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411 Meter unter der GeländekanteBagger erreichen tiefsten Punkt des Tagebaus Hambach

Lesezeit 3 Minuten

Dicht an Elsdorf und den Resten des Hambacher Forstes (l.) liegt der weltweit tiefste Tagebau seiner Art.

Kerpen/Elsdorf – Der Tiefpunkt ist erreicht – und das ist wörtlich zu nehmen. Gestern gruben die Bagger im Tagebau Hambach sich mit 411 Metern unter Geländekante auf die sogenannte „maximale Teufe“, den tiefsten Punkt der Kohlengrube zwischen Elsdorf, Kerpen und Merzenich.

„Weltweit war und ist kein Lockergesteintagebau je tiefer gewesen als dieser Tagebau“, berichtete RWE Power Vorstand Dr. Lars Kulik über die bergbauliche Leistung. In diese Tiefen konnten Bergleute bis in die 50er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts nur unter Tage vordringen. Aber die 411 Meter markiere einen Wendepunkt.

Der Höhenvergleich macht klar, wie gigantisch tief das Loch bei Kerpen und Elsdorf in die Erde gegraben wurde, um an die Kohle zu gelangen.

„Die Braunkohlegewinnung geht zwar weiter, sie tritt aber zunehmend in den Hintergrund und die jährlichen Fördermengen gehen deutlich zurück. Der Tagebau Hambach konzentriert sich jetzt auf die Gestaltung der Landschaft, die ihm folgen wird“, schreibt Kulik in einem Grußwort an die Kollegen.

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Damit gehen die Zeiten der „größten selbstfahrenden Arbeitsmaschinen der Welt“, gemeint sind die Riesenbagger, die pro Tag 240.000 Tonnen Abraum bewegen, im Braunkohlentagebau Hambach schon bald ihrem Ende entgegen. Was vom Hambacher Forst noch übrig sei, bleibe erhalten, betonte Kulik: „Ende dieses Jahrzehnts endet hier in Hambach die Kohlegewinnung, rund zwei Jahrzehnte eher als ursprünglich geplant. Eine Milliarde Tonnen Braunkohle verbleiben somit im Boden.“ In der Broschüre „411 m Teufe – Wendepunkt im Tagebau Hambach“ wird prognostiziert: „Der Tagebau Hambach wird somit etwa 2029 ausgekohlt.“

Baggerführer Karl-Heinz Horstmannshoff grub sich mit dem Bagger 289 an die tiefste Stelle des Tagebaus heran.

Kulik schaute noch weiter voraus: „Schon ab 2030 soll hier der Hambacher See entstehen. Die Vorstellung ist irgendwo kurios: Wir stehen hier unten tief in der Wirklichkeit des Tagebaus und sprechen über die Bergbaufolgelandschaft, die hier schon in wenigen Jahren entstehen soll. Das ist wenig Zeit für jemanden wie mich, der die langen Zeiträume in der Braunkohle gewohnt ist.“ In den kommenden Jahren werde insbesondere die Mulde des späteren Sees modelliert. Aber das ist laut Kulik nicht der einzige Schwerpunkt. Vor allem würden „dauerhaft standsichere Böschungen“ angelegt.

Der Tagebau Hambach hat es den Bergleuten nicht immer leicht gemacht. Daran erinnerte auch Kulik. Es habe große Herausforderungen gegeben. Nicht aufbaufähige Erdschichten mussten in eine dauerhaft stabile Kippe eingebaut werden. Die Kohlequalitäten waren unterschiedlich, trotzdem mussten Kraftwerke und Veredelungsbetriebe „mundgerecht“ mit den benötigten Kohlequalitäten versorgt werden.

In den kommenden Jahren wird mit der Gestaltung des geplanten Sees begonnen, auch die Böschungen werden gesichert.

Als dritte Schwierigkeit nannte Kulik die verschleißträchtigen Toneisenstein-Einlagerungen, „an denen sich der betroffene Bagger zunächst im wahrsten Sinne des Wortes die Zähne ausbiss“. Alles das und noch viel mehr habe den Kollegen oft Kopfzerbrechen bereitet, doch Bergbau sei ein Mannschaftsspiel. Deshalb gelte der Dank den Kollegen, den Betriebsräten, aber auch den beteiligten Städten, Behörden und Verbänden.

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Elsdorfs Bürgermeister Andreas Heller lobte die gute Nachbarschaft zum Tagebau, die sich auch in „sicherer Arbeit und guten Löhnen“ gezeigt habe. Die Bergleute sollten sich ihre Leistung für die Energieversorgung von niemandem schlechtreden lassen. Mit dem Kohleausstieg trügen die Bergleute jetzt zu einer „nachhaltigen CO2 -Minderung“ bei. Sie seien nicht schuld, wenn es mit den Klimazielen nicht klappe. Er sei guten Mutes, dass der Tagebau Hambach eine attraktive Landschaft hinterlassen werde.

Rückblick: Energiekrise in 1970ern gab Ausschlag

Als vor mehr als 60 Jahren der Braunkohlentiefbau zwischen Morschenich und Manheim mit der Tiefbaugrube Union 103 aufgrund schwieriger geologischer Bedingungen eingestellt werden musste, war für die damaligen Bergleute laut RWE klar, dass der energetisch wertvolle Rohstoff „Hambacher Kohle“ im Zentrum des Rheinischen Braunkohlereviers trotz größter Anstrengungen „wohl nie gehoben werden könnte“.

Erst die weltweite Energiekrise der 1970er Jahre habe den „dringenden Impuls“ gegeben, das Vorhaben erneut anzugehen und das bis zu 70 Meter mächtige Braunkohlenflöz zu erreichen – diesmal jedoch im Tagebau.

Die erzeugte Strommenge aus der Kraftwerkskohle des Tagebaus Hambach deckte bisher rund fünf Prozent des deutschen Bedarfs, auf das Land NRW bezogen annähernd 15 Prozent. Hinzu kommen noch Veredlungsprodukte wie Briketts oder Braunkohlenstaub.