Der Hambacher Forst bleibt. Doch darüber, ob der Wald nun wirklich gerettet ist, sind seine Bewohner geteilter Meinung.
„Ich weiß noch nicht, ob ich bleibe“, sagt einer von ihnen. Die Bagger seien noch da, es gäbe keinen Grund zu gehen, so ein anderer.
So oder so: Den Widerstand gegen RWE wollen sie fortsetzen.
Kerpen-Buir – „Hambi bleibt!“ Das war im Sommer 2018 der Schlachtruf von Abertausenden Demonstranten und Umweltaktivisten im und am Hambacher Wald. Und tatsächlich: Die Forderung ist nun Realität geworden. Amtlich. Aber im Wald herrscht derzeit keine Euphorie, kein Jubel über die Rettung der uralten Bäume. Im Wald ist es merkwürdig still.
„Es ist ein Tag wieder jeder andere, an dem wir glücklich aufwachen“, sagt ein maskierter junger Mann auf Englisch. Er gibt keinen Namen an, nennt sich nur „Human“. Mensch. Unter dem „Tower“, einem mehrstöckigen Baumhaus im Dorf Lluna, brennt ein Lagerfeuer, um das mehrere junge Aktivisten sitzen. „Wir bleiben. Wir wissen nicht, wie lange. Aber wir bleiben. Egal, was irgendwelche Politiker sagen“, sagt er.
Neue Baumhaussiedlungen sind entstanden
Nach der Räumung vor anderthalb Jahren sind wieder neue Baumhaussiedlungen im Wald am Tagebaurand entstanden. Norden, Beachtown und Gallien gibt es nicht mehr, nun heißen die Dörfer in den Wipfeln Lluna, Hallimasch oder Hazelnut. Die Bewohner sind oft dieselben geblieben, viele sind schon seit sieben Jahren im Wald, seit dem Beginn der Waldbesetzung. „Wir trauen dem System nicht“, sagt ein anderer Aktivist, ebenfalls auf Englisch.
„Gesetze kann man ändern. Die Bagger sind noch da, die Kraftwerke laufen noch. Es gibt keinen Grund, den Wald zu verlassen.“ Der Widerstand werde fortgesetzt. Schließlich solle sich der Tagebau ja nun um den Forst herumgraben. Da sei weiter Wachsamkeit wichtig.
Zeugnisse dafür gibt es überall im Wald. Auf den Hauptwegen versperren Barrikaden aus Autoreifen und Sperrmüll aller Art die Zufahrt in den Forst, immer wieder durchschneiden Gräben die Wege. „Der Wald ist ein Symbol geworden, aber es geht uns ja nicht um ein Symbol“, sagt „Human“, der einen Klettergurt um die Hüfte trägt. „Die Kohleverstromung muss enden. Jetzt. Nicht erst 2038.“
Manche überlegen, den Forst als gerettet zu betrachten
Er kämpfe für den Wald, die Natur und für die Menschen, die unter dem Kapitalismus litten. Politiker, RWE, Polizei – sie alle würden im Wald ein anderes Gesicht zeigen als vor TV-Kameras. „Wir haben hier so viel Unterdrückung erlebt, denen ist einfach nicht zu trauen“, sagt „Human“. Immer wieder würden auch jetzt noch, lange nach dem Rodungsstopp, Hubschrauber über den Baumhäusern kreisen und Polizisten in der Nacht vorbeikommen. „Sie strahlen uns mit ihren Taschenlampen an.“
Nicht alle Aktivisten teilen „Humans“ Skepsis, manche überlegen, ihre Zelte im Wald abzubrechen und den Forst als gerettet zu betrachten. „Ein wenig feiern wird heute drin sein“, sagt ein junger Mann. Auch er will namentlich nicht genannt werden. Und eine Aktivistin mit kurzem, schwarzem Haar ist angesichts der aktuellen Entscheidung in Berlin über den Kohleausstiegsplan ins Grübeln gekommen. „Ich weiß noch nicht, ob ich bleibe oder irgendwo hingehe, wo Menschen gebraucht werden.“ In den Baumhäusern gebe es dazu keine einheitliche Meinung. „Wir sind keine homogene Masse.“
Der Widerstand gegen RWE solle aber fortgesetzt werden, solange Kohle zu Strom gemacht wird, findet auch sie, egal von wo aus. „Es ist uns ja nicht um diesen Witz von zehn Prozent Restwald gegangen. Wir sehen das global.“