. September wird er nach Troisdorf versetzt. Daran ändern auch Bittschreiben, Unterschriftenlisten und Interventionen nichts.
Ivannikov ist seit 2010 im Seelsorgebereich Odenthal-Altenberg tätig, der zunächst auch Burscheid umfasste. Nach der ersten Eingewöhnungsphase fühlte sich der Geistliche, dessen Familie in Russland lebt, in der bergischen Gemeinde wohl. „Da habe ich gedacht: »Hier könnte ich bleiben. Hoffentlich vergessen sie mich hier.«“
Absprachen wurden nicht kommuniziert
Doch das Bistum vergaß nicht, sondern lud im vergangenen Jahr zum „Perspektivgespräch“. Und die Perspektive war der große, aus zwölf Gemeinden bestehende „Sendungsraum“ Troisdorf. Da sei er aus allen Wolken gefallen, weil ihm das Generalvikariat noch 2019 versichert habe, dass in den nächsten vier bis fünf Jahren keine personellen Veränderungen getroffen würden, erinnert sich Ivannikov.
Zur Person
Predigten mit kleinen Stolpersteinen
Serge Ivannikov wurde 1973 im russischen Voronesh geboren, lebte später in Frankreich, Italien und Deutschland und studierte Geschichte und Theologie. 2004 wurde er im Kölner Dom zum Priester geweiht. 2010 kam er nach Odenthal, wo er 2012 zum Pfarrvikar ernannt wurde.
2019 leitete er vorübergehend den Seelsorgebereich als Pfarrverweser. Nachdem er in das Odenthaler Pfarrhaus eingezogen war, so erinnert sich Anne Brandt in den „Altenberger Blättern“, „wurde der hintere Teil des Gartens zum Kartoffelacker“ und der stille Intellektuelle Ivannikov zum Kartoffelbauern, der seine Ernte bei Pfarrfesten zugunsten sozialer Projekte verkaufte.
Sich selbst nicht in den Vordergrund stellend, habe er anderen in der Kirche viele Freiräume der Mitgestaltung gelassen. Seine profunden Sprachkenntnisse brachte er in die Flüchtlingsarbeit ein und erweiterte sein eigenes umfangreiches Repertoire noch um die persische Sprache.
Auch in Altenberg sei Ivannikov als „Priester mit eindrücklichem Profil“ in Erinnerung, so Oliver Ehrnstorfer. Die Bewunderung nicht nur der Messdiener habe sein legendärer Weihrauchfass-Salto gefunden. Die „erfreulichen Kürze seiner Predigten“, die oft von Geschichtsinteresse zeugten, sei damit verbunden gewesen, „dass er seine Zuhörer nicht schonte, sie nicht wortreich einlullte, sondern ihnen einen Gedanken, einen kleinen Stolperstein mit auf den Weg gab.“
Damals hatte er vorübergehend die Leitung des Seelsorgebereichs übernommen, bis Pfarrer Thomas Taxacher die Nachfolge von Johannes Börsch antrat. „Von dieser Zusage wusste dann niemand mehr etwas“, ärgert sich der Priester, der bis zum Erzbischof vorstellig wurde, um seine Versetzung noch abzuwenden.
Bistum findet wichtig „wieder loslassen zu können“
Aber die Entscheidung blieb bestehen, auch nachdem eine Initiative von Odenthalern rund 300 Unterschriften für den Verbleib des Pfarrvikars am Ort gesammelt hatte. Unabhängig von seinen persönlichen Wünschen zweifelt der Geistliche auch am tieferen Sinn dieser Versetzung: „ Wir leiden am Priestermangel und haben 60 leitende Pfarrstellen unbesetzt. Überall Löcher. Und dann zerstört man hier ein funktionierendes System.“
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Versetzungen in regelmäßigen Abständen seien „ein normales Prozedere“, erläutert hingegen die Pressestelle des Bistums auf Anfrage. Es seien Gespräche geführt worden und dabei habe „Pfarrer Ivannikov seine Bereitschaft bestätigt, seinen priesterlichen Auftrag an einem neuen Einsatzort auszuüben und der Versetzung zugestimmt“. Pfarrer Mike Kolb, Leiter der Hauptabteilung Seelsorge, habe mit den gewählten Vertretern der Gremien gesprochen und das Vorgehen erklärt.
„Eine Veränderung der Versetzungsentscheidung wäre nicht sinnvoll gewesen“, so das Bistum weiter, und hätte nur aufschiebenden Charakter gehabt. Es sei verständlich, dass Gemeindemitglieder Seelsorger, die sie schätzten, behalten wollten. Dennoch sei es wichtig „wieder loslassen zu können“, so die Meinung des Bistums.
Ivannikov lehnt feierliche Verabschiedung ab
Formal gibt es in der katholischen Kirche kein Mitspracherecht bei derartigen Personalentscheidungen. Das wissen auch Anne Brandt (Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat Odenthal) und Oliver Ehrnstorfer (Pfarrgemeinderat Altenberg). Aber sie hätten sich gewünscht, mehr Gehör zu finden. Man habe sich „mehr Fingerspitzengefühl und Sensibilität gegenüber der Gemeinde und auch gegenüber dem Geistlichen“ erhofft, sagt Ehrnstorfer enttäuscht. Ivannikov stehe für Vertrauen und Verlässlichkeit.
Doch Serge Ivannikov muss packen und das Pfarrhaus für seinen Nachfolger räumen. Eine feierliche Verabschiedung, wie vom leitenden Pfarrer Thomas Taxacher angeboten, hat Ivannikov abgelehnt. Und so wird es ein stiller Abschied werden.
Blind und Taub – Ein Kommentar zur Versetzung des Seelsorgers
Mit dem Pastoralen Zukunftsweg lädt das Erzbistum Köln alle Menschen ein, die Kirche von morgen mitzugestalten. So der Anspruch. Die Realität in den katholischen Gemeinden sieht anders aus: Da werden die engagierten Christen zwar gerne gesehen, um ehrenamtlich die personellen Löcher zu stopfen, die eine verfehlte, rückwärtsgewandte Kirchenpolitik seit Ewigkeiten gerissen hat.
Wenn es dann aber um Entscheidungen geht, dann regiert die Amtskirche immer noch nach Gutsherren-Art. Dann können Gemeindemitglieder nur beten, dass ihre Bitten vom Bistum erhört werden. Nur zu häufig ist dies nicht der Fall. Wie jetzt wieder das Beispiel Odenthal zeigt.
Ohne hier Seelsorger gegeneinander ausspielen zu wollen – den einen, der gehen muss, gegen den anderen, der kommt und für die Vorgeschichte nicht verantwortlich ist – hätte gerade der Gemeinde St. Pankratius nach den vielen Veränderungen und Erschütterungen der letzten Zeit Kontinuität gut getan. Hatten sich viele erhofft, in Köln mit ihren Wünschen wahrgenommen, gehört zu werden. Eigentlich klassische seelsorgerische Arbeit, die aber offenbar hinter den dicken Mauern des Generalvikariats nicht unbedingte Priorität hat und hinter strategischem Verwaltungshandeln der Institution zurückstehen muss.
Dass Köln blind und taub für seine Basis ist, zeigt einmal mehr, dass der Pastorale Zukunftsweg nichts anderes ist als Augenwischerei.