„Zieht euch warm an, es wird heiß“Star-Meteorologe warnt in Bergheim vor Klimawandel
Bergheim – Dem Wald geht es nicht gut. Dürre, Borkenkäfer und andere Schädlinge setzten ihm in den zurückliegenden Jahren, sichtbar für jeden, der die Augen in der Natur offen hält, zu. Die Antwort der Forstwirtschaft heißt Dauerwald, die Antwort von Gastredner Sven Plöger heißt Klimaschutz. Die dreitägige Bundestagung der „Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft“ (ANW) machte deutlich, dass beides zusammenpasst.
Rund 250 Waldbesitzerinnen und -besitzer, Försterinnen und Förster waren samt Dutzenden Hunden ins Medio gekommen, „erfreulicherweise auch Hochschulgruppen, die unsere Arbeit begleiten“, freute sich der ANW-Bundesvorsitzende Hans von der Goltz.
Dauerwald als ökologische und ökonomische Lösung?
„Gegen flächige Waldverluste und riesige Kalamitätsflächen“ führte er Dauerwald als ökologische und wirtschaftliche Lösung an. Mischkulturen in Bezug auf Sorte und Alter sollen durch selektive Holzernte Kahlschläge verhindern. Dazu soll „die nächste Baumgeneration resilienter werden“, sagt von der Goltz. Neben den klimatischen Bedingungen ist das hohe Schalenwild-Aufkommen von den Forstleuten als Ursache ausgemacht. Dam-, Rot- und Rehwild fräßen rund 80 Prozent der neu gepflanzten Gehölze ab, was das stetige Wachstum im Dauerwald verhindere. Dagegen sei ein neues Jagdgesetz seitens der Politik dringend erforderlich.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner versicherte per Videoschalte, sie stehe an der Seite der Forstleute, ebenso Landes-Staatssekretär Heinrich Bottermann und Georg Schirmbeck, Präsident des deutschen Forstwirtschaftsrats, der sehr emotional auf die Novelle des Jagdrechts pochte. „Unsere Neupflanzungen sind schließlich keine Futteraktion für überzähliges Wild“, schimpfte er.
Hochwasser neunmal wahrscheinlicher als vor 30 Jahren
Landrat Frank Rock berichtete in einem Grußwort, der Kreis habe lediglich zwölf Prozent Waldfläche, weil Energiewirtschaft und landwirtschaftliche Nutzung der guten Böden 45 Prozent des Waldes im vergangenen Jahrhundert verdrängt hätten. Bergheims Bürgermeister Volker Mießeler verwies auf Klimathemen „als Dauergäste im Stadtrat“ und ein Waldvermehrungsprogramm, das für Bergheim bereits 16 Prozent ausweise.
Fernseh-Meteorologe Sven Plöger warnte in einem einstündigen – sowohl geboten ernsten als auch unterhaltsamen – Vortrag: „Zieht euch warm an, es wird heiß!“ Ereignisse wie das Julihochwasser, das er im übrigen vorausgesagt habe, seien heute bis zu neun Mal wahrscheinlicher als in den zurückliegenden 30 Jahren.
Naturkreisläufe laufen aus dem Ruder
Ein ganzes Bündel von Ursachen, die miteinander zusammenhängen, listete er auf: Die Polkappen schmelzen, dadurch wird die Sonne weniger reflektiert und das Wasser erwärmt sich. Der Jetstream, das globale Starkwindband, lässt nach, weil die Differenz zwischen den Temperaturen an Pol und Äquator sinkt. Wetterphänomene bleiben lange ortsfest und sorgen für Dürre und Überflutung.
„In der letzten Eiszeit vor 11.000 Jahren waren alle Alpentäler voller Eis, nur die Bergspitzen schauten heraus. So sehr verändert der Temperaturunterschied von nur vier Grad das Aussehen unserer Erde“, machte Plöger deutlich. „Wir lassen die Naturkreisläufe aus dem Ruder laufen“, fand er die Ursache bei den Menschen. Und er philosophierte nachdenklich über „kognitive Dissonanz“: Das Klimaproblem sei bekannt, „aber trotzdem fliegen die Menschen in Urlaub, fahren SUV und produzieren Plastikmüll“.
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Als Lösung bot er unter großem Applaus an: „Wer die Umwelt sauber hält, muss reicher werden können, als der, der sie verschmutzt. Das würde viele Probleme einfach lösen.“ Eine Alternative wäre die Anpflanzung von 900 Millionen Hektar Wald, entsprechend der Fläche der USA oder 25 Mal Deutschlands. Der Wald kühle, speichere Wasser und baue Kohlendioxid ab. Ihm komme die Rolle des „grünen Beatmungsgerätes“ zu. So könne das Klimaziel von 1,5 Grad vielleicht noch erreicht werden. „Die Fläche ist natürlich unrealistisch. Jeder Einzelne muss etwas tun. Aber das ist das schwerste“, spornte er an. „Der Planet braucht uns nicht, wir aber ihn.“
Nach dem Symposium im Medio waren die Teilnehmer der Tagung zwei Tage lang auf Exkursionen durch das Revier mit Schwerpunkt auf den Tagebau-Rekultivierungslandschaften.