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100 Jahre FrauenwahlrechtDiese Frauen haben für mehr Gleichberechtigung gekämpft

Lesezeit 7 Minuten

Starke Frauen im Rheinisch-Bergischen Kreis: Walborg Schröder, Elfriede Patt, Katja Röhse von Cube, Maria Theresia Opladen (von links). Beim Treffen in der Seniorenresidenz in Bechen kamen die Frauen trotz unterschiedlicher politischer und persönlicher Prägung schnell und angeregt ins Gespräch.

  1. 100 Jahre Frauenwahlrecht: Können sich Frauen heutzutage zurücklehnen, ist die Gleichberechtigung erreicht? Nein, sagen diese vier Frauen aus Rheinberg, die seit jeher für mehr Gleichberechtigung kämpfen. Wir haben uns mit ihnen unterhalten.

Rhein-Berg – Vor 100 Jahren, am 30. November 1918, ist das aktive und passive Wahlrecht für Frauen in Deutschland in Kraft getreten. Doris Richter und Birgit Eckes trafen sich mit Frauen, die in der Region Rhein-Berg seit Jahrzehnten in Politik und Wirtschaft aktiv sind. Sie sind „Kommunistin“, Unternehmerin, SPD-Urgestein und katholische Ex-Bürgermeisterin und könnten unterschiedlicher kaum sein. Doch beim Treffen in Kürten vertrugen sie sich bestens – vereint in der Frauenfrage.

Die Einführung des Wahlrechts für Frauen beurkundet sozusagen die Gleichberechtigung. Was bedeutet dieser historische Schritt für Sie?

Katja Röhse von Cube: Ich bin stolz darauf, dass meine Partei, die SPD, die einzige Partei im Deutschen Reich war, die schon 1891 das Frauenwahlrecht in ihr Programm schrieb und 1895 den ersten Gesetzentwurf zum Frauenwahlrecht im Deutschen Reichstag einbrachte. August Bebel, der Antragsteller, wurde ausgelacht. Leider hat es noch viele Jahre gedauert, bis es endlich durchgesetzt war.

Elfriede Patt: Das war ein natürlicher Prozess, und für die Frauen meiner Generation ist es ja schon eine Selbstverständlichkeit gewesen. Ich bin 1964 mit 24 Jahren in das Geschäft eingestiegen, habe zwei Kinder bekommen und arbeite bis heute in der Firma meiner Familie. Ein wenig bedaure ich es rückblickend, dass ich politisch nicht aktiv war. Es wäre ja konsequent, sich in den Rat wählen zu lassen. Nicht meckern, sondern handeln wäre angesagt gewesen. Denn Frauen haben den schnelleren Durchblick, sind realistischer, vor allem können sie besser zuhören.

Maria Theresia Opladen: Es war ein großer Schritt für die Frauen und ihre Gleichberechtigung. Bis dahin waren sie rechtlich und auch tatsächlich reduziert auf Haushalt, Kinder und Familie. Eine wirkliche Teilhabe an der Gestaltung der Gesellschaft hatten sie nicht. Das hat sich entscheidend mit der Einführung des Wahlrechts geändert. Dankeschön an die Vordenkerinnen von damals.

Walborg Schröder: Ich habe mich immer gerne eingemischt. Ich war sozialistisch orientiert. Frauenrechtlerinnen wie Clara Zetkin haben mich geprägt. Wir folgten dem Beispiel starker Frauen. Ich bin für Verständigung eingetreten. Denn in einem waren wir alle einig: Nie wieder Krieg.

Wie beurteilen Sie die Gleichstellung der Frauen heute?

Von Cube: Die Forderungen, die schon 1918 von den Frauen gestellt wurden, sind bis heute nur teilweise erfüllt. Das ist zum Beispiel gleicher Lohn für gleiche Arbeit – immer noch nicht erreicht. Es hat 70 Jahre gedauert, bis Frauen ohne Erlaubnis ihrer Ehemänner selbst entscheiden konnten, ob sie arbeiten oder nicht. In den 70er-Jahren unter der sozialliberalen Koalition wurden das Namensrecht und die Änderung des Paragrafen 218 erstritten.

Patt: Ich denke, dass die Frauen in der Wirtschaft auf dem Vormarsch sind. Andere Geschäftsfrauen, auch ich, haben in der Vergangenheit zwar im Hintergrund die Fäden gezogen, unsere Meinung war gefragt, unser Können gewürdigt, doch der Mann stand in vorderster Front. Das Ganze ändert sich jetzt, und das ist gut so. Denn ich finde, Frauen sind im Geschäftsleben pragmatischer und gehen mit den Mitarbeitern diplomatischer um. Männer sind eher Taktiker.

Opladen: Frauen haben es vor allem in der Politik schwerer als Männer. Die Anforderungen sind höher, von ihnen wird mehr verlangt. Männer haben die besseren Netzwerke und agieren anders als Frauen. Im Bundestag ist der Frauenanteil übrigens von 36,5 auf 31 Prozent gesunken.

Schröder: Chancengleichheit für Frauen gibt es immer noch nicht. Frauen bekommen 21 Prozent weniger Lohn als Männer. Die Verfassung sieht die Gleichstellung vor, aber es ist nicht die Realität. Solange das so ist, dürfen Frauen nicht locker lassen. Wenn man nichts tut, geht es nicht weiter.

In vielen Gremien von Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften gibt es inzwischen eine Frauenquote. Wie stehen Sie dazu?

Von Cube: Die Frauenquote ist nach wie vor dringend erforderlich. Noch immer sind in den Spitzenpositionen in Wirtschaft und Politik die Männer in der Mehrzahl, obwohl es genügend qualifizierte Frauen gibt und das 30 Jahre nach Einführung der Quote. Sie findet zu wenig Anwendung. Frauen sind eine Mehrheit, die wie eine Minderheit behandelt wird.

Patt: Ich finde das in Ordnung, aber man sollte es nicht per Gesetz erzwingen. Ich bin zuversichtlich, dass wir dahin kommen, ein Gespür für diese Art von Gerechtigkeit zu entwickeln. Im Prinzip bin ich aber der Ansicht, dass die Qualifikation entscheiden sollte und nicht das Geschlecht.

Opladen: Ich selbst habe mich in der Partei dafür eingesetzt. Die Frauenquote ist ein wichtiges Hilfsmittel dafür, dass Frauen weiterkommen. In Bereichen, wo ein Mangel an Frauen ist, ist die Quote notwendig. Es wäre schöner für uns Frauen, wir bräuchten sie nicht. Aber wir brauchen sie, bis Frauen überall gut vertreten sind.

Schröder: Es verändert sich nichts von selbst. Früher haben wir uns als Emanzen beschimpfen lassen und in unseren Aktionen auch überzogen – aber ohne dieses Engagement vieler Leute ändert sich nichts. Die Männer müssen stärker überzeugt werden. Das ist ein langer Prozess. Sicher, wir Frauen haben schon einiges erreicht, worauf wir stolz sind – aber längst nicht alles.

Im zweiten Teil unseres Themenschwerpunkts „100 Jahre Frauenwahlrecht“ lesen Sie: Der Gemeinderat Odenthal hat die höchste Frauenquote im Kreis.

Die Protagonistinnen

Walborg Schröder: Mit der Deutsch-Russischen Gesellschaft Rhein-Ruhr, der Gewerkschaft Verdi (vormals IG Medien/IG Druck und Papier) und dem Bündnis für Fraueninteressen „Finte“ in Bergisch Gladbach ist der Name Walborg Schröder eng verbunden. Finte hat sie 1988 mitgegründet, dem Ortsverband der Gewerkschaft gehört sie seit 1972 an und die Deutsch-Russische Gesellschaft führte sie seit 1976 zwei Jahrzehnte lang als Vorsitzende. Heute ist Walborg Schröder Ehrenvorsitzende. „Wir waren ein bisschen der Türöffner im Kalten Krieg“, beschreibt die gelernte Dolmetscherin für Russisch die Aktivitäten der Gesellschaft. Sie studierte Slawistik in Leipzig, reiste 1963 durch ihre Heirat mit dem Remscheider Journalisten Karl-Heinz Schröder aus der DDR und zog 1972 mit ihrer Familie nach Bergisch Gladbach. Zu dem Zeitpunkt war sie in der Bonner Botschaft als Übersetzerin tätig, dort erlebte Walborg Schröder russische Politiker wie Leonid Breschnew hautnah. Die heute 85-Jährige lebt seit drei Jahren im Kursana Seniorenheim in Kürten-Bechen, ist im Heimbeirat nach wie vor aktiv.

Elfriede Patt stammt als altem Bensberger „Adel“. Die Tochter der Autofamilie Gieraths heiratet 1964 den Schreiner und Bestattungsunternehmer Albert Patt, Inhaber des gleichnamigen Einrichtungshauses und stieg gleich ins Unternehmen ein. „Ich war immer berufstätig,“ sagt die 78-Jährige, die noch Zeiten erlebte, als Väter ihre Töchter ungefragt aus der Lehre abmelden konnten. Später bekam sie zwei Kinder und eine Haushaltshilfe. „Das Unternehmen war wichtiger.“ Geputzt und gekocht hat sie nicht. Obwohl Kinder und Enkel den Familienbetrieb weiter führen, ist Elfriede Patt als Senior-Chefin bis heute für die Organisation verantwortlich. „Frauen sind bessere Chefinnen,“ ist ihr Credo.

Katja Röhse von Cube wurde in Koblenz geboren als fünftes von neun Kindern. Vater Sozialdemokrat, Mutter Katholikin – die Familie wurde geprägt durch Schikanen der Naziherrschaft, den Krieg und Tod, Vertreibung, Hunger und Flucht. 1951 trat sie, mit Sondergenehmigung von Kurt Schumacher, in die SPD ein und setzte sich von Beginn an für Frauenrechte ein. Seit 1989 ist sie Ratsmitglied in Overath, war in Kreis- und Ortsverband in unterschiedlichen Führungsfunktionen tätig, war Personalrätin beim WDR (wo sie in der Wissenschaftsredaktion arbeitete) und ist bis heute Frauenbeauftragte im Rheinisch-Bergischen Kreis.

Maria Theresia Opladen: Sie lässt los. „Das muss man können“, sagt Maria Theresia Opladen, ehemalige Bürgermeisterin von Bergisch Gladbach. Nach und nach zieht sich die Juristin für Verwaltungsrecht, die im Frühjahr ihren 70. Geburtstag gefeiert hat, aus öffentlichen Ämtern zurück. Bis 2017 war sie Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschland (kfd). Ehrenamtlich führte sie neun Jahre die fast 500 000 Mitglieder starke Vereinigung. Als Rechtsanwältin ist Opladen seit 1977 tätig. Von 1990 bis 1999 war sie Abgeordnete der CDU im Landtag. Dann wurde sie zur Bürgermeisterin gewählt und blieb bis 2004 Chefin der Gladbacher Verwaltung. Mit ihrem Ehemann Wilmund Opladen hat die Bensbergerin drei Kinder und mittlerweile acht Enkelkinder. Sie entspannt sich beim Klavierspielen. Noch immer Mitglied einer Kölner Anwaltskanzlei, überlegt sie nun auch ihren Rückzug aus der Berufstätigkeit. „Ich möchte frei sein“, gesteht sie ganz offen.