„TikTok hat einen großen Einfluss“Wie sich Erstwähler in Frechen auf die Europawahl vorbereiten

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Zu sehen ist eine Gruppe von Schülern und Lehrern der Hauptschule Frechen.

An der Europawahl dürfen sich in diesem Jahr in Deutschland auch erstmals 16- und 17-Jährige beteiligen. An der Hauptschule Frechen hat man sie darauf vorbereitet.

Zur Europawahl dürfen erstmals 16- und 17-Jährige zur Wahlurne gehen. An der Hauptschule Frechen hat man einiges getan, um sie vorzubereiten.

„Frieden sichern“, „Wohlstand“, „Nur Demokratie schafft Freiheit“ oder auch „Für mehr Eis“ – die Wahlplakate der Parteien sind gerade wieder überall zu sehen. Da es bei der Europa-Wahl keine Fünf-Prozent-Hürde gibt, wollen auch viele kleinere Parteien ihre Chance nutzen und machen sichtbar mehr Werbung.

Auf die Erstwählerinnen und -wähler in diesem Jahr prasselt daher noch mehr ein. Und junge Menschen, die erstmals von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen können, gibt es in diesem Jahr besonders viele, denn auch 16- und 17-Jährige dürfen bei der Europa-Wahl zum ersten Mal mitwählen.

Mehr als 8.000 Wähler im Kreis sind minderjährig

Von den 353.541 Wahlberechtigten im Rhein-Erft-Kreis sind 8.095 unter 18 Jahre alt. Auch Michael Meinke, Samuel Petrucci, Finja Geng, Zelal Yildiz, Vincent Wagels, und Anna Arkens gehen in diesem Jahr das erste Mal zur Wahlurne. Zusammen besuchen sie die Herbertskaul Hauptschule in Frechen.

Sie richtig vorzubereiten war für Schulleitung sowie die Lehrerinnen und Lehrer eine besondere Herausforderung. Denn Einfluss auf die Jugendlichen wird aus vielen Richtungen ausgeübt.

„Bei mir waren es erstmal hauptsächlich die Menschen aus meiner Familie. Die meinten, ich soll mir anschauen, wer mir gefällt und dann schauen, was die so machen“, sagt Michael Meinke. Social Media nutzt er nicht. Er informiert sich eher über Nachrichtensendungen.

Auch Vincent Wagels bezeichnet Freunde und Familie als größte Einflussfaktoren. Samuel Petrucci und Anna Arkens können sich nicht über ihre Eltern informieren. Durch ihre Einwanderungsgeschichte können diese nicht in Deutschland wählen. Beide informieren sich zusammen mit ihren Geschwistern über verschiedene Kanäle. Dazu gehören die Wahlplakate, Social Media und die Nachrichten. Durch die Plattformen im Internet kriegen die Schülerinnen und Schüler eine Menge mit.

„TikTok hat einen großen Einfluss“, sagt Petrucci. „Da wird Politik häufig erwähnt und auch so, dass das bei uns Jugendlichen gut ankommt.“ Der 17-Jährige ist auch Schülersprecher an der Hauptschule und will Abitur machen.

„Ich lese mir bei TikTok manchmal auch die Kommentare durch. Die sind schon ein bisschen grob, sage ich mal“, meint Zelal Yildiz. In den politischen Diskussionen in den sozialen Medien kann es häufig auch mal heiß hergehen. Das kriegen die Jugendlichen mit. Alle haben sie schon Videos direkt aus den Kriegsgebieten in Gaza und auch in der Ukraine gesehen. Als der russische Angriffskrieg losging, waren sie noch 14 und 15 Jahre. Videos wurden dort oft auch direkt aus dem Schützengraben gepostet.

Viele Jugendliche finden es lustig, wenn man AfD wählt. Ich finde das schrecklich
Erstwählerin Sella Yildiz

Ein großes Thema in der Klasse war auch der rassistische Vorfall auf Sylt. Auf der Terrasse eines Clubs hatten an Pfingsten dort Feiernde „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ zu einem Popsong skandiert.

Dass Rassismus beim Feiern offen zu Tage tritt, findet die Gruppe aus der Hauptschule besorgniserregend. „Viele Jugendliche finden es lustig, wenn man AfD wählt. Ich finde das schrecklich“, sagt Yildiz. 75 bis 80 Prozent der Mädchen und Jungen an ihrer Schule haben eine Migrationsgeschichte, sie kommen aus 20 unterschiedlichen Staaten.

Schulleiterin sieht in der Vielfalt einen Vorteil

Für Schulleiterin Monika Azizmohammadi hat es Priorität, dass alle gut miteinander auskommen und sich verstehen. Schlimme Konflikte gab es noch nicht. Sie legt Wert darauf, dass alle gleichbehandelt werden,  Vielfalt sieht sie als Vorteil. Sie macht sich Sorgen über den Einfluss der sozialen Medien und vor allem von Extremisten, die dort posten und genau wüssten, wie sie Jugendliche erreichen.

Für das Personal an der Schule sei es eine fast unmöglich zu lösende Aufgabe, sich da entgegenzustellen, und das noch neben dem eigentlichen Lehrplan.

„Es ploppen viele Themen auf, auch durch die eigene Geschichte oder die eigene Migrationserfahrung“, sagt Björn Althoff, Lehrer für Sonderpädagogik und auch für Politik und Geschichte zuständig.

Im Unterricht werden aktuelle Geschehnisse in den Blick genommen

In seinem Unterricht versucht er aktuelle Themen wie die Geschehnisse auf Sylt anzusprechen und zu erklären. Zudem will er seine Schülerinnen und Schüler darauf vorbereiten, wie man Meldungen und auch Inhalte aus den sozialen Medien richtig einordnen kann. Wichtig ist auch, wie man richtig recherchiert. Daneben haben sie auch noch geklärt, wie eine Wahl abläuft und wo die Schüler ihr Wahllokal finden. Auch der Wahl-O-Mat wurde bemüht.

Die Gruppe der Schülerinnen und Schüler vertreten durchaus unterschiedliche politische Meinungen. Bei den Klimaprotesten von Fridays for Future in der Vorwoche war jedoch niemand von ihnen. „Deutschland allein kann da sowieso nicht viel machen“, meint Wagels.

Wir sind die Zukunft, wir werden ja auch noch erwachsen
Erstwähler Samuel Petrucci

Die Dynamiken bei Social Media verstehen sie alle gut. Auch die Motivationen von Influencern zum Beispiel bei TikTok können sie einordnen. Offen für die Art der Kommunikation von Influencern sind sie trotzdem. Die Verantwortung, die sie mit ihrer ersten Wahl haben, ist ihnen ebenfalls bewusst.

„Wir sind die Zukunft, wir werden ja auch noch erwachsen“, sagt Petrucci. Worauf sich alle im Blick auf die Europa-Wahl einigen konnten, ist, dass Frieden wichtig ist und dass die Befestigung der Deckel an Pfandflaschen nervt.

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