AboAbonnieren

„Leistungsdruck ist ein Thema“Coachin für mentale Gesundheit an Kerpener Schule im Interview

Lesezeit 4 Minuten
Zu sehen ist eine Frau mit dunklen langen Haaren in einem schwarzen T-Shirt.

Josina Jansen führt das Projekt Mental Health Coaches am Adolf-Kolping-Berufskolleg in Kerpen durch.

Als Mental Health Coachin arbeitet Josina Jansen mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen am Adolf-Kolping-Berufskolleg in Kerpen.

Mental Health Coaches ist ein bundesweites Projekt an teilnehmenden Schulen, um die psychische Gesundheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu stärken. Josina Jansen, pädagogische Mitarbeiterin der Katholischen Jugendagentur Köln gGmbH (KJA Köln), führt das Projekt am Adolf-Kolping-Berufskolleg in Kerpen durch.

Als Mental Health Coachin erarbeitet die studierte Psychologin unter anderem präventive Gruppenangebote oder Unterrichtsreihen. Eva-Maria Zumbé sprach mit ihr über die mentale Gesundheit von jungen Menschen und das Programm, das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird.

Frau Jansen, Sie führen das Programm „Mental Health Coaches“ am Adolf-Kolping-Berufskolleg durch, um das mentale Wohlbefinden der Schüler zu fördern. Wie nehmen die Schüler das Angebot von Gruppengesprächen an?

Josina Jansen: Grundsätzlich nehmen alle das Angebot schon gut an. Die Schülerinnen und Schüler sind je nach Klasse zwischen 16 und 25 Jahren alt. Man merkt schon, dass es manche gibt, die sich mit dem Thema „Psychische Gesundheit“ bereits beschäftigt haben und auch Interesse daran haben. Dafür gibt es aber auch andere, die noch gar nicht damit in Berührung gekommen sind. Die Schülerinnen und Schüler nehmen es auch gut an, es gibt aber unterschiedliche Startpunkte.

Und woran liegt es, dass bei vielen bereits dieses Bewusstsein vorhanden ist?

Die Entwicklungen der letzten Jahre, auch mit Blick auf Social Media, zeigen meiner Meinung nach schon eine größere Offenheit gegenüber dem Thema mentale Gesundheit, auch Prominente gehen verstärkt an die Öffentlichkeit und machen es sich zum Ziel, psychische Krankheit zu entstigmatisieren. Trotzdem ist ja gerade auch die Jugendphase mit vielen Belastungen und Unsicherheiten verbunden, und da ist es auch gar nicht so einfach, ein Gefühl für die eigenen Bedürfnisse zu bekommen und frühe Warnsignale zu erkennen.

Wie sieht ein typischer Tag für Sie als Mental Health Coachin an der Schule aus?

Da das Schuljahr gerade begonnen hat, bin ich aktuell sehr in der Planungsphase. Das heißt, ich gehe in die Klassen, stelle mich vor und hospitiere. Außerdem führe ich viele Gespräche mit Lehrkräften, sodass wir gemeinsam Bedarfe in den Klassen feststellen können. Es gibt nicht automatisch eine feste Struktur oder einen Stundenplan für das Projekt, stattdessen arbeite ich bedarfsorientiert und suche mir passende Stunden und Zeiträume. Ich arbeite zum Beispiel eng mit Religionslehrern zusammen, das lässt sich zum Beispiel gut mit Themen wie Identitätstheorie vereinbaren oder werde demnächst auch eine AG anbieten. Wenn ich nicht selbst mit den Schülerinnen und Schülern arbeite, lade ich externe Referentinnen und Referenten von verschiedenen Vereinen ein. Daher gehört auch viel Recherche und Netzwerken zu meinem Alltag. Man muss jedoch erst einmal passende Referenten finden. Ab Mitte September gehe ich mit Projekten in die Klassen. In der Regel bereite ich Doppelstunden vor. Wir sprechen dann zum Beispiel über Stress, Belastungen oder „Wie gehe ich mit Prüfungen um?“.

Welche Techniken oder Methoden setzen Sie ein, um eine vertrauensvolle und offene Gesprächsatmosphäre zu schaffen?

Ich glaube, man braucht einfach ein Gefühl für die Klassendynamik, und wie die Schüler miteinander auskommen. Kommen sie nicht gut miteinander aus oder kennen sich noch nicht so lange, ist es je nachdem keine gute Idee, direkt über Themen wie psychische Krankheiten zu sprechen. Man muss es sich weniger wie eine Gruppentherapiestunde vorstellen, es ist sehr positiv ausgelegt. Es geht auch um Aufklärung, um sich selbst besser zu verstehen und die Stärkung der Schüler. Generell darf in unseren Gesprächsrunden jeder sagen, wie er sich fühlt, muss es aber auch nicht. Es ist nie Druck dahinter. Grundsätzlich gelten die Regeln: Es bleibt alles in diesem Raum, und es wird nicht gelacht. Ich falle auch unter die Schweigepflicht. Es kommt auch vor, dass ich die Lehrkräfte rausschicke.

Welche Themen oder Herausforderungen beschäftigen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Ihren Gruppengesprächen am häufigsten?

Leistungsdruck und Stress in der Schule ist auf jeden Fall ein großes Thema. Prüfungsangst ist auch häufig. Das schlagen auch die Lehrkräfte oft vor. Weitere Themen sind Ängste wie Versagensängste oder auch Panikattacken.

Haben sich die mentalen Herausforderungen der Schüler, insbesondere in Anbetracht der Auswirkungen der Pandemie verändert?

Ich bin zwar erst seit vergangenem Jahr am Adolf-Kolping-Berufskolleg, aber ich weiß aus eigenen Fortbildungen und Studien, dass Angstsymptome und Depressionen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen angestiegen sind. Während der Pandemie hat der Schule nicht existiert, und die Schüler waren zu Hause. Wer nicht das System hatte, mitzukommen, ist hinten runtergefallen. Jetzt ist es so, als wäre nie etwas gewesen. Es ist nicht einfach, da hinterherzukommen. Jetzt ist der Leistungsdruck da, man muss Dinge aufholen, so wie die Schulen auch. Die Schüler haben viel mitgemacht und, und sie müssen jetzt wieder funktionieren, jedoch sind die Auswirkungen der Pandemie immer noch zu spüren.