AboAbonnieren

Ärger in Erftstadt„Diese unsinnigen Verbote drücken die Stimmung in der Bevölkerung“

Lesezeit 5 Minuten

Gerne würde der Vorsitzende des Segel-Clubs Ville, Stephan Weiser, sich mal wieder vom Zustand der Boote seines Vereins ein Bild machen. (Archivbild)

Erftstadt – Seit dem 16. Dezember des vergangenen Jahres herrscht nicht nur auf dem Gelände des Segel-Clubs Ville (SCV) am Liblarer See gähnende Leere, auch auf dem Gewässer selbst darf kein Sport mehr ausgeübt werden. Grund dafür ist eine über die Corona-Schutzverordnung hinausgehende, restriktive Maßnahme der Stadt zur Minimierung der Kontakte „aufgrund der verschärften Infektionsrisiken durch möglicherweise neue und ansteckendere Virusstämme“, lassen die Verantwortlichen der Kommune auf Anfrage mitteilen und führen weiter aus: „Die Nutzung des Bootshauses birgt dabei vielfältige Kontaktmöglichkeiten, die lediglich durch das Nutzungsverbot kontrollierbar gestaltet werden können.“

Das Gelände darf daher nur noch mit einer Ausnahmegenehmigung betreten werden, die die Sportler aktuell nur für die Abholung oder Bringung ihrer Boote und für Reparaturen erhalten.

Erftstadt: SCV-Vorsitzender hat kein Verständnis für Entscheidung der Stadt

Für den 1. Vorsitzenden des SCV, Stephan Weiser aus Wesseling, ist die Corona-Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen, dass Sporthallen geschlossen bleiben müssen, absolut nachvollziehbar. Der 57-Jährige hatte erst im vergangenen Herbst selbst erlebt, welches Risiko der gemeinsame Sport in einer Halle während der Pandemie mit sich bringt, als sich sein Sohn und sechs seiner Mitspieler beim Volleyballtraining unter dem Hallendach infizierten.

So traumhaft kann das Segeln auf dem Liblarer See sein – doch das Gewässer ruht derzeit still. (Archivbild)

Die darüber hinaus gehende Verordnung der Stadt Erftstadt, den See für die Vereine zu sperren, löst in ihm dennoch Unverständnis aus: „Virologen erklären seit Monaten, dass das Risiko im Freien bei mehr als zwei Meter Abstand gegen Null geht. Wir würden es verstehen, wenn bis zum Ende des Lockdowns nur Personen aus einem Hausstand auf einem Boot segeln dürften. Und selbstverständlich müssten wir, wie bisher auch, das Clubhaus geschlossen halten und jederzeit Abstand halten. Dass jetzt aber noch nicht mal die Einhandsegler auf den See dürfen, ist sachlich nicht zu erklären und ich halte es für unsinnig. Das ist genauso coronakonform wie das Wandern, Laufen und Radfahren um den See herum.“

Erftstadt: Das sagt die Stadt zu den Vorgaben

Das sehen die Verantwortlichen der Stadt anders. Egal welche Schutz- und Hygienemaßnahmen der Verein auch einführen würde, die Kontaktmöglichkeiten seien im Zusammenhang mit der Nutzung des Bootshauses am Liblarer See nur durch das Nutzungsverbot kontrollierbar zu gestalten. Zusätzlich, so erklärt es die Stadt, sollen die Sportanlagen vor dem Hintergrund der Gleichbehandlung aller Erftstädter Vereine weiterhin geschlossen bleiben.

„Eine Ausnahmeregelung, die zusätzliche ordnungsbehördliche Kontrollen zur Folge hätte, kann daher nicht in Aussicht gestellt werden“, stellt die Stadt klar und verweist auf die Aussagen des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW, welches mehrfach an die Ordnungsbehörden appelliert und darum gebeten hat, die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen durch strikte Auslegung in der Verwaltungspraxis und eine konsequente Umsetzung und Sanktionierung vor Ort zu unterstützen.

„Diese unsinnigen Verbote sind das, was die Stimmung in der Bevölkerung drückt“

Dass das komplette Gewässer deshalb als Teil der Bootsanlage angesehen wird, ringt dem Vorsitzenden nur ein müdes Lächeln ab: „Wenn die Stadt den See als Teil der Sportanlage sieht, dann hätten wir eine Hoheit, von der ich bisher gar nichts wusste. Aber im Ernst: Der Pachtvertrag des Segelvereins mit dem Land NRW bezieht sich nur auf unser Gelände. Den See teilen wir uns mit den Anglern und Kanuten und ich verstehe nicht, warum die Angler nicht angeln dürften. Ich halte es für eine schlechte Idee, hier Solidarität in der Beschränkung der Grundrechte zu verlangen, während hunderte Wanderer jedes Wochenende am See sind. Diese unsinnigen Verbote sind das, was die Stimmung in der Bevölkerung drückt, und die Motivation zur Beachtung der sinnvollen Einschränkungen leidet darunter.“

Die Kritik des Diplom-Ingenieurs richtet sich dabei aber nicht allein gegen die Kommune, gerade nicht gegen die Ordnungshüter der Stadt, da deren Ermessensspielraum nicht sehr groß ist. Viel mehr wünscht sich der Vereinsvorsitzende klarere Ansagen des Landes. Denn was noch für Unverständnis sorgt, ist die Tatsache, dass andere Wassersportler in NRW ihrem Sport weiterhin nachgehen können, da die dortigen, zuständigen Ordnungsbehörden die Vorgaben anders auslegen können. So zum Beispiel ist dies der Fall am Otto-Maigler-See in Hürth, wo der organisierte Vereinsbetrieb der Hürther Kanuten zwar nicht mehr erlaubt ist, die Sportler aber als Einzelpersonen auf das Gelände können, um ihre Sportgeräte ins Wasser zu setzen.

Aussage der Staatskanzlei NRW sorgt beim Segel-Club Ville für Irritationen

Für zusätzliche Verwunderung sorgt im gesamten Verein der Erftstädter noch die Aussage der Staatskanzlei NRW, die auf der Webseite des Segelverbandes NRW Mitte Januar veröffentlicht wurde und besagt: „Die Corona-Schutzverordnung untersagt nur den Sportbetrieb auf und in allen Sportanlagen. Verboten ist also nur der Zugang zur Sportanlage, um auf der Anlage Sport zu treiben. Da der Sport aber nicht im Bootshaus betrieben wird, sondern auf einem See oder Fluss, ist der Zutritt, der zum Bootshaus erfolgt, zulässig – unter Beachtung der allgemeinen Schutzverordnung.“

Für die Verantwortlichen der Stadt ist diese Ausführung lediglich eine Auslegungshilfe und sie entgegnen dazu: „Die Entscheidung über den Umgang mit den einzelnen Regelungen trifft die Ordnungsbehörde vor Ort anhand der tatsächlichen Gegebenheiten. Im Übrigen sind die zuständigen Behörden gemäß der Schutzverordnung dazu befugt, im Einzelfall auch über die Verordnung hinausgehende Schutzmaßnahmen anzuordnen.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Stephan Weiser hatte diese Woche eigentlich darauf gehofft, dass eine neue Verordnung aufgesetzt wird, die präziser und vor allem sinnhafter wird. Dass jetzt bald Schulen und Friseure wieder öffnen könnten, der Individualsport mit großem Abstand auf dem See wohl aber verboten bleibt, ist für ihn nicht nachvollziehbar: „Ein Gefühl aus Ohnmacht und Wut kommt auch bei mir langsam auf. Es ist schlimm genug, dass unsere sportlichen Veranstaltungen wohl noch auf Monate wegen der Pandemie nicht stattfinden werden können. Durchaus gibt es einige Vereinskameraden, die seit Wochen vor Gericht ziehen wollen und wir haben wahrscheinlich gute Chancen, das Verbot zu kippen. Aber die Stadt ist seit 57 Jahren ein toller Partner unseres Vereins und unter Freunden zieht man nicht vor Gericht. Da kann die Freundschaft nur verlieren. Hoffentlich wird der sichere Individualsport in dieser Zeit bald wieder sein kleines Fenster zu unserem Glück bekommen.“