Dr. Dietmar Galle kritisiert gefährliche Haltestellen, die mangelnden Ersatzbusse und die Kommunikation. Die KVB räumt einen Fehler ein.
„Fühle mich sehr diskriminiert“Rollstuhlfahrer aus Frechen ist über die KVB schockiert
„Ich fühle mich sehr sehr diskriminiert“, mit bitteren Worten analysiert Dr. Dietmar Galle sein Verhältnis zu den Kölner Verkehrs Betrieben (KVB). Der 58-Jährige leidet seit seinem 14. Lebensjahr an spinaler Muskelatrophie, einer degenerativen Erkrankung, die zum Verlust der Muskelkraft führt. Nach einem Sturz und einer Knieoperation ist er seit einem halben Jahr außer Haus auf einen elektrischen Rollstuhl angewiesen.
Dem Fakt steht der promovierte Chemiker erstaunlich positiv gegenüber: „Meine Mobilität ist stark gestiegen, ich komme besser zum Arzt oder zum Einkaufen, kann auch das Rollstuhltaxi nutzen.“
Der Frechener konnte die Stadtbahnlinie 7 und die Ersatzbusse nicht nutzen
Und doch waren die vergangenen Wochen für den Frechener mit erheblichen Einschränkungen verbunden, über die er sich enttäuscht empört – er konnte die Stadtbahnlinie 7 und auch die Ersatzbusse nicht nutzen: „Für mich gab es keine Lösung, ich wäre sonst gerne mit der Bahn oder dem Bus gefahren. Wäre ich nicht im Homeoffice, hätte ich gucken können, wie ich zu meiner Arbeit nach Köln komme.“
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Hintergrund der Vorwürfe ist die Verkürzung der Linie 7 und der Schienenersatzverkehr, den die KVB während der sechswöchigen Brückensanierung an der Holzstraße einrichtete. Die Stadtbahnlinie 7 konnte ab der Kölner Haltestelle Haus Vorst nicht mehr fahren. Von dort aus wurden bis zur Endhaltestelle Benzelrath Ersatzbusse eingerichtet. Auch von Frechen aus mussten die Fahrgäste in Richtung Köln bis Haus Vorst mit dem Ersatzbus fahren.
Und genau über diese Haltestelle ärgert sich Galle immens – genau wie über die in Marsdorf und Stüttgenhof. „Sie sind eingeschränkt barrierefrei und für einen Rollstuhlfahrer immens gefährlich“, klagt er. Die Spalte zwischen Bahnsteig und Bahn sei an allen drei Stationen so groß, dass die Räder seines Rollstuhls dort hineinrutschen und er gefährlich festhängen würde. „Mir ist das einmal passiert, das war schrecklich.“
Gut gemeinte Hilfe gefährdet den Rollstuhl
Und sogar die gut gemeinte Hilfe von Passanten, die ihn damals mit Kraft weiterschieben wollten, sei bedrohlich. „Mein elektrischer Rollstuhl bremst sofort, wenn die Räder blockiert werden. Die automatische Bremse muss erst mit der Hand entsperrt werden, sonst geht alles kaputt.“
Seine aussichtslose Lage, an Haus Vorst in die Bahn ein- oder auszusteigen, sei aber durch einen weiteren Umstand noch verschärft worden – auch die Ersatzbusse seien für Rollstuhlfahrer nicht benutzbar gewesen. Auf Anfragen dieser Zeitung hatte die KVB zu Beginn des Schienenersatzverkehr berichtet, dass Rollstuhlfahrer die Busfahrer mit Handzeichen auf sich aufmerksam machen sollten. Die Busse würden über eine ausklappbare Rampen verfügen.
Im Widerspruch dazu steht die Auskunft, die Galle auf eigene Anfrage erhielt: „Die Rampen können auf Grund des engen Taktes nicht mehr genutzt werden, da es zu lange dauert, wenn der Busfahrer aussteigen und die Rampe ein- und ausfahren muss“, heißt es knapp in der Antwortmail des KVB-Kundendialogs. Seine Frage nach einer Lösung sei unbeantwortet geblieben, ärgert sich Galle: „Aufgrund der unklaren Situation und der widersprüchlichen Aussagen der KVB konnte ich jetzt sechs Wochen nicht mit der Linie 7 nach Köln fahren. Besonders die Antworten der KVB haben mich sehr schockiert. Hier wurde weder meine Fragen beantwortet oder auf mein Problem reagiert. Insgesamt stufe ich das Verhalten der KVB als hochgradig diskriminierend und in keinster Weise behindertenfreundlich ein“, wertet der Frechener.
Auf Nachfrage dieser Zeitung erläutert die KVB, dass die Mitteilung an Dietmar Galle nicht korrekt gewesen ist: Im Ersatzbusverkehr sei es so gewesen, dass die Rampen ausgeklappt worden wären, sobald ein Mensch im Rollstuhl zu erkennen gewesen sei. Den Hinweis, die Rampen nicht auszuklappen, habe die KVB den Fahrern nicht gegeben. „Ein junger Kollege, der noch Erfahrung sammelt, hatte die Informationen aus dem Fachbereich nicht richtig einsortiert. Das hätte uns allen passieren können.“ Und weiter: „Wir bitten den Fahrgast um Verständnis, sollte auch er bei der Nutzung der Ersatzbusse nicht den Service erfahren haben, den er von uns erwartet.“
Auch für die unsicheren drei Haltestellen scheint es keine Lösung zu geben, die KVB verweist ihn an die Zuständigkeit der Häfen- und Güterverkehr Köln (HGK). Von dort erhielt Galle auch eine Erklärung für den gefährlich großen Spalt zwischen Bahn und Bahnsteig. In der Tat sei der Spalt zehn Zentimeter größer als im reinen Niederflur-Straßenbahnbereich. Dies sei dem Umstand des Mischbetriebs mit Güterzügen geschuldet und betreffe die drei Haltestellen, erklärt ein HGK-Fachmann in einer E-Mail an Galle.
Die Haltestellen sind als eingeschränkt barrierefrei ausgewiesen
Das Umgrenzungsprofil von Eisenbahnfahrzeugen rage über das Stadtbahnprofil hinaus, um Kollisionen mit der Bahnsteigkante zu vermeiden, seien diese etwas weiter nach außen gesetzt. Leider ergebe dies ein größeres Spaltmaß als Kompromisslösung. Eine potenzielle Lösung für Rollstuhlfahrer wird nicht erwähnt. Auf Anfrage bestätigt die HGK: Der Abstand zwischen Bahnsteigkante und Stadtbahnfahrzeug müsse an den drei Haltestellen etwa 16 Zentimeter betragen, dies sei dem Mischverkehr geschuldet und baulich leider nicht lösbar. Daher seien diese Haltestellen auch als „eingeschränkt barrierefrei“ ausgewiesen – seit der Einführung der Niederflurfahrzeuge im Mai 1999.
„Auch mit dem Wegfall des Schienenersatzverkehrs bleiben also die Probleme des unsicheren Ein- und Ausstiegs für Rollstuhlfahrer weiterhin bestehen“, ärgert sich Galle über „die fehlenden lösungsorientierten Antworten “. Und resümiert: „Ich erwarte eine Entschuldigung von der KVB und hätte auch gerne eine Entschädigung.“
Auf Nachfrage dieser Zeitung hat die KVB dann doch eine Lösungsvorschlag: „Dieses Spaltmaß können Menschen im Rollstuhl in der Regel aus eigener Kraft oder aber auch mit Hilfe weiterer Menschen überwinden. Dennoch gibt es in den Bahnen auch montierte Rampen, die (wesentlich umständlicher als im Bus) ausgeklappt werden können. In der Regel werden diese Rampen aber nicht benötigt.“ Dietmar Galle wurde dies bislang nicht mitgeteilt.