Nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle standen die Reha-Betriebe Erftland vor einigen Jahren massiv in der Kritik. Nun haben sie neue Strukturen geschaffen.
Nach Missbrauchs-VorwürfenReha-Betriebe im Rhein-Erft-Kreis arbeiten weiter an Umstrukturierung
Die Reha-Betriebe Erftland haben sich auf der Leitungsebene weitgehend neu sortiert. Durch die Entflechtung der Gremien soll ein besseres Controlling, aber auch eine veränderte Ausrichtung die Betriebsstätten für die Zukunft fit machen.
Die Gesellschaft setzt damit eine Umstrukturierung fort, die auch politisch gefordert worden war: In der Behindertenwerkstatt in Brühl soll 2018 ein Betreuer eine Behinderte sexuell missbraucht haben, in der Werkstatt in Bergheim soll ein Behinderter von zwei Mitarbeiterinnen unzulässig fixiert worden sein.
Kreistag forderte eine stärkere Kontrolle von Behindertenwerkstätten
Nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle standen die Reha-Betriebe massiv in der Kritik – auch wegen Problemen mit dem Arbeitsschutz, mangelnder Kontrollmöglichkeiten und Intransparenz bei der Trägergesellschaft. Der Kreistag wandte sich mit einer Resolution an das Land NRW und forderte eine stärkere Kontrolle von Behindertenwerkstätten, die inzwischen durch den Landschaftsverband Rheinland gegeben ist.
Der Verwaltungsrat der Reha-Betriebe, aus nur zwei Personen aus dem Innenleben der gemeinnützigen GmbH bestehend, wurde jetzt ersetzt durch einen zurzeit siebenköpfigen Aufsichtsrat. Hier haben nun externe, auf drei Jahre gewählte Fachleute, aber auch Eltern- und Angehörigenvertreter Sitz und Stimme. Vorsitzender ist Horst Baxpehler, vertreten durch Regina Ravenstein aus der Elternschaft. Schon vor zweieinhalb Jahren wurde Geschäftsführerin Stefanie Christes Teil der neu besetzten Geschäftsleitung.
„Die neue Konstruktion soll gemäß ebenfalls neuem Gesellschaftervertrag zur Entflechtung, Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der Ebene zwischen dem Vorstand und Geschäftsführung dienen“, sagt Baxpehler. Auch der Vorstand wurde vor gut einem Jahr komplett erneuert. „Daneben wollen wir uns öffnen, auch um neue Auftraggeberkreise besser zu erreichen“, so Baxpehler.
Offene Türen sollen für mehr Verbindung nach außen sorgen
„Wir haben schon jetzt neue Kooperationspartner gefunden“, sagt Christes. Und auch ein Sommerfest, zunächst mit Werkstattbeschäftigten, Angehörigen und Personal, hat es bereits gegeben. Offene Türen sollen für noch mehr Verbindung nach außen sorgen. „Dabei steht die Teilhabe im Fokus, die Fähigkeiten der Beschäftigten werden bei den Tätigkeiten besonders berücksichtigt und die Arbeitsfelder mit komplexen und leichteren Tätigkeiten stets angepasst.“
Zu den Reha-Betrieben gehört seit 1977 nach Vorläufern in Kerpen und Bedburg-Kirdorf der Standort Bergheim-Zieverich, außerdem seit 1990 ein weiterer Standort in Brühl-Vochem. Insgesamt sind rund 850 Menschen mit Behinderung tätig, außerdem 200 Personen aus dem pädagogisch und handwerklich anleitenden Bereich.
Die Tätigkeiten erfordern viel Handarbeit. So werden zum Beispiel Zuckerpakete für die Abnehmer umgepackt, Tankdeckel zusammengebaut, Bücherdisplays zusammengestellt, Etikettierungen vorgenommen oder Waren foliert.
Die Reha-Betriebe sehen sich als „hochwertigen Dienstleister für Wirtschaftsunternehmen“. Die fachlich-pädagogische Seite wird vom Landschaftsverband finanziert, Werkstattbeschäftigte erwirtschaften ihr Entgelt weitgehend selbst. „Da ist im Auftragsvolumen noch Luft nach oben“, sagt Christes. Auch da soll die Öffnung für Anschub sorgen. „Wir wollen die Teilhabe qualifizierter aufstellen, die Lebenshilfe leben“, ist die einhellige Direktive.
„Die Öffnung wird von den Werkstatt-Beschäftigten positiv angenommen“, betont Christes. Die Beschäftigten seien keineswegs verängstigt, dass ihr Arbeitsumfeld transparenter werde, betont Mario Maassen, Vorsitzender des betriebsratsähnlichen Werkstattrats, mit nach oben zeigendem Daumen. „Die Neuausrichtung geht nicht von heute auf morgen. Das ist ein längerer Prozess“, räumt Christes ein.
„Ich sehe, dass die Misswirtschaft langsam beendet wird“, sagt auf Nachfrage Willi Zylajew, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Kreistag. Er bedauert, dass übergeordnete Verbände „mangels Selbstreinigungskräften nichts zum Umsteuern beigetragen“ hätten. Er werde jetzt nach erkennbar guten Ansätzen weiterhin beobachten, ob die staatlichen Mittel „nun besser eingesetzt“ würden.