Mit der Erklärung, dass Geistliche homosexuelle und unverheiratete Paare segnen dürfen, kehrt Franziskus kehrt zu den Wurzeln seines Pontifikats zurück.
Vatikan erlaubt Segnung HomosexuellerRevolution von oben
Für Jesus war die Sache noch denkbar einfach: Eure Rede sei ja, ja – nein, nein. Das hat wenig, sehr wenig zu tun mit dem katholischen Kleingedruckten, das der Vatikan seiner jüngsten Erklärung über die Segnung von Homosexuellen und wiederverheirateten Geschiedenen hat angedeihen lassen. Beim Kauf eines Hauses, eines Autos oder sonst bei der Erfüllung eines lang gehegten Wunsches kann die Lektüre des gesamten Vertragstextes einem die Freude fast schon wieder vergällen.
Ähnlich ist es mit der Neuerung aus Rom: Da ist dann davon die Rede, was bei solchen Segnungen alles nicht geht, was es dringend zu meiden und unbedingt zu unterlassen gilt – und vor allem bleibt alles, was nicht heterosexuelle Ehe ist, eine irreguläre „Situation“, welche die Kirche nicht gutheißen könne.
Allerdings ist „gutheißen“ nur das säkulare Wort für „segnen“ – und das erlaubt der Vatikan jetzt mit ausdrücklicher Zustimmung des Papstes.
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Papst Franziskus kehrt zu seinen Wurzeln zurück
Franziskus kehrt damit zu den Wurzeln seines Pontifikats zurück. Dass die Kirche sich hüten müsse, ihre pastorale Praxis auf die Festigkeit „vermeintlicher doktrineller oder disziplinarischer Sicherheit“ zu stützen, vor allem wenn das „Anlass gibt zu einem narzisstischen und autoritären Elitebewusstsein, wo man, anstatt die anderen zu evangelisieren, die anderen analysiert und bewertet, und anstatt den Zugang zur Gnade zu erleichtern, die Energien im Kontrollieren verbraucht“ – das hat der Papst schon 2013 in seiner Antritts-Enzyklika „Evangelii gaudium“ gesagt.
Was damals als ein gänzlich neuer Zungenschlag wahrgenommen und von vielen zurecht mit Erleichterung und der Hoffnung auf einen Gesinnungswandel in der katholischen Kirche begrüßt wurde, das bestimmt jetzt wieder die Perspektive.
Aus dem „Nein“ wird ein „Ja“
Noch 2021 hatte die Glaubenskongregation den anonymen Zweifel, ob Segnungen homosexueller Paare erlaubt sein könnten, mit einem so lapidaren wie brüsken „Nein“ quittiert. In der anschließend abgespulten Begründung kamen wie im Lehrbuch exakt jene Argumente vor, die dieselbe Behörde unter ihrem neuen Chef, Kardinal Victor Manuel Fernández, jetzt als Ausdruck von Kontrolletti-Mentalität, von moralischem Narzissmus und Autoritätswahn vom Tisch fegt.
Die Verfasser reklamieren ihren Text kurz vor Weihnachten als „Geschenk an das gläubige Volk“. Abgesehen von dem etwas gönnerhaft-onkeligen Habitus, haben Sie damit schon recht. In Köln wird Kardinal Rainer Woelki die Seelsorgerinnen und Seelsorger nicht mehr schurigeln können, wenn sie schwule und lesbische Paare segnen. Und hinter seine Beteuerungen, dass doch auch er die Bedürfnisse der Menschen verstehe und das pastorale Anliegen teile, kommt Woelki künftig doktrinär nicht mehr zurück.
Auch deshalb gilt für diese Botschaft aus Rom ausnahmsweise: Auf die Hauptsätze kommt es an, auf das Fettgedruckte. Da ist aus dem „Nein“ von 2021 knapp drei Jahre später ein „Ja“ geworden. Im katholischen Binnenkosmos ist das tatsächlich ein Stück Revolution von oben. Und das Kleingedruckte ist das Futter für die Kleingeister.