Erftstadt – Als Pfarrer Stephan Weißkopf am Sonntag das Wort vor den Mitgliedern der Erftstädter Kirchenvorstände und Pfarrgemeinderäte ergriff, witterten viele schon Unheil. Und nachdem der Leiter der Hauptabteilung Seelsorge-Personal im Erzbistum Köln seine Ausführungen beendet hatte, waren die meisten sehr betroffen. Weißkopf hatte verkündet, dass Winfried Jansen, der leitende Pfarrer im Seelsorgebereich Erftstadt-Ville, von allen seinen Aufgaben entpflichtet wird. Gegen Pfarrer Jansen ist der Vorwurf erhoben worden, er habe in den 1970er-Jahren „sexuelle Grenzverletzungen“ gegenüber einem fast neun Jahre alten Mädchen begangen.
Hunderte Menschen kamen am Sonntagabend zu einer Pfarrversammlung in Liblar. Empört forderten viele ein Verfahren, das die Unschuldsvermutung stärker schütze.
Dem Generalvikariat seien nur Anschuldigungen von einer Person bekannt, teilte Christoph Heckeley, der Pressesprecher des Erzbistums, mit. Weitere Vorwürfe gebe es bislang nicht. „Generell sind über die Details der Vorgänge nur die unmittelbar Betroffenen informiert. Es ist keinem Opfer zuzumuten, Einzelheiten öffentlich zu machen“, sagte Heckeley auf Anfrage weiter.
Hohes Ansehen
Die Aussage der Betroffenen sei detailliert und glaubhaft. Pfarrer Jansen habe sein grenzverletzendes Verhalten gegenüber dem damaligen Kind eingeräumt, so das Erzbistum. Es gehe dabei aber nicht um sexuellen Missbrauch, sagt Jansen, der in Erftstadt hohes Ansehen genießt und heute 73 Jahre alt ist, in einer persönlichen Erklärung (siehe „Im Wortlaut“). Weitere Stellungnahmen gab Jansen auf Anfrage dieser Zeitung nicht ab: Er ließ über das Pfarramt mitteilen, dass ihm dies strikt untersagt sei. Was ist unter „sexueller Grenzverletzung“ zu verstehen? Heckeley: „Ich beantworte das einmal umgangssprachlich: Darunter verstehe ich alles, was unangemessen ist zwischen Personen und eine sexuelle Komponente hat.“ Im vorliegenden Fall sei das Generalvikariat zu dem Schluss gekommen, dass ein solches Verhalten vorliege. „Es handelt sich offenbar nicht um sexuellen Missbrauch, sondern um eine sexuelle Grenzverletzung.“
Gemäß den Richtlinien habe das Erzbistum umgehend reagieren müssen. Eine Alternative zur Entpflichtung von Pfarrer Jansen habe es nicht gegeben. Kardinal Woelki habe so entscheiden müssen. „Es ist nicht möglich, so zu tun, als sei nichts geschehen“, betont Heckeley. Im Erzbistum Köln gelte der Grundsatz, dass sexueller Missbrauch und Grenzverletzungen unter keinen Umständen geduldet würden.
Heckeley führte weiter aus, dass Priester enorm verunsichert seien, was beispielsweise den Umgang mit Kindern betreffe. „Dürfen Priester etwa beim Besuch eines Kindergartens Kinder in den Arm nehmen, darf man sie auf den Schoß nehmen, den Kopf streicheln?“ Solche und ähnliche Fragen würden unter Geistlichen oft diskutiert. Das von Jansen eingeräumte Verhalten mit dem betroffenen Kind sei allerdings anders gewesen. Eine strafrechtliche Bewertung stehe noch aus, erklärte Heckeley. In der Kürze der Zeit sei es noch nicht abschließend gelungen, festzustellen, ob das Jansen zur Last gelegte Verhalten juristisch verjährt sei. Das Erzbistum will die Staatsanwaltschaft einschalten.
Staatsanwalt ermittelt nicht
Bei der Staatsanwaltschaft Köln ist noch kein Verfahren gegen Jansen anhängig, wie Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer auf Anfrage sagte. Die Entpflichtung gelte von diesem Montag an und für die Dauer des Verfahrens, das nun in Rom bei der Kongregation für die Glaubenslehre geführt werde. Nach Informationen dieser Zeitung hat Pfarrer Jansen Erftstadt bereits verlassen, nachdem er am Wochenende noch Gottesdienste zelebriert hat. Die Ergebnisse des Verfahrens in Rom auf der Rechtsgrundlage eines vatikanischen Dokuments namens „Sacramentorum sanctitatis tutela“ müssten abgewartet werden, sagte Heckeley. Erst danach würde entschieden, ob und wie Jansen noch als Priester tätig werden dürfe. Jansens Aufgabe als Pfarrverwalter werde bis auf weiteres der Erftstädter Dechant Hans-Peter Kippels wahrnehmen.