Rhein-Erft-Kreis – Die Hochwasserkatastrophe hat im Kreis offenbar keine Todesopfer gefordert. Wie die Polizei mitteilt, gibt es keine offenen Vermisstenfälle mehr. „Die Ermittlungsteams haben nach intensiver Suche rund um die Uhr alle als vermisst gemeldeten Anwohner gefunden“, sagte ein Polizeisprecher. „Die Personen sind den Umständen entsprechend wohlauf.“
Die Bewohner der nach wie vor gesperrten Ortschaft Blessem sollen ab Donnerstag unter strengen Sicherheitsvorkehrungen in ihre Häuser zurückkehren dürfen. Wegen der nach wie vor bestehenden Gefahr, dass Erdmassen in die Kiesgrube nachrutschen können, soll die Zahl der Menschen, die sich gleichzeitig im Ort bewegen, möglichst klein gehalten werden. „Aus jedem Haushalt darf nur eine Person zurück in den Ort“, sagt Margret Leder von der Stadtverwaltung Erftstadt.
So sollen alle Blessemer erreicht werden
Die Stadtverwaltung will sämtliche Blessemer persönlich erreichen. „Das ist eine schwierige Aufgabe, aber zu einem Großteil der Bewohner besteht Kontakt“, sagt Leder. So sei die Stadtverwaltung unter anderem in mehreren Whatsapp-Gruppen vertreten, in denen sich Blessemer vernetzt hätten.
Wer kein Handy oder keinen Internetzugang habe, werde über die Nachbarschaftshilfe informiert. Blessemer, die verstreut bei Bekannten oder Familienmitgliedern untergekommen seien, würden gebeten, sich bei der Stadtverwaltung zu melden. Die Stadt Erftstadt plant eine Informationsveranstaltung zur Situation der Kiesgrube, bei der Fachleute und Eigentümer zu Wort kommen sollen.
Blessemer stellt Eilantrag beim Verwaltungsgericht Köln
Ein Blessemer Bürger hat unterdessen einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Köln gestellt, weil er über Tage gar nicht und nun nur zeitweise zurück in sein Haus darf. Dadurch werde er „in unzumutbarer Weise an der dauerhaften Sicherung meines Eigentums und an der Abwendung weiterer Schäden an meinem Haus“ gehindert.
Haus und Grundstück seien nun seit fast einer Woche den Folgen des Hochwassers ausgesetzt. Dabei habe der Geologische Dienst lediglich eine Sicherheitszone von 100 Metern zur Kiesgrube benannt, die nicht betreten werden dürfe. Der Mann behält sich Schadenersatzklagen gegen Kreis und Stadt vor.
Dem Vernehmen nach stand bei Beratungen des Krisenstabs zuletzt im Raum, die Kiesgrube zuzuschütten. Auch das Gerücht über eine mögliche Ausdehnung der Grube nach Blessem macht derzeit die Runde in Erftstadt. Unstimmigkeiten soll es innerhalb der Beteiligten im Krisenstab geben. Nachdem es am Sonntagabend noch weitgehend Einigkeit darüber gegeben haben soll, die Kiesgrube zuzuschütten, gehen jetzt die Meinungen auseinander.
1,5 Millionen Kubikmeter Kies seien nötig, um das Loch zu füllen, hieß es. Unklarheit gibt es auch, wer jetzt verantwortlich für die Kiesgrube ist. Weil die Gefahr für die Bevölkerung derzeit von der Kiesgrube ausgehe, wäre laut Bergbaugesetz der Bergbaubetreiber für die Gefahrenbeseitigung verantwortlich, heißt es weiter.
RWE will sich zur Zukunft der Kiesgrube noch nicht äußern
Auch der Erftverband verwies in Sachen Zuständigkeit für die Kiesgrube auf den Betreiber, die Rheinischen Baustoffwerke (RBS). RBS-Mutterkonzern RWE wollte sich auf Anfrage dazu nicht äußern: „Im Fokus stehen die Begutachtung und die weitere Sicherung der Situation. Alles andere folgt danach“, hieß es.
Der Erftverband wolle jetzt erst einmal dafür sorgen, dass kein Wasser mehr aus der Erft in die Kiesgrube laufe, teilt Vorstand Bernd Bucher mit. Um „die Erft vom Tagebau abzusperren“, werde man einen Damm bauen, sagt Bucher.
Am Donnerstag beginne der Materialtransport, zunächst über die Autobahn, dann über eine eigens geschaffene Baustraße. Diese Baustelle werde wohl ein paar Wochen in Betrieb sein, schätzt Bucher. „Es gilt jetzt erst einmal, die Erft im Bett zu halten und den Einstrom zu verhindern.“ Der Spiegel in der Grube sinke derweil weiter.