Flörke Fertig spricht über ihr Engagement bei der Brühler Fridays-for-Future-Gruppe.
Unter anderem geht es um ein neues System, das die Gruppe in Brühl etablieren wollte.
Die Stadt lehnte ihre Unterstützung jedoch ab.
Brühl – Trockenheit, Überflutungen, Waldbrände und Starkregen, kurz gesagt Extremwetter. Das Thema ist überall, nicht zuletzt nach den verheerenden Fluten in großen Teilen des Landes, bei denen im Rhein-Erft-Kreis vor allem Erftstadt und Wesseling schwer getroffen wurden. Jetzt hat auch der Weltklimarat IPCC in seinem jüngsten Bericht davor gewarnt, dass die Erderwärmung um 1,5 Grad bereits 2030 statt 2040 erreicht sein könnte. Flörke Fertig (16), Mitglied der Brühler Fridays-for-Future-Ortsgruppe findet, dass solche Warnungen längst überfällig sind. Mit ihr sprach Anica Tischler.
Welche sind die größten Themen mit Fokus Klimawandel und Klimaschutz in Brühl?
Flörke Fertig: Sehr lange war die drohende Versiegelung der Kaltluftschneise in Brühl-West beim Heider Bergsee ein Thema. Da waren wir bereits erfolgreich, gemeinsam mit vielen anderen Gruppen und Vereinigungen wie den „Parents for Future“, der Brühler Initiative für Völkerverständigung oder dem Bündnis solidarisches Brühl. Die Fläche wird nun nicht versiegelt. Weitere wichtige Themen sind die Erweiterung des Phantasialands und eine bienenfreundlichere Innenstadt. Unser großes Vorhaben ist es, ein allgemeines Pfandsystem mit Mehrweg-Geschirr in der Gastronomie zu etablieren.
Das Pfandsystem, mit dem wir arbeiten wollen, heißt „Recup“. Dabei gibt es zum Beispiel Becher und Schüsseln, die man nutzen kann, wenn man Essen to-go bestellt oder liefern lässt. Für einen Euro oder 1,50 Euro als Pfand bekommt man das Essen in nachhaltig produzierten Schalen und Bechern, die man bei allen teilnehmenden Gastronomiebetrieben später wieder abgeben kann. Das Mäx [ein Café in Brühl, die Redaktion] nutzt Recup bereits, und so sind wir auch darauf gekommen. Ich kann mir dann zum Beispiel in der Innenstadt einen Kaffee kaufen und auf dem Weg zum Bahnhof austrinken. Dort gebe ich den Becher im Wirtshaus gemütlich wieder ab und habe keinen Müll produziert. Das ist doch super!
Was macht ihr, um das System in Brühl etablieren?
Vor allem machen wir Werbung dafür bei den Gastronomien. Wir haben Flyer gedruckt, legen sie aus und versuchen, die Betriebe zu überzeugen, für Lieferungen Recup zu benutzen. Die meisten, mit denen wir bisher gesprochen haben, finden das auch klasse und würden gerne mitmachen. Die Leute klimatechnisch zu überzeugen, ist also gar nicht so schwer. Das Problem ist nur, dass viele wohl gerade jetzt nach den ganzen Lockdowns nicht das Geld haben, um da mitzumachen.
Zur Person
Flörke Fertig ist 16 Jahre alt, lebt in Brühl und besucht dort die Gesamtschule. Beruflich möchte sie Sonderpädagogik auf Lehramt studieren und in einer Klinikschule arbeiten. Zum ersten Mal war sie mit 13 Jahren auf einer Klimaschutzdemo in Köln. Später stieß sie auf den Instagram Kanal der Brühler Ortsgruppe von „Fridays for Future“, seit Sommer 2019 ist sie Teil der Gruppierung. Sie beschäftigt sie sich gerne mit Lesen und Schreiben, ist Pfadfinderin bei den Wildkatzen in Brühl-Heide und spielt Cello. (at)
Was müssen die Gastronomen denn zahlen?
Sie zahlen, soweit ich weiß, den Anschaffungspreis für das Geschirr. Und dann einen monatlichen Systembeitrag. Das Pfand läuft ja dann einfach als Kreislauf mit. Wir haben über das Projekt auch schon Gespräche mit der Stadtverwaltung und dem Bürgermeister geführt und uns wurde finanzielle Unterstützung angeboten. Es hieß, die Stadt würde prüfen, ob sie die Gastro finanziell bei der Anschaffung mitunterstützt, da das ja auch ein langfristig nachhaltiges Projekt sein kann. Aber diese Unterstützung wurde nun abgelehnt, weil die Stadt damit in den Wettbewerb eingreifen würde, hat man mir mitgeteilt. Darüber bin ich schon sehr enttäuscht, ich habe mir mehr erhofft.
Aber ihr macht weiter?
Natürlich! Wir bleiben weiter aktiv und versuchen, unsere Themen den Menschen nahezubringen. Klar sind wir eine relativ kleine Gruppe, aber Brühl ist ja auch eine Kleinstadt. Da würde es sich zum Beispiel nicht lohnen, jeden Freitag zu demonstrieren. Lieber sprechen wir die Menschen direkt an, informieren sie und versuchen natürlich, die Stadt an sich nachhaltiger zu machen. Dabei werden wir ja auch von den Parents und anderen Brühler Aktionsbündnissen unterstützt.
Die Frage ist eigentlich absurd, denn ich finde, das sollte inzwischen selbstverständlich sein. Warum ich dabei bleibe? Zum Beispiel, weil wir hier vor den Überflutungen sitzen. Der Klimawandel ist hier. Und es macht mich sehr sehr wütend, wenn Leute immer noch behaupten, solche Extremwettersituationen liegen nicht am Klimawandel. Das Thema muss endlich ernstgenommen werden! Menschen sterben jetzt schon deswegen. Ich weiß einfach nicht, warum nicht schon viel mehr dagegen unternommen wird. Jeder kann etwas tun, natürlich in unterschiedlichen Maßen, allen voran die Stadt.