Kerpen-Horrem – Der schwere Unfall, bei dem ein 18-jähriger Fahranfänger am Montag am Bahnhof Horrem mit seinem Wagen ein 13-jähriges Mädchen lebensgefährlich verletzt hat, hätte nach Ansicht eines Anwohners von der Polizei verhindert werden können. „Die Polizei hat die Gefahr unterschätzt“, sagt der Mann, der nach eigener Aussage eine Stunde vor dem Unglück die Polizei alarmiert und dringend darum gebeten hat, den Autofahrer aus dem Verkehr zu ziehen.
„Die jungen Leute sind wie die Wahnsinnigen hier am Bahnhof herumgefahren“, sagt der Mann über den Fahrer und die vier anderen Insassen. „Immer wieder haben die Reifen gequietscht, Vollbremsungen, runter zur Hauptstraße und wieder hoch zum Busbahnhof mit sehr, sehr hoher Geschwindigkeit, obwohl da Menschen standen. Sie haben gebrüllt und geschrien.“
Der Polizei habe er das Kennzeichen durchgegeben und gesagt, dass das nicht die üblichen Raser seien, die des Öfteren mit ihren Autos am Bahnhofsrondell unangenehm auffielen. „Es kommt immer wieder vor, dass junge Autofahrer sich vor den wartenden Schülern zeigen wollen. Aber das hier war was anderes. Ich habe der Polizei gesagt, dass die jeden Moment Menschen umrasen können.“
Erst nach etwa 40 Minuten sei dann ein Streifenwagen aufgetaucht. „Ich habe die Polizisten darauf hingewiesen, dass der Wagen gerade eben wieder runter zur Hauptstraße gefahren ist“, sagt der Anwohner. Doch die Beamten seien nicht dem Wagen gefolgt, sondern hätten stattdessen am Bahnhof die Personalien eines Mannes kontrolliert, der mit dem ganzen Geschehen nichts zu tun gehabt habe. „Dann sind sie wieder gefahren. Fünf Minuten später ist der Unfall passiert.“
Das war um 14.45 Uhr. Der 18-Jährige verlor die Kontrolle über den Wagen, raste über drei Metallpoller und fuhr das Mädchen an. Nach Angaben der Polizei kümmerten sich der Unfallfahrer und seine Passagiere nicht um die Schwerverletzte, sondern fuhren weiter. Der 18-Jährige soll seine Freunde aus dem Wagen gelassen und die Nummernschilder abgeschraubt haben, um dann zu flüchten. „Ein Taxifahrer hat noch versucht, ihm den Weg abzuschneiden“, sagt der Anwohner. Doch erst ein paar Kilometer weiter habe die Polizei den Amokfahrer stoppen können.
Die 13-Jährige ist inzwischen außer Lebensgefahr, hieß es gestern bei der Polizei. Deren Sprecher Anton Hamacher bestätigte auch den Anruf eines Mannes um 13.48 Uhr. Damit bestätigt Hamacher, dass zwischen diesem Anruf und dem Unfall fast genau eine Stunde vergangen ist. Der Mann, der über den Notruf bei der Hürther Leitstelle Kontakt mit der Polizei aufgenommen hatte, habe die Situation geschildert und sogar das Kennzeichen des Wagens durchgegeben und dann erklärt, die jungen Leute seien inzwischen mit dem Auto davon gefahren. „In diesem Augenblick war die Gefahr nicht mehr konkret, und es gab für die Kollegen der Polizeiwache Kerpen keinen unmittelbaren Anlass für einen Einsatz“, sagt Hamacher. Der Autofahrer sei ja offenbar nicht mehr dort gewesen.
Dass noch vor dem Unfall zwei Beamte am Bahnhof gewesen seien und, statt die Verfolgung des Autos aufzunehmen, die Personalien eines Mannes überprüft hätten, konnte Hamacher nicht bestätigen. Das gehe aus den Protokollen des Geschehens nicht hervor. Er schloss aber nicht aus, dass die Beamten zufällig dort vorbeigefahren sind.
Auf die Frage, ob der Polizei bekannt sei, dass immer wieder junge Autofahrer nach Angaben von Anwohnern und Taxifahrern um das Rondell am Bahnhof („der Nürburgring von Kerpen“) rasten, antwortete Hamacher: „Der Wachleiter in Kerpen kann das überhaupt nicht nachvollziehen, zumal im Bereich des Bahnhofs regelmäßig kontrolliert wird.“