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Landwirtschaft in Rhein-BergExistenz vieler Milchbauern ist bedroht

Lesezeit 4 Minuten

Die Landwirte Alois Landwehr (links) und Lambert Stöcker beklagen die am Boden liegenden Abnahmesatzpreise.

  1. Seit Jahren sinken die Milchpreise in Deutschland und Europa.
  2. Darunter leiden viele Milchbauern und stehen zum Teil vor dem finanziellen Aus.
  3. Lambert Stöcker aus Rösrath und Alois Landwehr aus Bergisch Gladbach sprechen über ihre Situation.

Rösrath – Nummer 433 ist bereit, der Roboter auch. Erst bürstet er den Euter der Kuh ab. Dann richten sich die Saugnäpfe auf und setzen sich an die Zitzen. Etwa sieben Liter Milch pumpt der Roboter ab. Er sieht aus wie eine kleine Tankstelle und steht im Stall von Milchbauer Lambert Stöcker in Rösrath.

Das Gerät ist begehrt: Drei Kühe stehen Schlange. Über einen Chip im Ohr der Kuh erkennt der Roboter, wie viel Milch eine Kuh an einem Tag bereits gegeben hat und ob ihre Zeit schon wieder gekommen ist. „Manche probieren es trotzdem zwischendurch, denn für die Tiere ist das sehr angenehm“, sagt Stöcker.

Hightech im Kuhstall, die bezahlt werden muss.

Wenn es schlecht läuft, ist es auf Stöckers Hof in zehn Jahren vorbei mit der Milchproduktion „Dann sind die Roboter abbezahlt“. Alleine mit der Milch verdient er nicht genug. Zu wenig kriegt der Milchbauer für sein Produkt. Die globalisierte und liberalisierte Marktwirtschaft sei schuld, kritisiert Stöcker. Es gebe einfach zu viel Milch. „Wenn durch die Freihandelsabkommen überall aus der Welt Milchprodukte dazu gekauft werden, ist der Markt überfüllt. So verliert unsere Milch an Wert.“

Kaum Einnahmen mit dem eigenen Produkt

Seit Jahren sinken die Preise. Stöcker sagt: „Wir produzieren die Milch. Die Molkerei holt die Milch ab und verarbeitet sie. Die Molkerei verhandelt mit dem Lebensmitteleinzelhandel über den Preis. Von der Summe zieht die Molkerei ihre Betriebskosten ab. Was übrig bleibt, kriegen wir Milchbauern.“ Was für ihn übrig bleibt, weiß Stöcker nie, wenn er seine Milch an die Molkereien abgibt.

Momentan bekommt der 60-Jährige für einen Liter Milch ungefähr 35 Cent. Laut dem European Milkboard (EMB), einem Dachverband europäischer Milcherzeugerverbände, müssten die Bauern 46,69 Cent bekommen, damit sie ihre Kosten decken können.

Ein Viertel der Produktionskosten sei durch die aktuellen Preise nicht gedeckt, berichtet das EMB. Für die konventionelle Milcherzeugung, die also nicht ausschließlich Bio-Milch produziert, bedeutete der niedrige Milchpreis demnach im Jahr 2018 einen Stundenlohn von etwa 4, 02 Euro für die Bauern. Im Jahr 2019 seien die Milchpreise so niedrig gewesen, dass sie gar kein Einkommen aus der Milcherzeugung ziehen konnten.

Jedes Jahr schließen über fünf Prozent der Betriebe

Lambert Stöcker kann das bestätigen. Viele Höfe müssten sich verschulden, um über die Runden zu kommen. „Irgendwann ist man mit den Mitarbeitern bei der Bank per Du“, sagt er. Durch die Verschuldung könne man keine Rücklagen mehr schaffen. „Wir haben im Moment eine Betriebsaufgabe von über fünf Prozent jedes Jahr.“ Vor ein paar Jahren waren es mal zwei Prozent, erinnert sich Stöcker. Doch das sei lange her.

Woran es liegt, dass so viele Höfe aufgegeben werden? „Weil die jungen Leute einfach keine Lust mehr haben, unter diesen Bedingungen zu arbeiten. Und ich müsste eigentlich fast bestätigen, dass die Milchproduktion so langfristig keinen Sinn mehr hat.“

Subventionen lösen das Problem nicht

Resigniert wirkt Stöcker, wenn er darüber spricht. Er habe viel protestiert und Demos angemeldet. Oft zusammen mit Alois Landwehr, ebenfalls Milchbauer mit einem Hof in Bergisch Gladbach. Der sagt: „Seit zwanzig Jahren haben wir immer wieder auf unsere Situation aufmerksam gemacht, aber passiert ist am Ende nichts.“ Das sieht Stöcker auch so. „Von der Politik kamen immer nur leere Versprechungen oder halbgare Lösungen.“

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So seien etwa die Subventionen, die der Deutsche Bauernverband immer wieder mit der Politik verhandelt, nicht hilfreich. Die Zuschüsse würden die Situation langfristig nicht verbessern. Durch zusätzliche Auflagen für den Tier- und Umweltschutz steigen die zusätzlichen Kosten auf den Höfen. „Ich kenne keine Bauern, die gegen Tier- und Umweltschutz sind. Wir erfüllen die Auflagen gerne – wenn wir mit unserem Produkt genug verdienen würden, um die zusätzlichen Kosten auch decken zu können.“ Momentan sei das nicht der Fall.

Was helfen würde? „Das Preisniveau der Milch muss dauerhaft angemessen sein“, sagt Stöcker. Das könne etwa geschehen, indem der Markt reguliert werde. „Es ist kein Problem, die Produktion etwas zurück zu fahren, wenn dafür die Preise steigen. Das muss uns nur jemand sagen und wir legen los.“

Zukunft liegt langfristig nicht in der Milchproduktion

Im Jahr 2008 gab es einen Lieferstreik deutscher Milchbauern, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. „In wenigen Wochen hatten wir den Preis, die gewünschten 40 Cent“, sagt Stöcker. Es habe Verhandlungen gegeben. „Und als wir klein beigegeben haben, ist nichts passiert.“ Er habe keine Lust mehr zu protestieren.

Doch Stöcker macht trotzdem weiter. Warum eigentlich? Sein Sohn wolle den Hof übernehmen, sagt er. „Ich will ihm das nicht verwehren.“ Auch Alois Landwehr macht weiter. Trotz allem Frust zeigt er sich nicht hoffnungslos. „Vielleicht wird es ja irgendwann mal besser.“

Für den Fall, dass das nicht so ist, haben Lambert Stöcker und sein Sohn aber schon eine andere Einnahmequelle gefunden. In den vergangenen Jahren halten sie auf dem Hof nicht mehr nur Milchkühe. Dort leben nun auch 70 Galloway-Rinder und acht japanische Kobe-Rinder – zur Fleischproduktion. Die werde wohl langfristig den Hof finanzieren, sagt Stöcker. „Ich bin nicht sicher, ob hier in zehn Jahren noch Milch produziert wird.“ Dann ist immerhin der Roboter abbezahlt.