Für BlutdruckmessenFlutopfer aus Erftstadt soll 364,13 Euro an die Stadt zahlen
Erftstadt-Bliesheim – 364,13 Euro sind ganz schön viel Geld für zehn Minuten im Rettungswagen, findet Horst Willems. Er ärgert sich über die Rechnung, die ihm die Stadt nach der Hochwasserkatastrophe geschickt hat. Seine Versicherung trage die Kosten, das sei nicht das Problem, sagt der Bliesheimer. Ihn stört Grundsätzliches: Bei jedem, der aus den Fluten gerettet worden sei, reiße so eine Rechnung die Wunden neu auf. „Es ist so viel Geld bei der Stadt eingegangen, da müsste es doch eine Möglichkeit geben, die Rechnungen davon zu begleichen.“
Als das erste Schreiben der Stadt bei ihm einging, dachte der 71-Jährige noch an einen Irrtum. Adressiert war das Schreiben an Frau Horst Willems, die Zeit am 15. Juli war mit 9.56 Uhr angegeben, der Ort mit Gestüt Waldsee, Heerstraße 17. „Ich habe Einspruch eingelegt, weil ich geglaubt habe, das sei versehentlich zugestellt worden“, erzählt Willems. Am 3. September sei dann der neue Bescheid gekommen. Diesmal immerhin an Herrn Horst Willems. Die Uhrzeit stimmte allerdings immer noch nicht – „es war am Nachmittag“ –, und statt Gestüt Waldsee stand nun Merowinger Straße 57 drin: „Da hätten wir mitten im Wasser gestanden.“
Bliesheimer muss mit Hubschrauber aus Fluten gerettet werden
Willems hatte beim Hochwasser seiner Vermieterin geholfen. Das Haus der 86-Jährigen steht quasi am tiefsten Punkt Bliesheims. Mit der polnischen Pflegekraft der alten Dame habe er am Mittwochabend bis Mitternacht versucht, den Keller leer zu pumpen, aber schließlich aufgegeben. Am Morgen habe er gedacht, es sei alles überstanden – „dann kam die Riesenflut“. Am Donnerstagnachmittag seien die drei dann mit dem Hubschrauber gerettet worden: „Wir waren nie in Lebensgefahr. Nur mein Auto ist ertrunken.“
Der Bundeswehr-Helikopter habe sie an der früheren Tankstelle im Ort abgesetzt, dort habe der Rettungswagen gestanden. „Gegen meinen Willen musste ich einsteigen, ein Sanitäter hat meinen Blutdruck gemessen.“
Nach gefühlt zehn Minuten sei der Hubschrauber mit den nächsten Geretteten gelandet, da sei er wieder ausgestiegen – auf Socken, denn die Gummistiefel hatte er bei der Rettung zurückgelassen. Sie waren vollgelaufen, als er bis zur Brust im Wasser stand. Ein Bekannter habe ihn nach Hause gebracht.
Stadt Erftstadt beruft sich auf Gebührenordnung
Auf der Rechnung tauchen auf: Leitstellengebühr Notarzteinsatzfahrzeug mit Arzt, Einsatz eines Notarzteinsatzfahrzeuges einschließlich Fahrer und Einsatz eines Notarztes. „Der Notarzt hat mich nicht untersucht, geschweige denn behandelt, sondern nur ein Formular ausgefüllt“, sagt Horst Willems.
„Die Gebührenbescheide wurden gemäß der Benutzungs- und Gebührenordnung für den Rettungsdienst der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Erftstadt vom 18. Oktober 2017 für die Personen erstellt, die entweder eine notärztliche Behandlung/Untersuchung erfahren haben oder mit einem Rettungswagen/Krankentransportwagen der Stadt Erftstadt transportiert wurden“, heißt es dazu von der Stadt. Beides treffe bei ihm definitiv nicht zu, sagt Willems.
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Weiter schreibt die Verwaltung: „Sollte es in Ausnahme- und Härtefälle unmöglich sein, die Gebühren zu begleichen, bestehen neben Stundung auch andere Möglichkeiten. Sollten die originären Kostenträger die Kostenübernahme ablehnen, steht die Stadt Erftstadt zur Klärung jederzeit zur Verfügung. Für eine explizite Übernahme von Kosten des Rettungsdienstes über Spendentöpfe besteht keine Kenntnis.“
Die Frage, wie viele Gebührenbescheide im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe verschickt wurden und ob sich weitere Bürger beschwert hätten, konnte die Pressestelle der Stadtverwaltung auf Nachfrage dieser Zeitung nicht beantworten.