Keine Gottesdienste mehr in OberembtEvangelische Kirche wird nach 60 Jahren entwidmet
Elsdorf-Oberembt – Die Aussiedler kamen in den 50er-Jahren ohne viel Gepäck, aber mit viel Tatendrang nach Oberembt. Nachdem sie ein Dach über dem Kopf hatten, machten sich die sämtlich evangelischen Christen im fast rein katholischen Embeland 1960 an den Bau eines Gemeindesaals. 60 Jahre später wird die Gottesdienststätte jetzt aufgegeben. Im Herbst wird die Kirche entwidmet.
„Die Besucherzahlen sind seit Jahren rückläufig“, sagt Pfarrerin Anne Mischnick. Schon vor zehn Jahren beim 50-jährigen Bestehen der Kirche schrieb das damalige Pfarrerehepaar Jutta und Johannes Grashoff in der Festschrift, dass „zunehmend die Stühle leer“ blieben und die Gedanken an einen Verkauf „immer lauter“ würden.
Zu Pfingsten sollte es den letzten Gottesdienst geben
Jetzt hat die Landeskirche in Abstimmung mit der Kirchengemeinde Kirchherten, zu der neben Oberembt auch Titz gehört, die Entwidmung beschlossen. Superintendent Dietrich Denker vom Kirchenkreis Gladbach-Neuss hatte sich für Pfingsten zum letzten Gottesdienst am Finkelbach angesagt. Jetzt wurde die traurige Feier auf den Herbst verschoben.
Gottesdienste wird es nicht geben bis dahin. Alle drei Wochen, im Wechsel mit Kirchherten und Titz, fand bis Mitte März ein Gottesdienst statt. Jetzt findet wöchentlich einer in Titz statt, weil die Gebäude in Oberembt und Kirchherten zu klein sind für die Einhaltung der Abstandsregeln. Die nächste liturgische Feier in Oberembt wird also auch die letzte sein.
Jeder musste Geld für einen Stuhl spenden
In der 50er-Jahren kamen 18 Familien aus den ehemals deutschen Ostgebieten nach Oberembt. Die evangelische Kirche hatte nördlich des Finkelbachs Land gekauft und an die Familien erbverpachtet. Im Broich und Auf dem Weihberg ließen sich die Neu-Rheinländer nieder.
Schon bald begannen die Christen mit dem Bau ihres Gemeindesaals. Im September 1960 konnte Pfarrer Ulrich Krumme erstmals in den neuen Räumen predigen. In der Kostenaufstellung über 56.000 Mark war die Innenausstattung nicht enthalten. Doch die Evangelen bewiesen Fantasie: Jeder, der sich auf einen Stuhl setzen wollte, musste das Geld für einen solchen spenden. Die Altarbibel stiftete Bundestagspräsident Eugen Gerstenmeier, damals Leiter des evangelischen Hilfswerks.
Zehn Jahre später bauten die Gemeindemitglieder den elf Meter hohen, frei stehenden Kirchturm, von dem aus zwei Glocken die Gläubigen zum Gebet riefen. Die Hälfte der Kosten in Höhe von 19.500 Mark wurde wiederum durch Spenden und Eigenleistung aufgebracht. 1990 wurde das Harmonium durch eine kleine Pfeifenorgel ersetzt.
„Vor dem Entwidmungsgottesdienst graust es mir“
„Eine Entwidmung ist nie schön. Aber die Gemeindemitglieder schicken sich in ihr Los“, sagt Mischnick. Gisela Müller (68) ist seit ihrem 13. Lebensjahr als ehrenamtliche Organistin tätig. „Ich kann mir das noch gar nicht vorstellen. Vor dem Entwidmungsgottesdienst graust es mir“, sagt sie. Viele seien hier getauft und konfirmiert worden. hätte geheiratet und seien von der Kirche aus zu Grabe getragen worden, sagt Müller. „Wir waren damals hellauf begeistert, dass wir endlich ein eigenes Gemeindehaus hatten“, erzählt Waltraud Dennhoven (83). Vor dem Neubau mussten die Oberembter zu Fuß nach Bettenhoven gehen, wo die Katholiken ihnen Gastrecht eingeräumt hatten.
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„Das Glockenläuten wird mir besonders fehlen“, sagt Elke Freidt (53), ehemalige Presbyterin, die an Kinderbibelwochen und Frauenkreise erinnert. Die Glocken sollen bald in Titz läuten. Dazu muss dort jedoch erst ein Kirchturm errichtet werden.
Was mit dem sanierungsbedürftigen Ensemble Im Broich passiert, ist ungewiss. „Vielleicht wird es zu einem Abriss kommen“, unkt Presbyter Jochen Gruch. Verkaufsbemühungen seien bislang erfolglos geblieben.