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Herr über 10.000 AlaafsKerpener leitet seit 25 Jahren die Lachende Köln-Arena

Lesezeit 4 Minuten

Volles Haus an allen Tagen: Zusammen mit den Traditionsgesellschaften im großen Elferrat, hier den Blauen Funken, präsidiert Wolfgang Nagel für 10.000 Besucher das karnevalistische Programm.

Kerpen-Sindorf – Wenn Wolfgang Nagel um 19 Uhr mit dem großen Elferrat die Bühne der Köln-Arena betritt, ist die Stimmung schon prächtig. 10.000 kostümierte Jecken warten im weiten Rund gespannt und ausgelassen bei Pittermännchen, Käsewürfeln und Frikadellen auf fast alles, was der Kölner Karneval zu bieten hat.

Seit 25 Jahren Herr der lachenden Arena

Mehr als sechs Stunden lang präsentiert der Sindorfer Präsident knapp zwei Dutzend Korps, Bands, Tanzgruppen und Redner. Und das seit mittlerweile 25 Jahren, zunächst in der Lachenden Sporthalle, seit 1999 in der Lachenden Köln-Arena. Seine ersten karnevalistischen Schritte machte Nagel in Kerpen, wo er in den 70er-Jahren wohnte und wohin es ihn vor sieben Jahren zurückgezogen hat.

Aus Bickendorf zog der gelernte Schriftsetzer nach Stationen in Ehrenfeld und Sülz – wo er die Bläck Fööss noch als Stowaways kennenlernte – nach Kerpen. Die dortige Tanzkapelle The Sunbeams suchte einen Musiker. Nagel, der Akkordeon gelernt hat, dachte an Gesang, bewarb sich und wurde eingeladen. Schlagzeug sollte er spielen. Also nahm er kurzerhand Schlagzeugunterricht und stieg bei der Band ein.

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Dutzende Orden bekommt der Moderator während einer Veranstatung überreicht. In seinem Büro in Kerpen hängt er sie einer Schaufensterpuppe im Kostüm des Anton Kolvenbach um.

Josef von Glaß wurde auf ihn aufmerksam, und als der als Präsident von Schwarz-Gold Kerpen das Kerpener Festkomitee übernahm, suchte er einen Nachfolger für Schwarz-Gold. Nach vier Jahren Einarbeitung als Literat übernahm Nagel 1987 den Präsidentenstuhl. „Ich war sechs Stunden vorher in der Jahnhalle und total nervös“, erinnert er sich an die erste Sitzung, die er leitete.

Es folgte das Amt des Präsidenten der Kölner „Schnüsse Tring“ und seit 1989 bei der KG Löstige Ubier, deren Sitzung er in diesem Jahr letztmalig leitet, um dem Nachwuchs Platz zu machen.

Ein Fulltime-Job im Karneval

Für die Nachwuchsförderung war er viele Jahre im Kölner Festkomitee zuständig, leitete die Flora-Jugendsitzungen, wurde Pressesprecher und Vizepräsident. „Das war ein Fulltime-Job“, sagt er. Obwohl er als Werbeleiter für eine Kölner IT-Hersteller arbeitete. Probleme mit den Chefs? „Die habe ich zur Fernsehsitzung eingeladen, dann war alles gut“, beschreibt er die „rheinische Lösung“.

Zudem moderierte er Rosenmontagszüge, Radio- und Fernsehsitzungen. „Ich bin Schritt für Schritt von der Kreisklasse in die Championsleague aufgestiegen“, sagt Nagel. Bis ihm die Konzertagentur Hofner vor einem Vierteljahrhundert „den Ritterschlag der Karnevalsmoderation“ (Nagel) erteilte.

Ein Arena-Tag – Nagel moderiert sieben der insgesamt 13 Abende – beginnt ruhig. Schon ab Dezember ernährt er sich mit viel Obst und Gemüse, verzichtet weitgehend auf Alkohol. Um 13 Uhr wird das Telefon abgestellt. Dennoch fordere ihn die größte Kölner Karnevalsparty enorm. „Sechs Stunden lang hochkonzentriert, weil immer was passieren kann, auf das ich reagieren muss. Fast durchgängig stehen. Da brauche ich vier bis sechs Liter Wasser pro Abend.“ Das Programm hat er im Kopf. Seit „Weltenbummler“ Gerd Rück ihm seine Moderationskarten vom Präsidententisch weg eingesteckt hat, moderiert er aus dem gut vorbereiteten Kopf. „Dass ist wichtig, um als Präsident authentisch zu sein“, ist er überzeugt.

Die kölsche Sprache ist ihm wichtig

Dafür ist ihm auch Kölsch – die Sprache, nicht das Getränk – wichtig. „Das können ja nicht mehr viele, weil es im Elternhaus nicht mehr gesprochen wird“, bedauert er. Vor zehn Jahren hat er unter dem Dach der „Akademie för uns kölsche Sproch“ das kölsche Kabarett „Medden us dem Levve“ gegründet, „Da kann ich alles sagen, was ich sonst runterschlucken muss“, sagt er lachend. Als Präsident Anton Kolvenbach der KG „Nix im Büggel“ nimmt er sich bei urigen Milieusitzungen im Brauhaus selbst auf die Schippe. „Gegenüber den heute mehr und mehr musiklastigen Sitzungen ist das eine inzwischen beliebte Alternative.“ Alle Sitzungen seien in kürzester Zeit ausverkauft.

Wolfgang Nagel präsentiert nahezu alle Karnevalsgrößen auf der Bühne der Lachenden Kölnarena. Darunter natürlich auch das Kölner Dreigestirn.

So wie die Lachende Köln-Arena. „Da gibt es schon bewegende Momente.“ So unterbreche er das dreimalige Alaaf am Schluss, um zu dozieren, dass das ist ein Freudenruf sei. „Danach schallt es lautstark durch die Arena, und nach dem abschließenden Danke kommt mir ein gebrülltes »Bitte« entgegen. Das ist es wert. Sich vor 10 000 Menschen selbst zu hören, das ist Adrenalin pur.“ Das Adrenalin will Nagel sich noch vier Jahre lang gönnen, weil der Veranstalter ihn „bekniet“ hat.

„Wenn ich um halb drei zurück in Kerpen bin, mache ich den Fernseher an, ohne hinzuschauen. Ich brauche vier Stunden, um die Lautstärke aus dem Ohr zu bekommen.“ Dafür schätzt er die Ruhe in Sindorf, die ihn veranlasst habe, aus der Stadt wieder aufs Land zurückzukehren.