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Angeklagter habe „dunkle Seite“Hürther Krankenpfleger will im Thallium-Prozess sein Schweigen brechen

Lesezeit 3 Minuten
Das Foto zeigt den Angeklagten im sogenannten Thallium-Giftmord-Prozess.

Martin B. soll drei Frauen im Thallium vergiftet haben, zwei starben.

Der 42-Jährige ist nach Überzeugung von zwei Sachverständigen strafrechtlich voll verantwortlich für die ihm vorgeworfenen Taten.

Krankenpfleger Martin B. (42, Name geändert) hat keine Chance auf mildernde Umstände. Der Mann, dem zweifacher Mord und ein Mordversuch vorgeworfen wird, weil er seine Ehefrau, seine schwangere Freundin und deren Großmutter vergiftet haben soll, ist nach Überzeugung von zwei Sachverständigen strafrechtlich voll verantwortlich für die ihm vorgeworfenen Taten.

Beide Sachverständige kamen nach ihren Explorationen am 24. Verhandlungstag übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass eine verminderte Schuldfähigkeit aufgrund psychischer Beeinträchtigungen nicht nachzuweisen sei: „Es gibt keinerlei Hinweise für Persönlichkeitsstörungen oder klinisch relevante Auffälligkeiten“, sagte Psychologe Jürgen Kunert zu Beginn seiner Ausführungen. Auch eine psychische Störung wie beispielsweise eine Manie oder Depression schloss Kunert aus.

Möglicherweise hat diese Diagnose dazu geführt, dass Martin B. sich nun doch entschlossen hat, auch im Prozess sein Schweigen zu brechen. Am nächsten Verhandlungstag am 19. April will er eine mit den Verteidigern abgesprochene handgeschriebene Erklärung verlesen und hat auch seine Bereitschaft signalisiert, Nachfragen zu beantworten.

Der Angeklagte hat aufmerksam, konzentriert, geistig flexibel und auskunftsbereit gewirkt
Jürgen Kunert

Gutachter Kunert hatte bei B. eine überdurchschnittliche Intelligenz von 118 (Durchschnittswert 100) festgestellt. Während der mehr als sechsstündigen Befragung in der JVA habe der Angeklagte „aufmerksam, konzentriert, geistig flexibel und auskunftsbereit“ gewirkt.

Martin B. habe „differenziert und ausführlich“ die Fragen beantwortet, dabei auch über seine aktuelle Haftsituation gesprochen. Im Vollzug habe er sich „gut eingelebt“, er lese viel in seiner Freizeit, arbeite in Bereitschaft im Hausdienst und „komme mit den JVA-Beamten gut klar“.

Regelmäßig übt er Tanzschritte in seiner Zelle

Er halte sich mit Yoga und Meditationstechniken fit und lebe „im Hier und Jetzt“, weil er sich den Haftbedingungen „komplett angepasst habe“, deshalb könne er „über nichts klagen“. Sein Hobby, das Tanzen, lasse ihn auch hinter Gitter nicht los. Regelmäßig übe er Tanzschritte in der Zelle und stelle sich dabei seine Tanzpartnerin vor.

Kunert sprach nach Auswertung seiner Testfragen von einer „psychisch weitgehend ausgeglichenen, widerstandsfähigen Persönlichkeit“ , ohne Hinweise auf schwerwiegende pathologische Auffälligkeiten. B. sei „in Sozialkontakten zurückhaltend und reserviert“ , habe introvertierte Charakterzüge und ziehe es vor, „allein oder mit nur wenigen Menschen zusammen zu sein“.

In schwierigen Situationen habe er seine Gefühle „gut im Griff“

In Beziehungen mit anderen zeichne sich der Angeklagte „durch Gradlinigkeit, Gutmütigkeit und Kooperationsbereitschaft“ aus. Er habe sich „loyal, liebenswürdig, interessiert und freundlich“ gezeigt.

In schwierigen Situationen habe B. seine Gefühle „gut im Griff“. Negative Gefühle wie Wut, Aggression, Reizbarkeit hingegen versuche der Angeklagte „zu unterdrücken, schnell zu verzeihen oder gar zu vergessen“. Seine Ansichten seien durch „sachliche, traditionelle und nüchterne Überzeugungen geprägt“. Auch sei der Krankenpfleger „auffällig stressimmun“.

Es ist ein Handeln in voller Schuldfähigkeit und Verantwortung passiert, geprägt von eine sadistischen und rücksichtslosen Seite
Philip Massing

Wo andere schnell in Angst und Panik geraten, reagierte B. eher „ruhig und abgeklärt“, was mit einem vorhandenen reduzierten Angstpegel und einem entsprechenden Maß an Selbstkontrolle einhergehe.

„Wie lassen sich die durchweg positiven Eigenschaften des Angeklagten mit dem Tatgeschehen in Einklang bringen?“, fragte sich Gutachter Philip Massing und lieferte die Antwort gleich mit. Er wiederholte seine These von der „dunklen Seite“ des Angeklagten und stellte klar: „Es ist ein Handeln in voller Schuldfähigkeit und Verantwortung passiert, geprägt von einer sadistischen und rücksichtslosen Seite.“