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Diskussion zur Energiewende„Ein gleichzeitiger Ausstieg ist nicht möglich”

Lesezeit 6 Minuten

Guido van den Berg (SPD, links) und Gregor Golland (CDU) trafen sich zum Sommergespräch mit unserer Zeitung am Forum Terra Nova in Elsdorf.

Die Diskussion um die Energiewende spitzt sich zu, 2017 sind Landtags- und Bundestagswahlen. Themen für ein Interview mit den Landtagsabgeordneten und Kreisparteichefs Gregor Golland (CDU) und Guido van den Berg (SPD). Mit ihnen sprachen Bernd Rupprecht und Manfred Funken.

Sie sind frisch aus den Ferien zurück. Sind die Akkus aufgeladen für bevorstehende Herausforderungen?

Van den Berg: Ich habe beim Urlaub in Kärnten zunächst einmal dafür gesorgt, dass alle Akkus leer waren. Kein Handy, kein Tablet, kein Internet. Das hat meiner Familie und mir gutgetan.

Golland: Drei Wochen Urlaub mit der Familie in Kroatien waren mir wichtig. Ich habe nur den nötigsten Kontakt mit meinem Büro gehalten und die Zeit mit meiner Frau und den Kindern genossen.

Wieder hier, geraten Sie mitten hinein in das Klimacamp. Ist der Konflikt zwischen Gegnern und Befürwortern der Braunkohle zu lösen?

Golland: Von den Aktivisten, die gewaltbereit sind, nicht. Die müssen mit aller Konsequenz strafrechtlich verfolgt werden. Die friedlichen Demonstranten fordere ich auf, sich von den gewaltbereiten zu distanzieren. Allen muss gesagt werden, dass der gleichzeitige Ausstieg aus der Atomenergie und der Braunkohle nicht möglich ist. Deshalb bleibt es bei der genehmigten Förderung bis 2045.

Van den Berg: Eigentlich sind wir längst über den Stand der Diskussion im Klimacamp hinaus. Die Energiewende ist beschlossen. Bis 2022 erfolgt der Atomausstieg, fünf Braunkohlekraftwerke werden stillgelegt. Bis 2030 werden hier statt 100 Millionen Tonnen Braunkohle nur noch 60 Millionen gefördert. Das bedeutet 40 Prozent CO2 -Einsparungen im Revier.

Spricht nicht doch einiges dafür, dass der Ausstieg aus der Braunkohle schneller gelingen müsste?

Van den Berg: Bis 2050 sollen 80 bis 90 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren generiert werden. Da stellt sich die Frage, wie Versorgungssicherheit zu gewährleisten ist. Bei einem früheren Ausstieg würden wir den Industriestandort und den Wohlstand der Menschen gefährden. Welches andere Land würde solchem Beispiel folgen?

Golland: Arbeitsplätze gingen verloren und der Region würde die Grundlage des Wohlstands entzogen. Zudem wären Abhängigkeiten von russischem Gas unvermeidbar. Nein, der Weg, den wir eingeschlagen haben, ist schon sehr ambitioniert. Wie Kollege van den Berg sagt, andere Länder werden nur mitziehen, wenn Deutschland als Industriestaat mit der Energiewende erfolgreich ist.

Unterdessen trennt RWE das zukunftsorientierte Geschäft vom herkömmlichen. Besteht die Gefahr, dass der Steuerzahler für Nachsorge und Rückbau der Atomkraftwerke sowie für die Rekultivierung der Tagebaue aufkommen muss?

van den Berg: Die Gefahr besteht. Es gibt aber auch Leute, die uns da hineintreiben wollen. Am Ende würde dann der Steuerzahler die Kosten für die Wiederherstellung der Landschaft und soziale Verwerfungen tragen. Ich halte es für besser, die Tagebaue planvoll zu Ende zu führen und das Unternehmen nicht aus seiner Verpflichtung zu entlassen.

Golland: Wer will, dass die Kuh noch Milch gibt, darf sie nicht erwürgen.

Glauben Sie, dass RWE noch in BoAplus investieren wird?

Golland: Das entscheidet das Unternehmen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Wenn es sich rechnet, wird es gemacht. Und für das Klima wäre es natürlich besser, wenn der Strom in einer neuen Anlage erzeugt würde.

Van den Berg: Wenn man bis 2045 Braunkohle fördern will, muss man über Innovationen nachdenken. BoAplus ist da eine Option, eine andere ist die stoffliche Nutzung der Kohle. Nach dem Atomausstieg wird sich zeigen, ob die wirtschaftlichen Bedingungen solche Investitionen ermöglichen.

Jüngste Umfragen sehen keine Mehrheit für Rot-Grün in NRW…

van den Berg: Umfragen sind Momentaufnahmen. Die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz zeigt, wie Vorhersagen danebenliegen können.

Golland: Die CDU hat gute Chancen, stärkste Fraktion zu werden. Die Bilanz der Landesregierung bei Bildung, Wirtschaft und Sicherheit ist schwach. Und Hannelore Kraft wirkt ausgebrannt.

Van den Berg: Das ist Polemik.

Golland: Dass wir uns an der Stelle nicht einig sind, ist doch klar.

Es sieht nicht so aus, als könne weiter eine große Partei mit einem kleinen Partner regieren. Was halten Sie von einer großen Koalition?

Van den Berg: Ich bin kein Freund davon. Die Leute wollen eine Alternative haben.

Golland: Solche Überlegungen stellt man erst nach einer Wahl an.

Im Land herrscht Rot-Grün, im Kreistag haben CDU, FDP und Grüne das Sagen …

Van den Berg: Im Land finden wir Kompromisse, im Kreis besteht bei wichtigen Themen eher Stillstand, der Ausbau des Godorfer Hafens etwa wird blockiert.

Golland: Wir bieten den Bürgern mit dieser breiten Aufstellung verlässliche Politik und stellen seit fast 17 Jahren den Landrat. Die Zusammenarbeit mit FDP und Grünen im Kreis ist fruchtbar und harmonisch.

Van den Berg: Bei Verkehr, Energiepolitik und Flächenmanagement verhindern die Grünen klare Positionen.

Golland: Der grüne Umweltminister Johannes Remmel führt die SPD in Sachen Phantasialand am Nasenring vor, obwohl politisch ein Kompromiss erzielt wurde. Eine unerträgliche Hängepartie zulasten des Unternehmens. Wir müssen schnellstens zur Umsetzung kommen.

Van den Berg: Ja, aber schon die Rüttgers-Regierung mit CDU-Umweltminister Eckhard Uhlenberg hat sich geweigert, Landeswald für Karussells zu verkaufen. Ich verstehe, dass sich ein grüner Minister da schwertut. Dennoch arbeiten wir an einer Lösung.

Wie stehen Sie zu Merkels Satz „Wir schaffen das“?

Golland: Durch ein starkes Engagement der Menschen vor Ort sind wir da gut unterwegs. Dank an all die Kommunalbeamten und Ehrenamtlichen, die das ermöglicht haben. Aber jetzt muss die Frage beantwortet werden „Wie schaffen wir das?“ Die Regelung mit der Türkei ist auf Dauer nicht tragfähig. Die EU muss eigene Lösungen anbieten. Es muss klar sein, dass nur willkommen sein kann, wer bereit ist, sich zu integrieren. Vollverschleierung beispielsweise gehört nicht in unser Land.

Van den Berg: Dem Dank an die Helfer schließe ich mich an. Merkels Satz ist gefährlich, weil er das Wie nicht beantwortet und den Rechtspopulisten Vorschub leistet. Die Vereinbarung mit der Türkei ist brisant: Man darf sich nicht von Erdogan allein abhängig machen!

Gregor Golland (CDU) ist 41 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Er lebt mit seiner Familie in Brühl. Der Union gehört Golland seit 1990 an, seit 2009 ist er Kreisvorsitzender der CDU Rhein-Erft. Dem Landtag gehört der Diplom-Kaufmann, der in Teilzeit bei der RWE GBS GmbH beschäftigt ist, seit 2010 an. Im Kreistag sitzt Golland seit 2004 und ist dort seit 2014 stellvertretender Fraktionsvorsitzender.

Guido van den Berg ist 41 Jahre alt, verheiratet, hat zwei Kinder und lebt mit seiner Familie in Bedburg. Das Parteibuch der SPD besitzt er seit 1992. Seit 2003 ist er Kreisvorsitzender der SPD Rhein-Erft. Der Diplom-Sozialwissenschaftler war persönlicher Referent von Franz Müntefering. Dem Landtag gehört er seit 2012 an. Sein Kreistagsmandat erhielt er 1999, seit 2014 ist er stellvertretender Landrat.