Seit zehn Wochen im EinsatzErftstädter sind bei Aufräumarbeiten zu Freunden geworden
Erftstadt-Blessem – Für viele Blessemer bieten die beiden längst ein vertrautes Bild: Einer fährt einen dicken Radlader, der andere einen Lastwagen, der schon Oldtimer-Status hat. Am Samstag werden Chris Schall und Musa Sahinoglu vermutlich ihre letzten Touren durch das von der Flutkatastrophe verwüstete Dorf machen. Zehn Wochen haben die Liblarer durchgehalten – länger als die meisten anderen Freiwilligen, die den Blessemern bei der Bewältigung der Schäden geholfen haben.
„Wir zwei sind übrig geblieben“, sagt Musa Sahinoglu. Er zeigt Bilder von den ersten Tagen, als das Gedränge der Helfer so dicht war, dass er mit seiner Baumaschine kaum durchgekommen ist. „Ich habe vorher gedacht, ich könnte mit dem Lastwagen umgehen. Aber jetzt habe ich richtig fahren gelernt, so, wie ich mich da durchquetschen musste“, bestätigt Chris Schall. Kein Sträßchen und kein Winkel in Blessem, in dem die beiden nicht waren, um Müll und Schutt abzufahren.
Erftstädter: „Wir haben nicht lang gefragt, wir haben gearbeitet“
Dass er helfen muss, war Sahinoglu sofort klar. Erst hat er in Lechenich Sandsäcke gefüllt, dann erreichte ihn der Hilferuf des Bliesheimer Ortsbürgermeisters Frank Jüssen, der schweres Gerät im überschwemmten Dorf benötigte. Dort traf Sahinoglu auf Chris Schall. Die beiden sind gewissermaßen Nachbarn, sie arbeiten einander gegenüber im Gewerbegebiet an der Klosengartenstraße.
Das Zufallstreffen hatte weitreichende Folgen. Aus dem 30 Jahre alten Magirus-Lkw und dem 20-Tonner Radlader wurde ein unschlagbares Gespann. „Wir haben nicht lang gefragt, wir haben gearbeitet“, schildert Schall.
Zu tun gab es genug in Blessem. Sahinoglu belud mit dem Radlader, den ihm sein Chef zur Verfügung gestellt hat, Schalls Lastwagen. Der fuhr zu der provisorischen Deponie, die die Stadtverwaltung am Ortseingang eingerichtet hat: „Ich hätte mitzählen sollen, wie oft ich dort abgeladen habe.“
350 Stunden Aufräumen in Erftstadt-Blessem
Doch ihre Hilfeleistung zu beziffern ist nicht die Art der beiden. Die ersten Wochen haben sie durchgearbeitet, dann haben sie die Wochenenden statt bei ihren Familien in Blessem verbracht. 350 Stunden seien es wohl gewesen, überschlägt Sahinoglu: „Aber die Dankbarkeit der Leute macht den Aufwand wett.“ Und Schall ergänzt: „Wenn ich keinen Bock gehabt hätte, hätte ich ja längst das Handtuch werfen können.“
Der Müll, der sich anfangs an den Straßenrändern getürmt habe, werde immer weniger. Am vergangenen Wochenende hätten sie allerdings noch einen riesigen Schuttberg vor einer Garage weggeräumt. Manche Leute hätten wohl auf einen Gutachter von der Versicherung gewartet, bevor sie ans Aus- und Aufräumen gegangen seien. Und auch für diesen Samstag haben sie schon eine Liste mit Adressen, an denen sie gebraucht werden. Die bekommen sie von den Johannitern, die die Helfenden in Blessem koordinieren.
Die provisorische Deponie wird zum Ende des Monats geschlossen. Diesmal wohl endgültig, nachdem die Stadtverwaltung die Frist zweimal verlängert hatte. Dann kann Chris Schall sich wieder ganz dem neuen Firmengebäude widmen, das er am Vogelsang baut und in das Feinwerktechnik Schall demnächst einziehen soll. Und Musa Sahinoglu wird den Radlader wieder für das Garten- und Landschaftsbau-Unternehmen Elschenbroich gleich gegenüber fahren.
Eines hat sich allerdings verändert in den vergangenen zehn Wochen: Aus den Nachbarn sind Freunde geworden.
Erftstadt: Viele Firmen helfen nach der Flut
Mit schwerem Gerät und viel Frauen- und Männer-Power haben sich nach der Flutkatastrophe auch Firmen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern tagelang kostenlos beispielsweise in Erftstadt-Blessem eingesetzt. Es galt, riesige Berge an Haushaltsmüll und Bauschutt zu transportieren, in Container zu hieven oder auf Lastwagen zu verladen.
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Die Erftstädter Gartenbaufirma Gebrüder Conrad hatte gerade in den ersten Tage der Krise Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Arbeit freigestellt, die Chefs packten zudem selbst mit an. Radlader, Lkw und andere Transportmittel wurden zur Verfügung gestellt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schleppten in Blessem Müll und Bauschutt aus den Häusern. Sogar ein platter Reifen am Radlader unterbrach das Engagement nur für kurze Zeit. Ein Reifenwechsel war flugs erledigt.
Auch die Firma Giesen Haustechnik aus Nörvenich, deren Mitarbeiter Kanalbauspezialisten sind, waren tagelang kostenlos unterwegs. So wurde beispielsweise an einem verregneten Wochenende mit Raupenbaggern Schutt auf Lkw geladen und abtransportiert. Oder es wurden sogenannte Big Bags vor den Häusern gefüllt und dann entsorgt. (bru)