Die Erlaubnis aus Rom beendet die Grauzone einer Seelsorge zwischen Verbot und Duldung. Aber nicht jedes Paar will das Angebot annehmen.
„Paukenschlag im Vatikan“Katholiken in Rhein-Berg über die Erlaubnis zur Segnung homosexueller Paare
Manche sprechen von einem vorgezogenen Weihnachtsgeschenk aus Rom oder von einem „Paukenschlag im Vatikan“ andere sind deutlich verhaltener: Die Entscheidung des Papstes, dass katholische Priester künftig auch homosexuelle und unverheiratete Paare segnen dürfen, wenn auch nicht im Rahmen eines Gottesdienstes, hat viele Menschen überrascht, auch in Rhein-Berg.
„Ich habe mich sehr gefreut, dass der Papst so denkt“, kommentiert Thomas Taxacher, leitender Pfarrer in Odenthal-Altenberg, die Nachricht. Neben der Freude hört man ihm aber auch deutlich die Erleichterung an. Denn was nun aus Rom den päpstlichen Segen erhalten hat, das spielte sich in vielen Gemeinden des Erzbistums Köln, in der täglichen Arbeit vieler katholischer Seelsorger, bisher häufig in einer Grauzone zwischen strikten Verboten und gerade noch Geduldetem ab.
„Zwar hat sich der Katechismus nicht geändert, aber der Blick auf die Menschen“
Dazu dürften auch die Valentinsgottesdienste gezählt haben, die Taxacher in den vergangenen Jahren regelmäßig für sich liebende Menschen im Altenberger Dom angeboten und dabei niemanden weggeschickt hatte. Jetzt sei die Segnung offiziell erlaubt und definiert, zeigt sich Taxacher zufrieden.
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„Zwar hat sich der Katechismus nicht geändert, aber wenigstens der Blick auf die Menschen, die ihre Liebe leben wollen“, sagt er. Diese andere Haltung, dieser Perspektivwechsel sei wichtig: „Es macht deutlich, dass im Mittelpunkt der Seelsorge der Mensch steht.“
Wie die Erlaubnis praktisch umgesetzt wird, müsse die Zukunft zeigen
Auch Kreisdechant Norbert Hörter findet es „begrüßenswert, wenn die Kirche Menschen aus unterschiedlichen Lebenskontexten begleitet und ihnen die Segenszusage des barmherzigen Gottes zuspricht.“ Schon bisher sei er mit Menschen, die auf ihn zugekommen seien und um Gottes Segen gebeten haben, „im sogenannten Forum internum, das heißt im persönlichen Gespräch unterwegs gewesen“, so der Kreisdechant und Pfarrer von St. Laurentius in Bergisch Gladbach: „Nicht heimlich, aber vertraulich, und ich bin mit ihnen einen individuellen Weg gegangen“, bekennt er.
Wie die nun erlaubten pastoralen und auch liturgischen Begegnungen gestaltet werden, müsse die Zukunft zeigen, so Hörter. Grundsätzlich sei aber die Haltung des Dekanats Rhein-Berg und der Pfarrei St. Laurentius, dass „alle Menschen in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen willkommen sind und wir mit ihnen einen Weg gehen, so wie sie zu uns kommen“.
Altenbergs Pfarrer Thomas Taxacher kennt auch andere Erfahrungen: „In vielen Gesprächen wird mir immer wieder klar, wie viel Leid dahintersteckt“, schildert der Priester mit Blick auf homosexuelle oder geschiedene, wiederverheiratete Paare. Gerade dann, wenn sie der Kirche nahe stünden, aber wegen ihrer ganz persönlichen Lebens- und Liebesgeschichte offiziell von der Kommunion ausgeschlossen würden oder bisher als Paar nicht zur Segnung zugelassen worden seien: „Das führt zu Brüchen.“
Der Segen für den Segen aus Rom biete nun Spielräume: „Es gibt noch keine Rituale dazu, aber die kann man ja entwickeln“, so Taxacher zur praktischen Umsetzung in der Zukunft.
„Die Entscheidung war längst überfällig“
„Die Entscheidung war längst überfällig“, sagt Joachim Zöller, der bis 2006 katholischer Pfarrer in Overath war, seitdem als Diplom-Theologe, Sterbe- und Trauerbegleiter arbeitet und seit zehn Jahren mit seinem Mann Martin Herms verheiratet ist. „In der katholischen Kirche sind schon immer selbst Häuser, Tiere und Devotionalen gesegnet worden – nicht aber alle Menschen, die sich lieben.“
Die Entscheidung von Papst Franziskus habe ihn gleichwohl „äußerst überrascht“, so Zöller. „Aber auch diese Entscheidung rettet das Ansehen der katholischen Kirche nicht“, ist der Theologe überzeugt. „Das ist nur Makulatur.“
„Ein Segen in der Kirche, nicht auf irgendeinem Acker“
In seiner Zeit als katholischer Pfarrer sei der Wunsch von homosexuellen Paaren, sich segnen zu lassen, noch sehr selten gewesen. „In den 80er und auch den 90er Jahren war Homosexualität ja überhaupt noch ein heißes Blatt.“ Allein die Grünen hätten sich schon damals für eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingesetzt.
Thomas Schmitt lebt mit seinem Partner in Bergisch Gladbach und betreibt in Köln das Geschäft „Schmitt Paramente“ – das sind in Kirchen verwendete Textilien. Schmitt kann sich eine Segnung seiner Beziehung mit einem Mann vorstellen. „Allerdings in einer Kirche im Rahmen eines Gottesdienstes und nicht irgendwo auf dem Acker.“
Schmitt sieht sich als Teil der katholischen Kirche: „Diese Kirche ist meine Heimat.“ Mit der nun erlaubten Segnung fremdelt er allerdings. „Das ist angesichts des Begleittextes ein kleiner Fortschritt – und mich hat ehrlich gesagt überrascht, dass es diesen Fortschritt überhaupt gibt.“
Persönlich angesprochen von der veränderten Position des Vatikans fühlen sich Nikolaus Kleine, bekannt als Kabarettist und SPD-Politiker, und sein Ehemann Michael Kleine. Als Katholiken hätten sie sich sogleich die Frage gestellt, ob eine kirchliche Segnung für sie infrage komme, berichtet Nikolaus Kleine.
„Wir würden eine Segnung nicht wollen“
Das Ergebnis war negativ: „Wir haben gesagt, wir würden eine Segnung nicht wollen.“ Sie würden damit „Akzeptanz für die ganze Kirche“ ausdrücken – das sei aber nicht ihre Haltung. Im Gegenteil, die Identifikation mit der katholischen Kirche falle ihm „immer schwerer“.
Er stellt bei sich einen „tief verwurzelten Zwiespalt“ gegenüber der Institution Kirche und eine Distanz zu „wesentlichen“ kirchlichen Standpunkten fest. Gleichzeitig würdigt er, dass Papst Franziskus sich bewegt und gegen „Betonköpfe“ im Vatikan gestellt habe: „Durch diese Papst-Entscheidung wird es ihnen natürlich schwerer gemacht.“ Kleine begrüßt auch die „positive Signalwirkung in der Bevölkerung“.
Der Kürtener Pfarrer Harald Fischer kommentiert die Entscheidung von Papst Franziskus als „längst überfällig“. Manches komme damit aus einer Grauzone heraus. Auch für ihn sei das Wort des Papstes ein frühes Weihnachtsgeschenk.
Wie er das Spenden des Segens umsetzen werde, wisse er noch nicht. „Es soll kein Gottesdienst sein. Aber jedes Kreuzzeichen und jeder Segen ist ein Gottesdienst.“ Fischer zitiert einen Spruch des Apostels Paulus: „Wer da sät im Segen, wird auch ernten im Segen.“