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„Wir machen das mit Ehrfurcht“Bagger legen Stollen des früheren Bergwerks im Tagebau Hambach frei

Lesezeit 3 Minuten
Auf dem Foto ist ein Stollen zu sehen.

Könnte im Ruhrgebiet sein, befindet sich aber im Rheinischen Revier im Tagebau.

Von 1941 bis 1955 haben Bergleute getestet, ob sich ein Untertageabbau der Braunkohle lohnt. Stollen sollen nachgebaut werden.

Wie riesige Würmer ziehen sie sich mitten durch die schwarzen Kohle, unten auf der sechsten von sieben Sohlen im Tagebau Hambach: Bagger von RWE haben die Stollen des früheren Bergwerks Union 103 freigelegt. Von 1941 bis 1955 haben Bergleute hier getestet, ob sich ein Untertageabbau der Braunkohle lohnt. Nun liegt offen, was sich jahrzehntelang 300 Meter tief unter der Erde befand.

Guido Papenfuß ist Schichtleiter Sonderbetriebe im Tagebau und mit der Freilegung der vier Stollen befasst. „Wir machen das mit Ehrfurcht“, sagt Papenfuß. Die Bergleute von damals hätten die Gänge, Strecken genannt, von Hand in das Erdreich getrieben. „Die Kohle haben sie mit Hacke und Lore gewonnen. Die Jungs haben wirklich geknüppelt.“ Das bestätigt auch Steiger Stefan Hamacher: „Alle Stahlbögen wurden von Hand verschraubt – damals gab es noch keine Akkuschrauber.“

Gänge sind noch standfest und an vielen Stellen begehbar

Gebaut worden seien die Strecken mit ungeheurer Präzision. Alte Pläne gäben die unterirdischen Anlagen auf den Zentimeter genau wieder – obwohl damals satellitengestützte Vermessungssysteme fehlten. Bei Probebohrungen nach den Plänen stoße man exakt auf die angegebenen Stollen.

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Die Gänge sind noch heute standfest und an vielen Stellen begehbar. Die Erbauer haben damals 50.000 Kubikmeter Beton und mehr als 10.000 Tonnen Stahl und Gusseisen in die Tiefe geschafft. Kohleeinbrüche in die Stollen gibt es vor allem dort, wo Bagger beim Freilegen die Betondecken beschädigen.

Das Schwarz-Weiß-Foto zeigt Bergleute unter Tage.

Die Kohle wurde früher von Hand unter Tage abgebaut und mit Loren abtransportiert.

Zwei Schächte führten bei Morschenich rund 300 Meter tief in die Erde, das Netz der Strecken unter Tage ist rund elf Kilometer lang. Schon seit 2011 werden die Schächte bei Morschenich Stück für Stück von oben weggebaggert. Ende 2013 haben die heranrückenden Schaufelradbagger auch die erste Strecke erreicht, die 2,2 Kilometer von den Einstiegsschächten entfernt war und mitten im Kohleflöz lag.

Nach und nach entfernt werden eine Kohlenzugstrecke, über die die vollen Loren abgefahren wurden, eine Leerzugstrecke, mit der die leeren Loren wieder „vor Ort“ gefahren werden konnten, wie es in der Sprache der Bergleute heißt, und eine Wasserstrecke. „Dieser Stollen lag etwas tiefer“, sagt Ingenieurin Natalie Drießen. „Hier lief das Wasser ab, damit die Bergleute trockenen Fußes die Kohle abbauen konnten.“ Ein sogenannter Blindort, der nur etwa zwei Meter hoch ist, war offenbar schon früh von den Bergleuten aufgegeben und nicht weiter genutzt worden.

Auf dem Foto sind RWE-Arbeiter neben einem der freigelegten Stollen zu sehen.

Im Tagebau Hambach legen Bagger das alte Versuchsbergwerk Union 103 frei.

Ursprünglich war geplant, Schächte und Strecken bis 2026 komplett abzubauen, damit die Schaufelradbagger ohne Hindernisse Kohle abbauen können. „Aber weil der verbliebene Hambacher Forst nun doch nicht abgebaggert wird, bleibt auch ein Teil des Bergwerks bestehen“, sagt Natalie Drießen. Begehbar werden die Gänge allerdings nicht mehr sein. Sie sollen mit Beton verfüllt werden, damit niemand auf die Idee kommt, in den langen Stollen nach dem Wiederanstieg des Grundwassers Höhlentauchen zu üben.

Besucht werden können die Stollen dennoch – allerdings an einem anderen Ort. Im Bergbaumuseum der Grube Adolf in Merkstein bei Herzogenrath werden kurze Strecken mit den originalen Stahlbögen wieder aufgebaut.


Die Tiefbaugrube Union 103, ähnlich der Donatusgrube in Erftstadt, ist nie über den Status einer Versuchsschachtanlage hinausgekommen. Kohle für die Verstromung haben die Bergleute hier nie im großen Umfang gewonnen.

Unter dem Druck der Nationalsozialisten, die energiepolitisch unabhängig sein wollten, hatten mehrere Bergwerksunternehmen 1939 die Rheinische Braunkohlentiefbaugesellschaft gegründet. Sie wollte tief unter dem Hambacher Forst testen, ob sich ein Tieftagebau lohnt. 1941 begannen die Arbeiten am ersten Schacht.

Die unterirdischen Gänge waren in der Regel drei Meter breit und 3,5 Meter hoch. Weil immer wieder Wasser einbrach und der Abbau sich nicht lohnte, wurde die Grube 1955 wieder geschlossen. (dv)