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„Ich will mein Haus zurück“Morschenich-Alt soll bleiben, trotzdem kommen die Bagger

Lesezeit 4 Minuten
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Sie wollen ihr altes Haus von RWE zurückkaufen: Dagmar und Jürgen Gerden.

Morschenich – Sieger sehen anders aus. Etwas verloren stehen Dagmar (47) und Jürgen Gerden (49) vor der Bushaltestelle im Ortskern von Morschenich-Alt, das dieses Anhängsel schon länger mit sich herumschleppt, und wissen immer noch nicht, was aus ihrem Dorf werden wird. Die Gerdens wissen nur eins: Sie wollen ihr Haus zurück. Ihr Haus, das sie im April 2018 an den RWE-Konzern verkauft haben, weil die Braunkohlebagger immer näher rückten und aus dem Hambacher Wald vor ihrem Fenster längst ein Wäldchen geworden war.

Und noch eines glauben sie zu wissen: Dass man keine Abbruchbagger schicken sollte, wenn man einen Ort der Zukunft plant. Dass man besser die wenigen Menschen, die immer noch dort wohnen, fragen sollte, wie die sich ihre Zukunft vorstellen.

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Der Abbruch von 37 Häusern im Dorf ist in vollem Gange.

Dass Morschenich-Alt wieder eine Zukunft hat, steht seit Anfang Oktober fest. Noch ist die neue Leitentscheidung der Landesregierung zur Braunkohle zwar nur ein Entwurf und wird erst Anfang 2021 in ein Gesetz gegossen, doch mit dem Erhalt des Hambacher Walds geht einher, dass das Dorf Morschenich „bergbaulich nicht mehr in Anspruch genommen“ werden muss. Die Kunden in seinem Hofladen am Stadtrand von Düren hätten ihm reihenweise gratuliert, sagt Biobauer Gerden. „Die denken alle, dass wir bald wieder zurück können.“

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Die Wirklichkeit sieht anders aus. Kaum war die Entscheidung im Düsseldorfer Landtag gefallen, rückten in Morschenich die Bagger an. Bis Ende des Jahres werden am östlichen Ortsrand 40 Häuser abgebrochen, deren „Rückbau“, wie es in einer Mitteilung der Gemeinde Merzenich heißt, auf dem Höhepunkt der Proteste um den Hambacher Forst gestoppt worden war, um die Lage nicht noch mehr zu eskalieren. Sie stünden seit langem leer und seien baufällig. Das Haus von Familie Gerden zählt nicht dazu. Es liegt am anderen Ende des Ortes.

Merzenich hat große Pläne für Morschenich-Alt

Die Gemeinde Merzenich hat große Pläne für Morschenich-Alt. Sie möchte die Ortslage am Bürgewald und Hambacher Forst völlig neu entwickeln. „Für diese Transformation zu einem Ort der Zukunft wird ein Masterplan nötig sein, dessen Erarbeitung noch einige Jahre braucht“, heißt es in einer Mitteilung.

In Morschenich könnten Feldlabore für ressourceneffiziente Pflanzenproduktion und alternative Landwirtschaft an einem Nachhaltigkeitsforum und Innovationszentrum Landwirtschaft entstehen. Studenten der TU Universität Darmstadt sollen erste Entwürfe im Februar 2021 präsentieren.

Familie Gerden hat prinzipiell gar nichts gegen solche Zukunftspläne, befürchtet aber, „dass die Menschen, die hier noch wohnen oder zurückwollen, gar nicht erwünscht sind“, sagt Jürgen Gerden.

Merzenichs Bürgermeister Jürgen Gelnhausen (CDU) spricht zwar davon, „ein weiterer Rückbau“ von Häusern sei nicht beabsichtigt, doch das kann die Gerdens nicht beruhigen. „Wir fordern ein Mitspracherecht, bevor hier etwas passiert.“ Zehn Mitstreiter haben sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, weil sie ihre Interessen vom Ortsbeirat in Neu-Morschenich nicht vertreten fühlen.

Warum fragt man nicht zuerst alle Morschenicher, was sie wollen?

„Warum fängt man hinten an? Warum fragt man nicht zuerst alle Morschenicher, was sie wollen? Diejenigen, die hier noch leben, aber auch diejenigen, die schon umgesiedelt sind. Jetzt plant man, stülpt uns etwas über und fragt uns anschließend, ob uns das auch zusagt. Das ist der falsche Weg“, sagt Gerden.

Die Gemeinde spreche von fünf Jahren Planungszeit und gehe davon aus, dass die Umsiedlung der 500 Dorfbewohner praktisch abgeschlossen sei. „Das sehen wir anders. Wir haben unser Haus nur verkaufen müssen, weil es für den Bergbau gebraucht wurde.“ Diesen Grund gebe es seit der Leitentscheidung nicht mehr. Deshalb müsste allen Morschenichern die Chance gegeben werden, darüber zu entscheiden, was mit ihrer alten Heimat geschehen soll. „Das ist mein Elternhaus. Sie haben es gebaut, es war ihr ein und alles“, sagt seine Frau. „Ich hänge sehr daran. Für uns war das immer ein Ort der Ruhe. Ich möchte es zurückhaben.“

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Heidi Weitz (64), die mitten im Ort seit einem Vierteljahrhundert zur Miete wohnt, sieht das ähnlich. „Wir haben andere Visionen. Alle müssen hier gleichberechtigt leben dürfen. Alle, die zurückkaufen wollen, müssen die Chance dazu haben“, sagt sie. „Wir haben hier im Ort Migranten, die würden wir integrieren. Und wir haben die Kohlekraftgegner, die das Ganze hier erstritten haben und jetzt zunehmend kriminalisiert werden.“ Zum Erhalt des Hambacher Waldes hätten die wenigsten Dorfbewohner etwas beigetragen, findet auch Jürgen Gerden.

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Heidi Weitz will bleiben.

Wenn Morschenich am Ende der Planungen ein Ort der Zukunft sei, dessen Vergangenheit nur noch aus der kleinen Kirche, dem Kindergarten, einem historischen Viertkanthof und dem kleinen Flugplatz bestehe, sei das eine Schande. „Wir waren doch völlig unbekannt, bis der Hambacher Forst zum Symbol für den Klimawandel und die Energiewende wurde“, sagt Jürgen Gerden. „Wir sind der erste Ort, der wegen des Ausstiegs aus der Kohleverstromung stehenbleibt. Das darf man nicht wegreißen.“ Morschenich müsse dafür stehen, dass diese Geschichte nicht in Vergessenheit gerate. Das sei auch eine Zukunftsvision. Eine ohne Abbruchbagger.