Teile der Brühler Erich-Kästner-Schule ziehen in eine schmucklose Villa um.
Das Gebäude an der Auguste-Viktoria-Straße diente jahrzehntelang als Dependance des Energieriesen RWE.
Warum der Umzug nötig ist und was die Verantwortlichen der Schule dazu sagen.
Brühl – Noch vollzieht sich der Wandel im Detail. Vor den einstigen RWE-Gebäuden an der Auguste-Viktoria-Straße wurden die Schilder mit dem Firmenlogo demontiert und das einstige Pförtnerhäuschen abgebrochen. Ansonsten herrschten in den vergangenen Monaten Ruhe und Stillstand in der gründerzeitlichen Villa mit ihren großen An- und Nebenbauten.
Jahrzehntelang unterhielt dort der Energiekonzern aus Essen eine Dependance. In den Gebäuden arbeiteten Mitarbeiter der Verwaltung und später auch die eines Callcenters. „Zudem wurden von hier die Fernleitungen geschaltet“, sagt Steffen Hahn vom Brühler Stadtservicebetrieb. Er kennt sich inzwischen gut aus. Denn die Stadt hat einen Teil des Geländes samt Villa und Anbau von RWE erworben, um sie aus dem Dornröschenschlaf zu wecken und vorübergehend der Erich-Kästner-Realschule zur Verfügung zu stellen.
Geeignete Räume dringend benötigt
Die Schule mit ihren 435 Schülerinnen Schülern und 38 Lehrkräften benötigt dringend geeignete Räume. Denn der Schulaltbau wurde 2017 aufgrund einer Schadstoffbelastung gesperrt, und seitdem findet ein Großteil des Unterrichts in wenig komfortablen Containern statt. Eine Sanierung des Gebäudes ist längst vom Tisch. Abbruch und Neubau sind beschlossene Sache. Doch das wird dauern. „Wir hoffen, dass wir den den Neubau von Sommer 2023 an nutzen können“, sagt Gerd Schiffer, der Technische Beigeordnete der Stadt.
Bis dahin sollen nur die Fünft- und Sechstklässler am bisherigen Standort unterrichtet werden. Dafür reicht der nicht von Schadstoffen belastete Teil des Gebäudes aus. Die älteren Jugendlichen sollen an der Auguste-Viktoria-Straße eine neue Bleibe finden und lediglich zum Mittagessen und Sportunterricht die Mensa und Turnhalle in den gewohnten, etwa 500 Metern entfernten Schulgebäuden aufsuchen.
Das Gebäude
In den Jahren 1912/13 wurde die Villa an der Auguste-Viktoria-Straße, die RWE jahrzehntelang als Verwaltungsgebäude nutzte, nach den Plänen des Brühler Architekten Josef Blied errichtet. Kurz zuvor hatte das Energieunternehmen das Brühler Elektrizitätswerk Berggeist übernommen. 1926 und 1955 wurde das Gebäude um rückwärtige Anbauten erweitert. Das Mansarddach des ursprünglichen Baus schmückt ein Belvedere mit einer Zierbalustrade. Das Vordach über der zweiläufigen Freitreppe zum Haupteingang ist mit einem Blitz-Emblem versehen, das die Elektrizität symbolisiert. Neben dem zentralen Flur über dem Eingang befand sich das Büro des Direktors, an dem alle Mitarbeiter auf dem Weg in ihre Arbeitszimmer vorbeigehen mussten. (wok)
Das Ausweichquartier, dessen Kaufpreis nicht öffentlich bekannt ist, wird durchaus schmuck. Im Innern zeugt noch einiges von der einstigen Nutzung durch den Energiekonzern. Im Flur erinnert eine Gedenktafel an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Angehörigen des einstigen Elektrizitätswerks Berggeist, über dem Eingang befindet sich ein Bleiglasfenster, das eine Kraft symbolisierende Figur, Dynamo und das Leitungsnetz zwischen Brühl und Köln zeigt, und die schönen Fliesen an Wänden und Boden deuten darauf hin, dass auch schon Anfang des 20. Jahrhunderts mit Strom gutes Geld verdient wurde.
Beim Brandschutz noch viel zu tun
Bis die Realschulkinder diese Relikte der Vergangenheit zu sehen bekommen, muss eine Menge Arbeit erledigt werden. „Vor allem das Thema Brandschutz wird uns beschäftigen“, sagt Steffen Hahn. Eine moderne Brandmeldeanlage muss installiert, Türen müssen ausgetauscht werden. Außerdem sind viele Flure in dem großenteils dreigeschossigen Bau zu eng, um als Fluchtwege zu taugen. Man werde einige Wände versetzen müssen, um die Gänge verbreitern zu können, sagt Hahn. Die meisten seien glücklicherweise Leichtbauwände. Auch eine weitere Toilettenanlage müsse her.
„Der Zeitplan ist ambitioniert“, sagt Hahn. Anfang November soll es losgehen und Ostern kommenden Jahres fertig sein. 1,6 Millionen Euro sind inklusive eines Puffers für mögliche Mehrausgaben eingeplant, um das rund 4000 Quadratmeter umfassende denkmalgeschützte Gebäude auf Vordermann zu bringen. Klassenzimmer, Fachräume und Büros soll es dort geben. Grundsätzlich profitiere man von einem guten Zustand des Baus. „Wichtig ist auch, dass die Gutachter keine Schadstoffe gefunden haben“, sagt Gerd Schiffer.
Der übrige Teil des Areals zwischen Auguste-Viktoria-, Kaiser- und Römerstraße wird sich ebenfalls verändern. Ein Bebauungsplan sei bereits im Entwurf vorhanden, sagt Schiffer. Dieser sehe die Errichtung von Wohnhäusern vor. RWE wolle bald in die Vermarktung des Geländes gehen. In zwei, drei Jahren könnten laut dem Technischen Beigeordneten die Bagger anrollen.