Rhein-Berg – Michael Heckmann hat als Kreiskatholikenratsvorsitzender in den vergangenen Jahren kein Blatt vor den Mund genommen, wenn es um die Forderung nach Reformen in der katholischen Kirche und insbesondere im Erzbistum Köln ging. Bei der jüngsten Kreiskatholikenratsversammlung hat er sich nicht mehr zur Wiederwahl gestellt. Über Hintergründe, Frust und Hoffnung hat Guido Wagner mit dem 69-Jährigen gesprochen.
Herr Heckmann, Sie haben die Brocken als Vorsitzender des Kreiskatholikenrats hingeschmissen . . .
Ich bin jetzt 69 und seit 50 Jahren ehrenamtlich engagiert in Vereinen, Politik, Kirche – irgendwann ist es auch genug.
Das klingt aber jetzt resigniert.
Resigniert nicht, „ernüchtert“ trifft es eher. Gut, wenn ich gesehen hätte, da kann ich noch etwas bewegen, und alle hätten mitgezogen . . .
Hatten Sie diesen Eindruck nicht?
Nicht, dass wir uns hier missverstehen: Es geht überhaupt nicht um die Menschen hier vor Ort im Rheinisch-Bergischen Kreis.
Klar, Sie sehen eher nach Köln, wo Kardinal Woelki aus seiner „Auszeit“ zurückgekehrt ist.
Richtig, und der Kardinal kann ja auch nicht aus seiner Haut raus. Aber mit den Personen, die da sind, kann eine glaubwürdige Aufarbeitung aus meiner Sicht nicht funktionieren: weder die Aufarbeitung des Skandals um den Umgang mit sexuellem Missbrauch durch Geistliche, noch ein Neuanfang, um Vertrauen zurückzugewinnen.
Aber dann hilft es ja nicht, wenn kritische Stimmen wie die Ihre sich jetzt zurückziehen, oder?
Ach … Nein, ich will die Hoffnungslosigkeit da rausnehmen. Es gibt jetzt ja neue Aktive im Kreiskatholikenrat, die das jetzt mit frischem Mut angehen.
Ist neuer Mut nötig, um in der Kirche seine Stimme zu erheben?
Auf jeden Fall ist Ausdauer gefragt.
Um die dicken Bretter zu bohren, damit sich etwas verändert?
Es sind nicht nur dicke Bretter, sondern auch Elefanten, mit denen man es zu tun hat. Das ist zwar in Parteien oft nicht anders, aber gerade Kirche sollte da doch anders sein wegen der Frohen Botschaft, die sie zu verkünden hat.
Was müsste „anders“ sein am Verhalten der Kirche?
Es gibt zurzeit keinen Frieden in der Welt, keinen in der Kirche, keinen in der Gesellschaft. Überall ist das Vertrauen der Menschen in die Zukunft erschüttert. Da sollte gerade die Kirche Vertrauen in die Gesellschaft hineintragen.
Dass stellt sich natürlich die Frage, ob nicht alle Christen auch Kirche sind?
Natürlich sind sie das, und dafür kämpfen wir ja auch – allzu oft allerdings gegen die Institution Kirche. Ich bin gerade vom Katholikentag aus Stuttgart zurückgekehrt. Da war zu spüren, wo das Zentrum und wo die eigentliche Kraft der Kirche liegen.
Und wo ist das?
Die wahre Kirche ist nicht die Institution, sondern das sind die engagierten Christen. Das Bild ist vielfältig, das Bild ist bunt – und durchgängig von Kritik an der Kurie in Rom und der Langsamkeit der Veränderungen innerhalb der Kirche geprägt. Das war gerade beim Katholikentag ganz deutlich zu spüren. Besonders beeindruckt hat mich eine Theaterveranstaltung über den Pater Richard Henkes, der sich selbst in schwierigsten Zeiten im KZ den Glauben erhalten und Abgerungen hat.
Kann das auch Mut machen?
Meine persönliche Schlussfolgerung ist: Den katholischen Glauben nach außen zu tragen und zu leben, lohnt sich – ganz unabhängig von der Institution Kirche.
Aber von der ist es wohl kaum ganz zu trennen?
Deshalb ist ja auch beim Abschlussgottesdienst noch einmal sehr eindringlich die Erwartung an die Institution Kirche formuliert worden: Wir brauchen Veränderung – jetzt!
Aber es waren auch nur noch 27 000 Mitglieder beim Katholikentag, nur ein Drittel der Besucherzahl des Katholikentags vor vier Jahren in Münster. Zeigt das die Resignation der Menschen?
Das zeigt eindeutig, welchen Schaden die Kirche dadurch nimmt, dass sie die Reformwilligkeit und -schnelligkeit vermissen lässt. Ich finde das sehr traurig.