Frechen/Rhein-Erft-Kreis – Im Interview mit Udo Beißel sprach Prof. Dr.-Ing. Christian Forkel von RWE über die Schließung der letzten Brikettfabrik in Westdeutschland, über wegfallende Arbeitsplätze und das boomende Geschäft mit dem Braunkohlenstaub. Forkel ist seit dem 1. Januar 2022 Geschäftsführer des Geschäftsfelds Veredlung bei RWE Power.
Manche hamstern Gasflaschen, andere suchen Brennholz und Briketts. Die Nachfrage nach Brennstoffen ist hoch und in Frechen schließt die letzte Brikettfabrik in Westdeutschland. Wie passt das zusammen?
Christian Forkel: Dass die Brikettfabrik Ende des Jahres schließt, ist eine Etappe im Stilllegungsfahrplan, der sich aus dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetz ergibt. Andere Bereiche der Veredlung laufen weiter: Wir produzieren weiter Herdofenkoks. Das ist kein Stoff für die energetische, sondern für die stoffliche Nutzung der Braunkohle zum Beispiel für eine effektive Abgas- und Abwasserreinigung. Und dann haben wir noch das Produkt Braunkohlenstaub, das in der Industrie als Alternative zu Gas eingesetzt wird. Viele Industriebetriebe haben die Möglichkeit zwischen Erdgas und Braunkohlenstaub hin und her zu wechseln. Mehrere Betriebe sind in den vergangenen Jahren bereits auf Gas umgestiegen. Wir haben erwartet, dass der Trend weiter in Richtung Gas geht. Darauf hatten wir uns eingestellt. Aber dann kam es zum Anfang des Jahres ganz anders. Jetzt gibt es sehr viele Industriebetriebe, die bei uns wieder verstärkt Braunkohlenstaub nachfragen. Die Nachfrage ist so hoch, dass wir bereits an der Kapazitätsgrenze produzieren.
Das hört sich so an, als könnte RWE noch mehr Braunkohlenstaub verkaufen, als derzeit produziert wird. Überlegen Sie eine weitere Anlage zu bauen, um noch mehr Staub herstellen und verkaufen zu können?
Eine Investition in neue Anlagen rechnet sich nicht und würde für die aktuellen Anforderungen auch zu spät kommen. Wir müssen damit rechnen, dass die Krise und der Krieg noch etwas anhält. Aber wir gehen davon aus – und das tut auch die Bundesregierung – dass es in einigen Jahren wieder genügend Gas gibt und dass dann die Nachfrage nach unserem Produkt wieder abnimmt. Von daher ist das nur ein vorübergehender Effekt, den wir hier sehen.
Zur Person
Christian Forkel ist 57 Jahre alt, wechselte vor etwa 24 Jahren von der RWTH in Aachen in die Industrie zu RWE, leitete dort die Wasserwirtschaft, bis er Anfang des Jahres den Bereich der Veredlung übernahm. Forkel kommt aus dem Revier und wohnt mit seiner Familie in Pulheim.
Wie viel Braunkohlenstaub wird derzeit hergestellt?
In diesem Jahr werden wir etwa 2,6 Millionen Tonnen Braunkohlenstaub produzieren. Wir hatten erwartet, dass die Nachfrage sinkt und die Produktion geringer wird. Jetzt werden wir aber auch im nächsten Jahr die Anlagen durchfahren und wieder bis zur Kapazitätsgrenze produzieren, also wieder 2,6 Millionen Tonnen. Das ist eine Erhöhung gegenüber dem, was wir vorgesehen haben, liegt aber in etwa auf dem Niveau der Vorjahre.
Wann wird das letzte Brikett auf dem Wachtberg gepresst?
Die Produktion der Briketts für den Hausbrand, also Bündelbriketts, ist schon eingestellt. Die war sehr personalintensiv. Daher war das der erste Bereich, den wir geschlossen haben. Derzeit produzieren wir ausschließlich die kleineren 3 Zoll Briketts, die vorwiegend in der Industrie eingesetzt werden. Und das noch bis in den Dezember hinein. Auch die Nachfrage nach den Industriebriketts ist gestiegen. Viele Industriebetriebe wollen noch mal Briketts bunkern. Auch im Privatkundengeschäft nehmen viele derzeit die lose Ware, die dann in Säcke gefüllt wird.
Über wie viele Arbeitsplätze sprechen wir im Zusammenhang mit der Brikettherstellung, die jetzt durch die Schließung der Brikettfabrik wegfallen?
Insgesamt sprechen wir etwa über 500 Arbeitsplätze, die verloren gehen. Etwa 200 Mitarbeiter gehen in den Ruhestand, einen weiteren großen Teil des Personals benötigen wir für die Staubherstellung. Die Mitarbeiter haben wir alle gut versorgen können – aber die Arbeitsplätze sind natürlich weg. Das ist leider so, wir sind aber zuversichtlich, dass wir an unserem Standort in Wachtberg wieder neue Industrie- und Gewerbeansiedlungen ansiedeln werden können, die den Arbeitsplatzverlust ausgleichen.
Drei abgeschaltete Kraftwerksblöcke sollen aus der Reserve geholt werden, können Sie diese Mitarbeiter auch dort einsetzen?
Teilweise machen wir das auch schon. Unsere Kollegen in Kraftwerken und Tagebauen brauchen Verstärkung, um die gesetzlich geforderte Einsatzbereitschaft der drei Blöcke zu sichern. Ein Teil der Mitarbeiter, die jetzt in der Brikettierung sind, geht dorthin.
Wie viele Arbeitsplätze werden am 2023 noch am Standort Frechen sein?
Die genaue Zahl kann ich jetzt noch nicht sagen. Aber es werden so circa 200 bis 300 sein.
Ein Teil der Brikettfabrik soll unter Denkmalschutz gestellt werden und so, an die 120-jährige Geschichte erinnern. Welche Bereiche halten Sie für schützenswert?
Es gibt Bereiche, die denkmalwürdig sind. Zum Beispiel alte Gebäudeteile oder auch alte Brikettpressen. Es ist auch für uns bei RWE wichtig, Industriegeschichte zu bewahren, aber das in einem Umfang, der zu bewerkstelligen ist. Wenn wir uns mit dem LVR und der Stadt Frechen an einen Tisch setzen, dann wird es auch eine gute Lösung geben.
Zum Schluss eine Frage an Sie als Mann aus dem Revier: Gas oder Kohle beim Grillen?
Lacht: Ich grille mit Kohle tatsächlich. Muss aber ehrlich gestehen, dass ich die Qualität unserer Grillbriketts erst in diesem Jahr kennengelernt habe. Ich habe den Auftrag meiner Frau, noch eine gute Charge zu sichern, damit das Grillen für die nächsten Jahre gesichert ist.